Süddeutsche Zeitung

Haben und Sein:Porsche, Preußen und Plastikflaschen

Anzüge auch recyceltem Plastik und Erinnerungen an Design-Ikonen wie den Porsche Targa oder das Preußische Hofzeremoniell: die Stilnews der Woche.

Von Anne Goebel, Christian Mayer, Max Scharnigg und Silke Wichert

Bei Kunstausstellungen lautet der aktuelle Trend "immersiv". Das Wort stammt vom lateinischen immersio und beschreibt sowohl den aktiven Vorgang des Eintauchens als auch den passiven Zustand des Eingetauchtseins. Man soll Kunstwerke also nicht mehr einfach nur angucken, sondern möglichst ein Teil davon werden, oder sie zumindest mit allen Sinnen erleben können. Dieses Wochenende hat in Berlin-Friedrichshain die Show "Genius" eröffnet, die nicht weniger verspricht, als die heutige Welt "durch die Augen von Leonardo da Vinci zu erleben." Der Hauptteil ist ein mit allem technischen Schnickschnack ausgestatteter Raum, in dem sich der Besucher frei bewegt, um die verschiedenen Werke und Charaktere des Genies zu entdecken: Maler, Erfinder, Wissenschaftler und Astronom. Die Show dauert rund eine Stunde, dabei verändert sich der Raum ständig; es gibt Video-, Audio-, Touch- und AR-Erlebnisse. Sogar mit Gemälden soll sich der Zuschauer interaktiv austauschen können - etwa mit der Mona Lisa über Mode oder Ernährung chatten. Berlin ist die erste Station, danach zieht die Ausstellung in zwölf weitere Städte in Europa und den USA (geniusdavinci.com, Tickets ab 24,95 Euro).

Wenn die Berliner in historischer Erinnerung schwelgen wollen, landen sie gerne in den Zwanzigerjahren. Sie feiern dann die angeblich goldene Ära, in der Großstadtdiven wie Marlene Dietrich Schlagzeilen machten, Tanzpaläste und Varieté-Theater boomten und das KaDeWe seinen Ruf als Eldorado des Konsums festigte. Von Preußens Glanz und Gloria ist dagegen eher selten die Rede, um den Ruf der Hohenzollern war es zuletzt ja nicht zum Besten bestellt, man denkt da eher an Pickelhauben, den hochmütigen Kaiser Wilhelm II. und seinen Sohn, den Kronprinzen Wilhelm, der sich den Nazis andiente. Umso überraschender ist daher die Entscheidung der MHP Hotel AG, mit dem Hotel Luc am Gendarmenmarkt an den berühmtesten preußischen König zu erinnern, an Friedrich den Großen (1712 - 1786). Sein französischer Philosophenfreund Voltaire nannte ihn gelegentlich "Luc" - das war ironisch, aber auch liebevoll gemeint. Die 70 Zimmer und 22 Suiten des Hotels sollen jedenfalls für eine gewisse Geradlinigkeit, Klarheit und Weltoffenheit stehen, die man im 18. Jahrhundert mit Preußen verband; die Königliche Porzellan-Manufaktur wird hier mit Tischgeschirr repräsentiert sein. In dem neuen Eckgebäude hat die Innendesignerin Oana Rosen viel mit der Farbe Preußischblau gearbeitet. Nun wird man abwarten müssen, welche Strahlkraft der "Alte Fritz" heute noch hat (mphhotels.com).

Im Jahr 1972 weitete der Designer F.A. Porsche seine gestalterische Arbeit, die der Welt schon den 911er beschert hatte, auf andere Produkte aus und gründete dafür die Marke Porsche Design. Erstes Produkt wurde ein Chronograph, der in seinem Design an die Präzisionsinstrumente aus dem Rennsport erinnerte und mit seinem ungewöhnlichen, schwarzen Finish schnell zum Designklassiker der Uhrenwelt avancierte. Gemäß Porsches Credo "Wenn man die Funktion einer Sache überdenkt, ergibt sich die Form manchmal wie von allein" folgten in den nächsten Jahrzehnten weitere Gegenstände, die den Alltag um eine markante, meist sportlich-maskuline Form bereichern sollten, es entstanden zum Beispiel Sonnenbrillen mit innovativer Wechselglas-Funktion, Schreibgeräte, Taschen und sogar Küchengeräte. Zum 50. Geburtstag, den die Marke das ganze Jahr über zelebrieren wird, stellt man als Referenz an die Anfänge jetzt sowohl die Uhr als auch den 911er-Porsche in limitierten Jubiläums-Versionen vor. Der Chronograph 1 wird im Original-Design von 1972 aufgelegt, allerdings mit einem supermodernen Automatikwerk im Inneren. Das Unternehmen Porsche nimmt den Geburtstag zum Anlass, eine auf 750 Fahrzeuge beschränkte Edition des Porsche Targa auszuliefern, in dessen Ausstattungsdetails verschiedene ikonische Stilmerkmale von Porsche Design eingearbeitet sind. Beide Jubiläumsprojekte können ab sofort im Porsche Museum in Stuttgart besichtigt werden, das auch eine sechsmonatige Sonderausstellung zu Porsche Design eröffnet hat. Auch ein Coffeetable-Book, das eine Übersicht über das Wirken der Marke in den letzten 50 Jahre geben soll, wird demnächst noch erscheinen.

Vorsprung durch Technik, der Slogan aus der Automobilbranche passt auch zum jungen Mode-Startup "Shaping New Tomorrow" aus Dänemark. Das Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, eine optimierte und nachhaltige Garderobe für den Mann anzubieten, bei der Hightech-Materialien und zeitloser Stil für eine möglichst lange Lebensdauer sorgen sollen. Nachdem man sich zunächst auf die Suche nach den perfekten Shirts und Hosen gemacht hat, war jetzt der klassische Anzug dran. Das Ergebnis heißt "The Essential Suit" und verrät auf den ersten Blick kaum etwas über seine inneren Werte. Tatsächlich aber besteht der Anzug zu 67 Prozent aus recyceltem Polyester, 29 Prozent Ecovero Viskose und 4 Prozent Elasthan. Dieser von der Firma entwickelte Textilmix sorgt nicht nur für einen guten ökologischen Fußabdruck bei der Produktion - in jedem Anzug stecken 35 recycelte Plastikflaschen. Das Material hat auch Eigenschaften, die dem Träger zu Gute kommen. Es soll den Anzug komfortabel und strapazierfähig, atmungsaktiv und außerordentlich knitterfrei machen. Durch ein Nano-Finish wird der Stoff außerdem wasserabweisend und trocknet schnell, für alle Radfahrer ins Büro wäre das also eine vielversprechende Arbeitskleidung. Außerdem gibt es ein Essential-Sakko der Dänen in der Farbe "Bavarian Green"! (shapingnewtomorrow.de)

Seine Welt wird bevölkert von Nachtvögeln mit riesigen Augen, Füchsen und sphinxartigen Katzen: Der finnische Gestalter Klaus Haapaniemi gilt als einer der phantasievollsten Graphikdesigner Skandinaviens mit unverwechselbarer Handschrift. Vor allem für die Firma Iittala, spezialisiert auf hochwertiges Glas und Geschirr, hat Haapaniemi einprägsame Motive geschaffen, etwa die Serie Taika, zu Deutsch Magie, die Märchenmotive und folkloristische Anleihen kombiniert. In einer neuen Kooperation hat er sich mit einem ebenfalls aus Finnland stammenden Hersteller von Kindermode zusammengetan: Reima, bisher bekannt für robuste Outdoor-Kleidung, präsentiert jetzt eine Basics-Kollektion aus Röcken, Shirts und Kapuzenpullis. Haapaniemis eigens dafür entworfener Textildruck steckt wieder voller flatternder und krabbelnder Wesen. Magisch (reima.com).

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