Süddeutsche Zeitung

Corona-Design:Trennung dank Hindernissen

So schön kann Abstandhalten sein: Wie Designer die Hygienevorschriften durch stilvolle Kreationen aus Stoff und Pflanzen ansehnlicher machen.

Von Julia Rothhaas

Die Welt ist ganz schön eng geworden seit Beginn der Corona-Pandemie. In Praxen, Büros und Restaurants halten uns Plexiglasscheiben voneinander fern, im Supermarkt oder Baumarkt zeigen bunte Klebebänder auf dem Boden die richtige Laufrichtung durch die Gänge. Desinfektionsmittelspender stehen im Weg und überall kleben Zettel mit dem üblichen 2020-Dreiklang: Maske, Abstand, Hände.

Der öffentliche Raum hat aufgerüstet, das neue Mobiliar soll Schutz bieten vor der möglichen Gefahr. Der Abstandhalter gehört nun zu unserem Leben und das wohl für längere Zeit. Und trotzdem stellt sich die Frage: Muss die Plexiglasscheibe per se scheußlich aussehen?

Wie es anders geht, zeigen Designbüros und Möbelhersteller mit Stücken, die stilvoll Distanz zwischen uns bringen sollen. Gerade Ausstatter aus Italien machen vor, wie die Zusammenarbeit der Zukunft aussehen kann, wenn alle wieder aus dem Home-Office ins Büro kriechen. Die Firma Manerba aus Mantua etwa bringt mit der Serie "Hinoki" Klarheit in den Raum. Ihre Abstandshalter aus Glas, Kork, Holz oder Stoff lassen sich frei oder am Boden montiert dort aufstellen, wo sie gerade gebraucht werden, und wirken dabei luftig statt sperrig, auch dank der großen Auswahl an Farben. Auch die Designer von Caimi Brevetti aus der Nähe von Mailand zeigen, dass Trenner aus Polycarbonat durchaus gut aussehen können, entweder durchsichtig oder in Milchglas mit angedeuteter Wölkchen-Optik, die sich mit Magneten beliebig aneinanderketten lassen.

Raumteiler aus Pflanzen oder aus Stoff

Sofern die Wand nicht als reiner Spuckschutz dienen muss: Warum nicht auch in grün? Die Firma Brunner aus dem Badischen hat sich mit ihrem "Para Vert" ein zusammengeästeltes Konstrukt aus Pflanzentöpfen einfallen lassen, mit dem man vertikale Gärten schaffen kann. An gekrümmten Metallpfählen hängen einheitliche, zylinderförmige Übertöpfe, die je nach Geschmack bepflanzt und miteinander verbunden werden können.

Selbst Entwürfe, die schon ein paar Jahre alt sind und dafür gedacht waren, Großraumbürogeplagten zumindest optisch etwas Ruhe zu bescheren, dürften nun vermehrt im öffentlichen Raum zum Einsatz kommen wie die Kollektion "Parentesit" von Arper aus der Provinz Treviso. Die bunten Stoff-Trenner erinnern an eine Kreuzung aus Bauhaus und japanischem Teehaus und überzeugen in ihrer Einfachheit: In den dunklen Rahmen hängen Kreise, Quadrate und Ovale, die zusätzlich ausgestattet werden können mit Lautsprechern oder Leuchten. Wirklichen Schutz bieten die Wände allerdings nur, wenn man auf zu viele Spielereien verzichtet, weil sonst zu viele Löcher auf dem Paravent entstehen.

Um den Menschen höflich zu ermahnen, bitte Abstand zu halten auf dem Weg von der Toilette zurück zum Platz, bieten sich auch kleinere Abstandsvarianten an wie "Abélio" von der französischen Marke Fermob oder "Shield" von True Design aus Italien, die aussehen wie ein Baum oder Luftballon. Die gerade mal 1,50 Meter hohen Trenner wirken dank ihrer verspielten Form wie ein Designobjekt, das die übliche Zimmerpflanze Ficus Benjamina im Büro gern ersetzen darf und die Pandemie kurz vergessen lässt.

Für weiterhin gute Zusammenarbeit trotz Covid-19 sorgen auch Schutzpaneelen: als Trenner zwischen zwei gegenüberstehenden Tischen (zum Beispiel von König + Neurath oder Martex) oder als Zwischenwand für mehrere Menschen an einem längeren Konferenztisch (Fantin oder LvB Acoustics). Einer der lustigsten Entwürfe ist jedoch "Plex'eat" des französischen Designers Christophe Gernigo, der ursprünglich für die Gastronomie gedacht war. Durchsichtige Plexiglaskuppeln, die an Trockenhauben beim Frisör erinnern, werden rund um den Tisch über dem Kopf der jeweiligen Person angebracht wie eine Hängeleuchte. Nach hinten ist der Plex'eat geöffnet, damit aufstehen möglich ist, ohne sich zu weh zu tun. Wer auf einen intimen Abend zu zweit aus ist, bestellt sich das Konstrukt als Duo-Version.

Eine deutlich radikalere Form des Abstandhaltens deuten die Pods namens "Qworkntine" an, die in diesem Jahr den "DNA Paris Design Award" in der Kategorie "verantwortungsvolles Design" gewonnen haben. Die sechskantige Kapsel ist luftdicht, die grifflosen Türen öffnen sich dank Gesichtserkennung kontaktlos und sämtliche Wände und Möbel sind aus nicht-porösem Material, damit sie leicht gereinigt werden können. Die Pods lassen sich im Raum so zusammenschieben, dass genauso viele Mitarbeiter im Büro sitzen können wie vor der Pandemie. Das Ganze sieht schick aus, aber so möchte man sich das Arbeitsleben der Zukunft dann doch lieber nicht vorstellen.

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Quelle:
SZ vom 27.06.2020/vs/mkoh
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