Dem Geheimnis auf der Spur:Siegfrieds Schatz

Hermannsdenkmal im Winter

Das Hermannsdenkmal in Detmold erinnert an den Cheruskerfürsten Arminius, später genannt Hermann der Cherusker, der das römische Heer besiegte.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Verbirgt sich hinter dem Helden der Nibelungen-Sage die wahre Geschichte von Hermann, dem Cherusker? Und was bedeutet das für die Schatzsucher?

Von Josef Schnelle

Das Nationalepos der Deutschen gibt es auch in Überlieferungen des nordischen Versepos Edda und in Sagen aus Island und anderen Nordländern. Im 13. Jahrhundert wurde es erstmals aufgeschrieben.

Da ist manchmal statt von Siegfried auch von Sigurd die Rede, der mit selbstgeschmiedetem Zauberschwert den Drachen Fafnir zur Strecke brachte und ihm einen gewaltigen Schatz raubte. Hundertvierundvierzig Leiterwagen wurden offenbar benötigt, diesen Schatz der Nibelungen wegzubringen. Kein Wunder, dass Neider auf den Plan traten. Allen voran Hagen von Tronje, der wichtigste Gefolgsmann des Wormser Königs Gunther. Hagen sah sich eigentlich als heimlichen Herrscher der Burgunden. Kriemhild nun, Siegfrieds Frau, lässt sich von Hagen überreden, ihrem geliebten Gatten eine Markierung aufs Gewand zu nähen, genau dort, wo ein Lindenblatt den Drachenblutpanzer unterbrochen hatte, der ihren Mann sonst unverwundbar und damit unbesiegbar machte. Hagen nutzt diese Schwäche des strahlenden Helden gnadenlos aus und rammt ihm durch die besagte Markierung hindurch an einer Quelle den Speer durch den Körper. Er entwendet auch den Nibelungenschatz, da er befürchtet, Kriemhild kaufe mit den wertvollen Münzen eine Truppe von Mördern, die ihm nach dem Leben trachten würde. Hagen versenkt deshalb den Schatz im Rhein bei Worms. Der Rest des Nibelungenliedes erzählt von den Rachegedanken der stolzen Kriemhild, die sich sogar mit dem Hunnenkönig Etzel verbindet, um die Burgunder zur Strecke zu bringen.

Hagen, oder wer auch immer, hatte den Schatz nicht einfach in den Rhein geschüttet

Siegfrieds Sarg steht in Lorch am Rhein ganz in der Nähe seines Schatzes, der natürlich nie gefunden wurde. Selbst Hermann Görings Schwimmbagger förderte trotz aller besonderen Bemühungen in den Dreißigerjahren nur 300 Gramm "Rheingold" zu Tage. Inzwischen dürfte der Rhein sowieso und insbesondere bei Worms seine ursprüngliche Uferlinie verlassen haben, weswegen sich moderne Schatzsucher lieber mit dem freien offenen Feld beschäftigen, unter dem sie den Schatz der Nibelungen inzwischen längst vermuten.

Hagen oder wer auch immer hatte den Schatz nicht, wie meist angenommen, einfach in den Rhein geschüttet, sondern ihn in Amphoren gesichert, die wiederum mit Schieferplatten bedeckt waren. Vielleicht müsste man also nur einen Acker umgraben, um an den Schatz der Nibelungen zu gelangen. Worms ist ja nicht von kostbaren Überbleibseln aus den Zeiten der Völkerwanderung übersät.

Doch noch etwas macht die Suche schwierig. Eine Reihe von Althistorikern vermutet hinter dem legendären Helden Siegfried einen ganz anderen germanischen Superhelden. 27 Meter hoch ist die Figur auf dem Denkmal im Teutoburger Wald, das die Deutschen (auch Heinrich Heine spendete dafür) Hermann, dem Cherusker, errichtet haben, der 9 nach Christus die römischen Armeen des Varus besiegt hatte. Im Hinterhalt von Kalkriese, der von manchen Forschern als mögliches Schlachtfeld des Varus-Kampfes gesehen wird, wimmelt es nur so von Münzen, Waffenresten und Schmuckteilen. Getrost könnte man das als Schatz bezeichnen. Die Kriegskasse des Varus wurde allerdings nie aufgefunden. Eine Art Drache waren die drei römischen Legionen mit 18 000 Mann und einer großen Nachhut, die vernichtet wurden, auch. War also nicht Arminius - so nannten ihn die Römer - eine Art moderner Drachentöter, dessen germanischer Name auch gut Siegfried hätte lauten können?

Wo kam er her? Aus Xanten, wo er mit anderen Fremdtruppen in der römischen Armee diente. Auch in Rom ist er gewesen. Arminius genoss römisches Bürgerrecht, und volles Vertrauen der Römer wurde ihm entgegengebracht.

Vielleicht steckt also er hinter dem deutschen Recken mit dem Namen Siegfried. Richard Wagner schrieb als dritten Teil seiner Opern-Tetralogie "Ring des Nibelungen" "Siegfried". Fritz Lang realisierte als einen seiner letzten Stummfilme 1924 "Siegfried" mit Paul Richter in der Titelrolle. 1966 machte der Karl-May-Film-Spezialist Harald Reinl einen zweiteiligen Abenteuerfilm aus dem Nibelungenstoff mit dem ehemaligen Hammerwerfer Uwe Beyer als Siegfried und mit Karin Dor als Brunhild. Der österreichische Regisseur und ehemalige Mitarbeiter von Leni Riefenstahl lieferte damit den erfolgreichsten seiner rund 60 Filme ab. Siegfried ist somit eine feste Größe in der Mythenwelt von "Opas Kino" und im deutschen Film.

Im dritten nachchristlichen Jahrhundert begaben sich die Römer wieder auf einen Feldzug ins östliche Germanien. Am Harzhorn kam es zum Kampf. Dieses Mal gab es keinen Hinterhalt im Sumpf wie bei der Varusschlacht, also siegten die Römer. Die fast 2000 Fundstücke dort könnten auch eine Art "Nibelungenschatz" sein.

Übrigens erging es Arminus wie Siegfried in der Sage. Seine Verwandten brachten ihn um die Ecke. Also dürfte er an der Beute aus dem Varussieg wenig Freude gehabt haben, da Verrat und Missgunst wie beim Nibelungenhelden Siegfried auch sein Schicksal waren. Übrigens zog Germanicus, der designierte Nachfolger von Kaiser Augustus und Vater des späteren Kaisers Caligula, 14 bis 16 nach Germanien, um Varus zu rächen und Arminius zu stellen. Doch es gelang ihm nicht einmal, die von den Germanen erbeuteten Feldzeichen zurückzuerobern. So endete der Rachefeldzug der Römer letztlich erfolglos. Den sogenannten Schatz der Nibelungen fand er ebenfalls nicht. Tür und Tor sind also weiterhin geöffnet für die Schatzsuche, ganz gleich, ob es um jenen legendären Goldhort aus der Nibelungensage oder um die Kriegskasse des Varus geht.

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