Ladies & Gentlemen:Die Sache mit Chanel

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(Foto: picture alliance/Photoshot, Ik Aldama)

Ein neuer Designer soll die Diva unter den Modemarken neu erfinden – ist das gut oder gähn? Und gibt’s die klassischen Tweed-Jäckchen dann vielleicht nur noch für Männer?

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Für sie: Chanel wie früher

Chanel hat ja einen neuen Chefdesigner, es ist der alte von Bottega Veneta, Matthieu Blazy. Jetzt wird er sich erst mal einarbeiten, von Oktober an gibt es dann ein neues Chanel. Es erwartet uns wahrscheinlich: Die Befreiung dieses Giganten von allem Kitsch, denn der Mann ist ja eine Ikone des neuen modischen Biedermeiers, bei dem selbst die Logos keine Kapriolen mehr schlagen und das nichts anderes zulässt als diesen minimalistischen, totalitär guten Geschmack. Das Rezept: ein ewiges Aufblasen von Silhouetten (Oversized-Blazer, breite Schultern, Fake-Fur-Mäntel), die dann mit einer ganz normalen Stealth-Wealth-Garderobe aus teurem Strick gemixt werden.

(Foto: picture alliance/Photoshot)

Das Ergebnis ist pseudo-edgy und bringt die ein oder andere Handtasche an die Frau. Jetzt also glauben die Gralshüter bei Chanel, sie bräuchten das auch, so eine Modernisierung. Dabei waren die lustigen Shows von Karl Lagerfeld rückblickend eine einzige große Auflehnung gegen Konformität. Bevor wir uns also weinend von diesem alten, oft Fehlermeldung ans Gehirn sendenden Chanel verabschieden – was ist mit diesen Schuhen los, warum ist da so viel Pelz am Stiefel, und wieso sehen diese Ketten aus wie von Oma –, sollten wir ein letztes Mal die Essenz von Chanel ehren, die lautet: Zeitgeist is not very Chanel. Wer das Geld hat, kauft sich jetzt eine dieser begehrten Jacken mit beschwerender Kette im Saum, entworfen von einem namenlosen Team. Alle anderen lehnen sich zurück und wundern sich, wie bei diesem herrlich unmodernen Look, ein letztes Mal über die orthopädisch anmutenden Schuhe.

Für ihn: Tweed mal anders

Es ist nicht sonderlich originell, sich als Mann irgendwann für Tweed zu interessieren. Man muss nur ein bisschen „Downton Abbey“ schauen oder Neuigkeiten über das britische Königshaus verfolgen, und schon stellt sich die sichere Überzeugung ein, dass so ein Tweed-Jackett auch dem eigenen Leben eine gewisse Klasse verleihen würde und man damit allzeit gut angezogen wäre. Der Fehler, der dann oft gemacht wird, ist, sich Tweed-Sachen zu kaufen, die in Farbe und Muster ein wenig zu sehr nach Graf Bobby aussehen. Die man also in Folge gar nicht so oft trägt, weil sie eben doch ein bisschen zu auffällig und zu exzentrisch sind, zumal ja meistens kein englisches Landhaus im Hintergrund steht.

(Foto: Ik Aldama)

Dass Tweed auch anders aussehen kann, sieht man an dieser Interpretation des leicht anrüchigen italienisch-britischen Labels Jordanluca, die eine Hommage an die berühmten Tweed-Jäckchen von Chanel sein soll. Nun ist das hier sicherlich kein Jäckchen, sondern eine zur Übergröße ausgewachsene Jacke, aber eben wohltuend weit entfernt vom klassischen Tweed-Sakko. Und wenn die Tweed-Kostüme à la Chanel bei den Damen heute eher als Abzeichen einer langweiligen Upperclass-Schreckschraubenästhetik gelten, bei Männern sind solche hübsch verzierten Kurzjacken doch auf jeden Fall eine Renaissance wert. Gerüchte besagen derzeit übrigens mal wieder, dass Hedi Slimane bei Chanel bald eine eigene Herrenkollektion verantworten könnte – falls das stimmt, dürften dann ziemlich sicher noch ein paar interessante Tweed-Remixe auf den Laufsteg kommen, garantiert frei von irgendwelchen Anglizismen.

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