Immer wieder erstaunlich: Man kann drei Stunden mit dem Zug Richtung Nordosten fahren und dabei zweimal umsteigen und ist an der Endhaltestelle immer noch in Bayern. Hier, im letzten Winkel der Röhn, liegt die Kleinstadt Bad Königshofen, ein paar Kilometer weiter ist schon Thüringen. "Da drüben auf dem Hügel war angeblich Putin stationiert", sagt Michael Ress und versucht es gar nicht weiter mit Verklärung der Provinz. Man würde es ihm auch nicht abnehmen. Das hier ist zwar seine Heimat, und hier stehen die Werkhallen, die sein Vater ausgestattet hat, trotzdem führt der Geschäftsführer von Schönbuch heute nur eine Wochenbeziehung mit dem Landstrich.
Am Wochenende lebt er in München und bildet dann mit seiner Frau, der Designerin Carolin Sangha, genau das kreative Musterpaar, das man vor Augen hat, wenn man sich das Sortiment von Schönbuch ansieht: junge Designs, auffällige Farben, schicke Wohnaccessoires. Die Marke ist spezialisiert auf Klein- und Staumöbel oder, wie Ress sagt: "Bett, Stuhl, Sofa machen die anderen, wir haben den Rest."
Wenn man durch die Fertigungshallen geht, sieht man, wie groß dieser Rest ist und wie anspruchsvoll im Detail zu fertigen - vom hochwertigen Kleiderbügel, über allerlei Haken, Garderoben und einen Servierwagen bis hin zum passgenauen Schranksystem, dreht sich hier alles um das formschöne Ordnen und Aufbewahren und präzises Schreinerhandwerk. Diese Expertise beschert der Marke seit einigen Jahren gute Zuwächse und auf der letzten Möbelmesse in Köln einen international vielbeachteten, geradezu poppigen Auftritt. Kleine Wohnungen und urban beengtes Leben verlangen eben mittlerweile besonders dringend nach Stauraumlösungen, die besser aussehen, als das Wort klingt.
In der Praxis wurde dabei besonders der Flur das Einsatzgebiet von Schönbuch, und wenn man Michael Ress das Stichwort gibt, entpuppt sich der freundliche Mann schnell als Flurphilosoph erster Güte. "Ich finde, Entree klingt besser, da schwingt schon dieses Willkommensgefühl mit, das jede Diele haben sollte. Das Entree also wird von den Architekten meistens ja nur als schnöder Durchgangsraum hinterlassen, es hat aber viele Aufgaben: Es soll beim Eintreten wohnlich und repräsentativ wirken, zugleich muss dort aber auch viel schnell verstaut werden und dann beim Losgehen wieder zur Hand sein. Es ist eben unsere Schleuse zwischen drinnen und draußen."
Wo ist denn da der Haken dran?
An der Schleuse zwischen Funktion und Ästhetik operiert Schönbuch deshalb mit namhaften Designern wie Sebastian Herkner, Stefan Diez oder dem Studio Kaschkasch. Eine besondere Rolle unter den Gestaltern spielt seine Frau Carolin - sie ist als Creative Director nicht nur für den frischen Look der Marke verantwortlich, aus ihrer Feder stammt auch einer der Bestseller im Programm: der schlichte Garderobenstab namens Line, der vieles vereint, was Schönbuch ausmacht. Eine minimalistische Wandgarderobe in Form eines schmalen Kantholzes, das unbenutzt an der Wand kaum auffällt, dank seines großen, ausklappbaren Hakens aber im Handumdrehen ein paar Mäntel und Taschen abnehmen kann.
Bei der Arbeit an neuen Entwürfen merken sie hier auf dem weiten Land deutlich, wie sich das Wohnen in der Stadt verändert. "Früher gehörten zum Flur die Hutablage und ein Telefontischchen mit Platz für Telefonbücher. Das sind zwei Aufgaben, die jetzt kaum mehr gefragt sind. Dafür empfangen die Menschen heute wieder öfter an der Tür - Paketbote, Essenslieferung, Nachbarn, die nach dem Paket suchen - dadurch rückt der Flur optisch wieder mehr in den Mittelpunkt."