"Chelsea Flower Show" als Publikumsmagnet:Ach, du meine Blüte

Engländer lieben ihre Gärten. Das ist ein Klischee, aber kein Klischee über die Insel ist wahrer. So verwundert es auch nicht, dass die Chelsea Flower Show in London alljährlich Zehntausende Besucher anlockt. Dabei geht es auf der Gartenbauausstellung nicht nur um Blumen. Ein Besuch.

Christian Zaschke, London

Um drei Uhr nachmittags knallt die englische Sonne so erbarmungslos auf Chelsea, dass sich an den Champagner-Ständen lange Schlangen bilden. Tausende Besucher der berühmten Chelsea Flower Show machen jetzt Pause mit Stil. Ein Plätzchen im Schatten, ein Gurken-Sandwich und ein Getränk, das die Sinne aufs Schönste berauscht - allerdings nur eins, denn schließlich ist man hier nicht beim Fußball.

A woman walks through lilies on a stand during the press day at the Chelsea Flower Show in London

Die Briten sind Blumenfreunde: 157.000 Besucher zieht die Chelsea Flower Show jedes Jahr an.

(Foto: Reuters)

Die Chelsea Flower Show ist eine Gartenbau-Ausstellung, die wichtigste im Land, vielleicht sogar der Welt.

Jedes Jahr im Mai öffnet die Show der Royal Horticultural Society fünf Tage lang ihre Pforten. In Deutschland würde eine Veranstaltung dieser Art vermutlich in den Holstenhallen von Neumünster stattfinden und sich die Ausstellungsfläche mit der Großen Hundeshow und der Schallplattenmesse teilen. In Großbritannien findet sie im Herzen Londons an der Themse statt und zieht jährlich 157.000 Besucher an. Die Tickets sind jedes Jahr im Nu ausverkauft, für mehr Besucher ist einfach kein Platz.

Die Flower Show ist vor allem ein gesellschaftliches Ereignis

Die Flower Show ist nicht nur recht nett anzusehen, sie ist vor allen Dingen ein gesellschaftliches Ereignis. Die fünf Tage im Mai bilden den Auftakt zum English Summer, zu dem zum Beispiel das Opernfestival in Glyndebourne, die Pferderennen in Ascot und die Royal Henley Ruder-Regatta gehören.

Es mag etwas erstaunlich klingen, dass eine Gartenbau-Ausstellung in diese illustre Reihe gehört, aber nur, wenn man nicht weiß, wie sehr Engländer ihre Gärten lieben. Das ist ein Klischee, aber kein Klischee über die Insel ist wahrer. Zur Eröffnung am Montag kam selbstverständlich die Queen in Begleitung ihres Gemahls, des Dukes von Edinburgh.

Bereits im 19. Jahrhundert fand die Ausstellung in London statt, zunächst hieß sie "Great Spring Show", die große Frühlingsshow. Seit 1913 wird sie am Chelsea Hospital aufgebaut, einem Altersheim für ehemalige Soldaten. Die sind mittlerweile Teil des Erscheinungsbildes der Show, weil sie in ihren traditionellen roten Uniformjacken übers Gelände schlendern und sich gern mit Besuchern fotografieren lassen. Eine Blechbläser-Band der Veteranen sorgt für Musik - und dafür, dass die Stimmung durchweg gelassen und heiter ist.

Wobei: Vor den schönsten Show-Gärten kann es durchaus zu einigem höflich-bestimmtem Gedränge kommen. Herren in meerblauen Hosen und roten Schuhen rempeln sich vorsichtig in Position, Damen in blumenbunten Kleidern ruckeln sich an einen Platz, der gute Sicht verspricht. Und dann betrachten sie in großer Ruhe Kunstwerke der Landschaftsgärtnerei.

Ein australischer Garten sorgt für Aufsehen

Besonders beliebt sind die "Artisan Gardens", die Gartenbau und Kunsthandwerk verbinden. Auch ein australischer Garten sorgt in diesem Jahr für Aufsehen: Er sieht aus wie ein großzügiges Wohnzimmer im Freien, das von einem Grill dominiert wird, auf dem sich mühelos ein ganzes Rind garen ließe. Weniger englisch geht es nicht, was die Besucher jedoch keineswegs zu Kritik veranlasst. Zu hören ist lediglich der dezent vorgetragene Hinweis, der Grill sei "vielleicht doch ein bisschen groß".

500 Aussteller aus aller Welt sind in diesem Jahr in Chelsea, es gibt 16 Show-Gärten, acht "Artisan Gardens", acht so genannte "Fresh Gardens", dazu eine Unmenge an Verkaufsständen. Angeboten werden Heckenscheren ebenso wie Rasenmäher des deutschen Unternehmens Bosch, verziert mit Union Jack und der Aufschrift "Made in the UK". Angeboten werden ferner Zehntausende Blumen und gegossene Springbrunnen. Eine Schneckenskulptur von der Größe eines VW Golf ist für 19.500 Pfund zu haben.

Auch Prominente lassen sich blicken

Selbstverständlich berichtet die BBC ausführlich und in Live-Einblendungen vom Geschehen - im vergangenen Jahr verfolgten 2,2 Millionen Menschen die Sendungen. Überhaupt ist das öffentliche Interesse so groß, dass es ein Pressezelt gibt, in dem drei Dutzend Reporter ihre Live-Berichte über die neuesten Entwicklungen aus der weiten Wunderwelt des Gartenbaus absetzen. Da Großbritannien nach wochenlangem Regen gerade von einer heimtückischen Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 28 Grad überfallen wird, werden die armen Reporter in dem stickigen Zelt unbarmherzig erhitzt wie ein Rind auf einem etwas zu groß geratenen australischen Grill.

Wer als Prominenter etwas auf sich hält, lässt sich in diesem Tagen mal in Chelsea sehen, Schauspieler Kenneth Brannagh war da, Designerin Vivienne Westwood, Sänger Cliff Richard, um nur einige zu nennen. Wie das in England so üblich ist, können sie unbehelligt ihrer Wege gehen. Die Besucher sind viel zu sehr damit beschäftigt, die Gärten zu studieren. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die "Topiary Arts", die Künste des Formschnitts: Es handelt sich um eine Art Bildhauerei an Buchsbaum und Hecke. Grüne Kugeln erstehen hier ebenso wie grüne Hähne komplett mit Kamm.

800 Mitarbeiter haben 33 Tage gebraucht, um die Chelsea Flower Show aufzubauen. Wenn sie am Samstag zu Ende geht, werden all die Gärten, all die Blumen und all die Champagner-Zelte innerhalb kürzester Zeit verschwinden. Zum Vorschein kommen dann wieder die Sportplätze des Royal Hospitals.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: