Dauerbrenner im Kleiderschrank:Es muss Liebe sein

"Grau" reimt sich auf "wow", Ringelshirts verleihen jedem etwas Französisches und Levi's-Jeans können gebrochene Herzen heilen: Manche Kleidungsstücke sind für die Ewigkeit. Acht Autoren verraten, welchen Teilen sie für immer Liebe geschworen haben und niemals wiederstehen können.

Neongelbe Jeans? Glitzer-Ballerinas? Sind doch wieder nur so eine kurze Affäre. Manche Kleidungsstücke aber begleiten uns ein Leben lang. Man kauft sie immer wieder - und hat selbst dann noch nicht genug von ihnen. Acht Geständnisse.

Kleiderkammer Ingelheim

Jeder hat ein Kleidungsstück, das ihn ein Leben lang begleitet. Für den einen es eine ganz bestimmte Jeans, für den anderen das graue Sweatshirt.

(Foto: dpa)

Das graue Sweatshirt

Es muss daran liegen, dass sich "grau" auf "mau" und "Betonbau" reimt. Warum sonst haftete dem grauen Sweater ewig der Ruf des Mauerblümchens an? Er galt als banal, dumpf sowieso, und war es nicht wert, schick ausgeführt zu werden. Man trug den Sweater zum Sport, den Rest der Woche gammelte er in der Dreckwäsche. Daran konnte auch "Flashdance" nur wenig ändern. Ich verpasste den Tanzfilm von 1983 mit der famosen Sweatshirt-Szene knapp; ich war damals drei Jahre alt. Mein Erweckungserlebnis hatte ich mit elf in einer Hotel-Boutique; da hing es - ein Fido-Dido-Wende-Sweatshirt. Noch am selben Tag verabschiedete ich mich von Oilily und jedweder Püppchenhaftigkeit. So ist das bis heute: Frauen, die diesen überstylten russischen Mode-Matrjoschkas nacheifern, sind mir ein Rätsel. Der Sweater sollte das wichtigste Stück in jeder Garderobe sein; ein bequemer, aber pointierter Anti-Chic. Beim Gedanken daran, mit den Sweatern aufzuhören, werde ich leicht panisch. Neun Stück sind zurzeit mein Eigen, pro Tag trage ich mindestens einen. Es gibt Büro-Sweatshirts, Jogging-Sweatshirts und Ausgeh-Sweatshirts - das schickste Modell ist auf vollkommene Weise meliert und innen flauschig wie ein Schwanenbaby. Wie es so ist: Hippe Labels wie A.P.C., Marc by Marc Jacobs oder Zoe Karssen haben jetzt auch kapiert, dass sich "grau" auch auf "lau" und "wow" reimt. Der graue Sweater ist so günstig, so schlicht, so herrlich in dieser Austerity-Ära? Manchmal muss man die Mode einfach hassen. Verena Stehle

Der Parka

Wie so viele andere junge Männer Deutschlands verbrachte ich die Zeit mit Anfang zwanzig größtenteils in grüner Tarnkleidung. Schuld daran war bei mir aber nicht der Bund, sondern Sting. Der ehemalige Police-Sänger hatte in einem Film in irgendeinem Dritten Programm den Anführer einer Gang von Jugendlichen gespielt, die sich aus Langeweile oder Protest gegen die herrschenden Verhältnisse mit anderen Jugendlichen prügelten und Drogen nahmen, vor allem aber Parkas über Anzügen trugen und auf frisierten Vespas durch Südengland rasten. Das fand ich alles - mit Ausnahme des Regenwald-Retters Sting als Gang-Anführer - sehr logisch, nur fehlte mir als Heranwachsendem in Südhessen für die Vespa das Geld und für den täglich getragenen Anzug der Mut. Blieb also der Parka übrig: grün, mit nur wenigen, aber großen Taschen und Kapuze. Ich weiß nicht, wie viele Parkas ich mir seitdem gekauft habe. Die zehn, die ich zurzeit besitze, unterscheiden sich untereinander nur marginal: Der eine ist mehr für den Winter, der andere für den Übergang, der dritte passt eben perfekt über den Anzug und so weiter. Aber die Argumente, die ich mir selber bei jedem neuen Parka-Kauf zurechtlege, sind ja nicht nur Selbstbetrug, sondern auch nicht weiter wichtig. Der Parka ist eben so etwas wie meine Uniform geworden, die nicht nur vor Regen schützt, sondern auch vor allem anderen, was jeden Tag drohen könnte. Die herrschenden Verhältnisse etwa. Alexander Runte

Penny Loafers

In der Schule trugen sie die Popper, die weiblichen Jungs also mit den weichen Seitenscheiteln, und die männlichen Mädchen mit den Hockey-Waden. Amerikanische Elite-Studenten hatten sie populär gemacht. Sie waren bordeaux oder dunkelblau. Flach und zum Reinschlüpfen. Unisex und unsexy, konservativ und berechenbar. Es gab eigentlich nur Gegenargumente gegen diese Schuhe, mit 13, 14 Jahren. Doch dann kam Paul Weller, der bis heute wohl bestangezogene Popstar der Welt. Er war mager und überhaupt nicht weiblich, er war aus irgendeinem Grund immer wütend und Sozialist, was ich damals nicht verstand, aber sofort bedeutsam fand. Seine Penny Loafer waren, so viel glaubte ich zu verstehen, Distinktion, ein ironisches Postscriptum, eine Gesellschaftskritik womöglich! Plötzlich wollte ich nichts lieber als diese Schuhe tragen, mit dem Ergebnis, dass ich plötzlich aussah wie alle anderen, mir aber viel einbilden konnte auf meine differenzierte Herleitung. Bis heute kaufe ich mir alle zwei Jahre ein neues Paar. Einmal auf diesem Trip, nimmt man sie alle mal mit. Man startet mit den roten. Dann, mit dem ersten Geld, kauft man die Strizzi-Version mit Trense von Gucci. Aktuell sind es Troddeln. Mit Abgrenzung hat das natürlich längst nichts mehr zu tun, im Gegenteil, de facto trage ich ja dieselben Schuhe wie Flavio Briatore. Wir sind wohl beide hängenblieben, in der Loafer-Schule. Rebecca Casati

Das Blouson

Seit Ryan Gosling als Mann der Stunde gehandelt wird, sorgt er selbst in der sonst so nüchternen Männermode für kurzzeitige Hysterien. Jüngstes Beispiel: eine Collegejacke aus Satin, mit einem gestickten Skorpion auf dem Rücken, die er in "Drive" immer dann anhatte, wenn er üble Typen vermöbelte. Gewalt, wusste man da, hat nie besser ausgesehen, und man war sich einig: Die Collegejacke ist zurück! Aber Moment. Wenn wir mal ehrlich sind, wurde sie schon so oft wiederentdeckt - man kann sich kaum erinnern, wann sie mal nicht angesagt war. Als Varsity- oder Bomberjacke hat das Blouson, wie die Jacke seit den 50er Jahren offiziell heißt, jedenfalls in jeder Jugendkultur, die ich mitgemacht habe, mühelos funktioniert. Ganz gleich, ob Popper, Hiphopper oder Raver: es war nicht nur Uniform, es war Lebensgefühl. Wahrscheinlich hätte ich es auch als Mod oder Scooterboy getragen, wäre ich nicht erst ein gutes Jahrzehnt danach geboren. So fing meine Leidenschaft erst in den Achtzigern mit einer olivgrünen Nylon-Bomberjacke aus einem Armeeshop an. Natürlich hatte ich als Omas Liebling für die nötige Streetcredibility später auch eine von Chevignon - bis sie mir, wie schon etlichen vor mir, geklaut wurde. Und auch jetzt hängen gleich fünf dieser Jacken in meinem Kleiderschrank. Ob das was mit Nostalgie zu tun hat? Vielleicht. Außerdem gibt es einfach kein besseres Experimentierfeld in der Männermode. Selbst wenn Givenchy-Designer Riccardo Tisci die Lederärmel einer Collegejacke mit dicken Zippern verziert oder Kim Jones für das Luxushaus Louis Vuitton ein Modell aus dunkelbraunem Krokoleder fertigt, kann die Jacke glaubhaft funktionieren. Weil ihr etwas überaus Männliches anhaftet. Denn wie Pilotenbrille oder Chinohose wurde auch das Blouson als Fliegerjacke in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die harten Jungs der amerikanischen Luftwaffe entworfen. Mit diesem Erbe ist sie angetreten, zum essenziellen Erkennungsmerkmal von so gut wie jeder Popkultur zu werden. Daher ist es ganz egal, wenn die Collegejacke mal wieder in irgendeiner In-und-Out-Liste auftaucht. Wahrscheinlich ist sie als Bomberjacke dann eh schon längst zurück. Nils Binnberg

"Ich bin 501-Träger aus verschmähter Liebe"

Chelsea Boots

Ich bin faul. Zum Beispiel zu faul, um mir die Schuhe zu binden. In meiner Jugend trug ich deshalb Sneakers, die so ausgelatscht waren, dass ich in sie wie in Pantoffeln gleiten konnte. Durch Zufall entdeckte ich damals Chelsea Boots. Ich war sofort überzeugt, gestaltete sich der Einstieg doch fast so einfach wie bei den bewährten Turnschuhen. Schnell wurden sie zu meinem ständigen Begleiter. Das lag nicht nur an meiner Bequemlichkeit. Da die Stiefel den Fuß locker umschließen, sind sie relativ luftig. Zugleich aber scheut man sich nicht, damit durchs Gelände zu marschieren. Und als ich erfuhr, dass Chelsea Boots auch einst die Füße der jungen, verwegenen Beatles schmückten, war ich ihnen vollkommen erlegen. Ich habe schon fünf Paar aufgetragen (das geht relativ schnell, da ich sie ja so gut wie jeden Tag anhabe). Vor einem Jahr dann fand ich ein rahmengenähtes Modell, das hoffentlich für die Ewigkeit ist. Mit leichtem Argwohn beobachte ich natürlich den augenblicklichen Chelsea-Trend. Aber der geht vorüber. Meine Liebe bleibt. Paul-Philipp Hanske

Das hellblaue Hemd

Für eine so große Liebe fing sie eher unspektakulär an. Meine Mitbewohnerin zog nach Schweden, ihr Koffer war voll und es blieb dieses Hemd zurück: hellblau, mit Nadelstreifen, aus feinem Stoff. Im Kragen stand der Name eines Herrendesigners. Von wem aber stammte dieses Hemd? Dem Schuft, den sie endlich vergessen wollte? Während ich mir die Geschichte dazu ausmalte, fing ich an, das Hemd selbst zu tragen. Es war leicht, bequem und saß so, wie kein Hemd aus der Damenabteilung zuvor: lässig. Und - eine völlig neue Erfahrung! - nicht die üblichen fünf Zentimeter zu kurz. Auch interessant, was man damit alles anstellen konnte. Die Ärmel aufkrempeln, wenn mal angepackt werden musste. Den steifen Kragen hochschlagen, wenn man in Ruhe gelassen werden wollte. Manchmal habe ich mir das Hemd zu einem Rock gewickelt - warum auch nicht? Irgendwann wusste ich nicht mehr, wie ich jemals ohne es ausgekommen war. Immer in Blau, denn das passte zu allem in meinem Kleiderschrank. Die wirklich guten Hemden sind so schlicht, dass man ihnen schludriges Design nicht verzeihen würde. Der Traum ist ein maßgeschneidertes Hemd von Charvet in Paris. Bis es so weit ist, genügt das gute Dutzend im Schrank. Und an Tagen, an denen ich nichts anzuziehen habe, trage ich eins von meinem Mann. Er hat nichts dagegen. Muss wohl Liebe sein. Marlene Sørensen

Die 501

Es war im dritten Grundschuljahr. Die Angehimmelte und ich saßen auf der Schaukel im Garten. Sie trug eine hautenge weiße Wrangler-Jeans und ich meine ollen Jingler von C&A, denn etwas anderes war bei uns zu Hause nicht drin. Jeans ist Jeans, sagte die Mutter, und damals glaubte ich das. Auf der Schaukel aber wurde ich eines Besseren belehrt. Denn als ich das Mädchen meiner Träume fragte, ob sie mit mir gehen wolle, sprang sie von der Schaukel und kam auf mich zu. Doch anstatt mir einen heißen Kuss auf die Lippen zu drücken, der unsere ewige Liebe besiegelt hätte, lupfte sie mit Daumen und Zeigefinger angewidert den schlabbrigen Hosenstoff an meinem Oberschenkel und sagte: "Igitt, da ist ja Luft zwischen. Wie uncool!" Seit diesem traumatischen Erlebnis wollte ich nie wieder die falsche Jeans tragen und sparte auf das, was laut Werbung schließlich das Original war: die 501 von Levi's. Bei ihr bin ich bis heute geblieben. Seinerzeit kaufte man sie "nicht vorgewaschen" oder ließ sich das Teil aus den USA mitbringen. Eine amerikanische 501 war die Steigerung der 501, sozusagen das Original-Original. Man legte sich in die heiße Badewanne, wo der brettharte Stoff um zwanzig Prozent schrumpfte und die Baumwolle pelzartig aufflockte. Fühlte sich an wie ein Fell. Der Schnitt hat sich im Laufe der Jahre immer wieder gewandelt, und mit der Strapazierfähigkeit ist es heute nicht mehr weit her. Trotzdem sind wir uns treu geblieben. Denn im Grunde bin ich 501-Träger aus verschmähter Liebe. Christopher Schmidt

Das Breton-Shirt

Ich bewundere Menschen, die ihre Garderobe nach Jahreszeiten, Designern oder Farben sortieren. In meinem Schrank herrscht Chaos. Nur auf einen Stapel bin ich stolz - den mit den gebügelten Streifenshirts. Wenn ich in Eile bin, mein Kleiderschrank mich frustriert, greife ich zu einem Ringelshirt. Das Design ist minimalistisch, das Teil niemals irrelevant. Noch dazu verleiht ein gestreiftes Shirt jeder Frau etwas Französisches - mais oui! Schließlich hat es Coco Chanel bei einem Ausflug an bretonischen Fischern entdeckt, und später zu schwarzen Stoffhosen und üppiger Goldkette getragen. Natürlich nehme ich mir nie vor, noch eins zu kaufen. Weil ich genug davon habe und andere Sachen brauche. Eine praktische Übergangsjacke oder ein Kleid, das mich nicht spießiger aussehen lässt, als ich bin. Und dann entdecke ich doch ein Ringelshirt, bei dem die Knopfleiste, das Dekolleté oder die Ärmellänge etwas anders ist, und ich kann nicht widerstehen. Inzwischen bin ich Expertin: Blauweiß oder Schwarz funktioniert immer. Rot selten. Schmale Ringel? Immer besser als breite. Niemals einen blauen Blazer mit Goldknöpfen darüber, sonst wirkt es zu maritim. Der Klassiker, den auch Coco Chanel trug: das Breton-Shirt von Armor Lux. Meine Lieblingsringel hat die Französin Isabel Marant entworfen. Das Shirt trägt auch Charlotte Gainsbourg. Antje Wewer

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