Churchill's Cookbook:Kochen wie im Krieg

Winston Churchill, 1938

Winston Churchill im Presseklub in London im Jahr 1938.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Die Rezepte von Churchills Köchin erleben eine Renaissance. Ihr Bestseller "Recipes from No 10" aus den 50er Jahren ist wenige Wochen vor dem Abschied aus der EU neu aufgelegt worden.

Von Cathrin Kahlweit, London

Bei aller Euphorie über den Brexit, die der Premierminister zu versprühen versucht, muss es in der britischen Gesellschaft doch eine tief sitzende Furcht davor geben, dass die Sache nicht so glatt laufen könnte wie geplant. Wie anders wäre es zu erklären, dass Georgina Landemare und ihre Kochkünste eine Renaissance erfahren?

Die langjährige Köchin von Kriegspremier Winston Churchill hatte für den Gourmet, der traditionelle britische Küche mit einem Touch französischer Raffinesse liebte, schon vor dem Zweiten Weltkrieg immer wieder in der Küche gestanden, sie caterte bei Einladungen und kochte bei Wochenendausflügen. Als der Krieg ausbrach, bot Georgina Landemare den Churchills, die dankbar für eine billige und erfahrene Kraft waren, ihre Dienste auf Dauer an. Die Familie war entzückt. Weibliche Köche kosteten halb so viel wie männliche, und Landemare kannte sich in der französischen Küche aus; sie war mit einem ehemaligen Chefkoch des Pariser Ritz verheiratet.

Sie kochte in Chartwell, dem Anwesen der Churchills, aber auch in Downing Street. Und wenn die Bomben fielen, trug sie Schüsseln und Teller auch mal in den Schutzraum. Premiersgattin Clementine schätzte die Künste der robusten Britin aus einfachem Hause. "Ich wusste, sie würde das Beste machen aus den mageren Kriegsrationen - und jedermann in unserem Haushalt zufriedenstellen." Winston Churchill selbst soll keine rechte Ahnung gehabt haben, wie groß die Lebensmittelrationen während des Kriegs waren; er befand, die Liste, die er sah, reiche doch gut "für einen Tag", während sie in Wahrheit für eine Woche gedacht war. Außerdem gab es in Chartwell einen Gemüsegarten und Hühner, Wild und Fasane. Trockeneipulver, wie es damals üblich war, hat Winston Churchill von Georgina Landemare wohl nie serviert bekommen.

Nach seiner Siegrede dankte Churchill explizit seiner Köchin

Nun, wenige Wochen vor dem Abschied aus der EU, haben die Imperial War Museums das legendäre Kriegskochbuch der Küchenlegende neu aufgelegt. Sie hatte ihre Rezepte in den Fünfzigerjahren aufgeschrieben, damals waren "Recipes from No 10" ein Bestseller. Nun sind sie wieder da - mitsamt Umrechnungstabellen für britische ("Imperial") in europäische ("Metric") Maße und Hunderten simplen Rezepten aus der britischen Landküche. Cumberland Sauce und Aspik sind enthalten, Omelett mit Kartoffeln und Prinzessinnenpudding: Nichts, was sich nicht kochen ließe, wenn es nach dem Brexit und einem sich verzögernden Freihandelsabkommen mit der EU doch noch Versorgungsprobleme und Staus in Dover geben sollte.

Phil Reed, ehemaliger Direktor der Churchill War Rooms, schreibt, Landemare habe dem Premier dabei geholfen, "den Vegetarier und Abstinenzler Adolf Hitler zu besiegen". In den War Rooms hatte Oberbefehlshaber Churchill sein Hauptquartier aufgeschlagen. Nach seiner Siegesrede 1945 bedankte er sich explizit bei seiner Köchin; ohne sie hätte er "den Krieg nicht überlebt".

Nun, 75 Jahre später, herrscht Frieden in Europa. Aber der Abschied von der EU steht ins Haus, ein harter Brexit droht, weshalb sich die Briten vor hohen Zöllen und dem Aus für französischen Champagner, italienischen Mozzarella und griechisches Öl fürchten. Wer sich das künftig nicht mehr leisten kann, der wird auf Churchill's Cookbook zurückgreifen. Hilfreich könnte zudem eine Biografie über Georgina Landemare sein, die im Frühjahr erscheint. Mit patriotischem Schwung gekocht und aus regionalen Zutaten zusammengestellt soll der Brexit offenbar auch das werden: ein Sieg für Yorkshire Pudding, Minzsauce, Chips und Scones.

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