Ohne Garten oder Balkon sind den Selbstversorgerambitionen ziemlich enge Grenzen gesetzt: Der Nutzpflanzenanbau in der Wohnung ist eine eher mühsame Angelegenheit. Das stets ein wenig kümmerliche Basilikum auf der Fensterbank, vielleicht noch ein paar Radieschen aus dem Blumentopf oder eine dieser Mini-Tomatenpflanzen – satt wird man davon nicht. Seit April allerdings eröffnen sich dem ertragsorientierten Wohnungsgärtner neue Möglichkeiten, wenn auch nicht unbedingt in Sachen Vitaminzufuhr: Zum Eigenkonsum darf Cannabis nun in der Wohnung angebaut werden, ebenso auf dem Balkon oder im Garten.
Drei Pflanzen pro erwachsenem Wohnungsbewohner gestattet das Cannabisgesetz, man muss dafür seit mindestens sechs Monaten seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Nach der Ernte dürfen maximal 50 Gramm getrocknetes Cannabis in der Wohnung lagern – ausschließlich zum Eigenkonsum. Damit zu handeln, ist nicht erlaubt. Verschenken übrigens auch nicht.
Ob das berauschende Grün in einer Miet- oder Eigentumswohnung heranwächst, spielt keine Rolle. „Vermieter können den Cannabis-Anbau nicht verbieten“, sagt Constantin Päch, Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht und Vorsitzender des Mieterbundes Nürnberg. Gleiches gilt fürs Kiffen: Der tiefe Zug am Joint „kann im Mietvertrag nicht generell untersagt werden“. Vor April konnte das Kiffen noch eine fristlose Kündigung nach sich ziehen. Auch in einer Eigentümergemeinschaft hält Päch ein generelles Cannabis-Verbot für nicht realisierbar: „Das würde den Gebrauch der Wohnung in einem unzulässigen Maße einschränken.“

Rechtsfrage:Darf man auf dem Balkon rauchen?
Bald wird es wärmer, dann geht es wieder öfter raus, für Raucher wie Nichtraucher. Da ist der Streit schon absehbar. Wie viel Rücksicht muss man auf die Nachbarn nehmen?
Ein Freibrief fürs ungehemmte Kiffen auf dem Balkon ist das nicht, zumindest dann nicht, wenn Nachbarn in Riechweite sind. Vorstellbar seien individuelle Vereinbarungen, beispielsweise bestimmte Zeitfenster, in denen auf dem Balkon oder im Garten nicht gekifft werden darf, vergleichbar der Rechtslage beim Rauchen von Zigaretten, Zigarren oder Pfeife, sagt Päch. 2015 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Raucher das Recht auf ihre Zigarette auf dem Balkon haben – aber die Nachbarn auch das Recht auf qualmfreie Zeiten. Beiden seien dafür entsprechende Zeiträume einzuräumen (Az. V ZR 110/14). „Es ist davon auszugehen, dass Gerichte bei einem Nachbarschaftsstreit ums Kiffen ähnlich entscheiden werden“, sagt Päch.
Einen entscheidenden Unterschied zwischen Joint und Zigarette gibt es allerdings schon: Der Jugendschutz ist im Zusammenhang mit Cannabis um einiges strenger. Cannabis, sei es als Pflanze, sei es in getrockneter Form, muss weggesperrt werden, wenn Kinder oder Jugendliche in der Wohnung leben. In ihrer „unmittelbaren Gegenwart“ darf es nicht konsumiert werden, ebenso wenig in Sichtweite von Orten, an denen sich Kinder aufhalten – dazu gehört auch der Spielplatz im Innenhof einer Wohnanlage. Für die „Sichtweite“ existiert eine Zahl, nämlich rund 100 Meter. „Wenn man die gesetzlichen Grenzen überschreitet, dann stellt das zumindest eine Ordnungswidrigkeit dar“, sagt Päch. „Und dann ist nach einer Abmahnung eine Kündigung zulässig, man kann also seine Wohnung verlieren.“
