Süddeutsche Zeitung

Haben und Sein:Very british!

Zwei Londonerinnen haben ein Superchalet in Lech eingerichtet. Die Marke Burberry erfindet sich neu. Und ein bildschöner Nachruf auf den Flughafen Tegel. Die Stilnews der Woche.

Von Anne Goebel, Max Scharnigg und Silke Wichert

Lech am Arlberg ist seit Langem nicht nur ein Synonym für Skisport, sondern auch für Luxus der Kategorie "stealth wealth" - also nicht so protzig wie in St. Moritz, nicht so aufgebrezelt wie in Kitzbühel. In dieses Prinzip kann man auch die Arula-Chalets in Oberlech einordnen, die direkt an der Piste entstanden sind und das Prinzip Berghütte auf ein neues Niveau heben. Konzipiert für größere Gruppen oder Familien (Chalet 1 für bis zu 22 Personen, Chalet 2 für acht Personen, sind auch kombinierbar) oder hochdotierte Hochzeiten, werden die Gäste hier auf eine Weise umsorgt, wie man es sonst eher von Charter-Yachten kennt: Eigener Koch, Ski-Concierge, Butler, Chauffeur und Physiotherapeut stehen allzeit zur Verfügung und sollen das lückenlose Wohlergehen der Chaletbewohner sicherstellen. Je ein Wellnessbereich und eine gemeinsame Eislauffläche gehören ebenso zu den Häusern wie ein selbstspielender Steinway-Flügel, ein paar Mercedes im Fuhrpark und natürlich eine prächtige Aussicht ins Tal.

Ursprünglich schon 2018 fertiggestellt, wurden die Arula-Chalets durch die Corona-Beschränkungen erst diese Wintersaison richtig eingeweiht. Für das Interieur sind mit dem Büro "2 AM design" zwei junge Architektinnen aus London verantwortlich, die nicht nur den üblichen Chaletstil mit vielen Altholz-Details einziehen ließen, sondern auch Ungewöhnliches wie eine Graffiti-Wand, einen Casino-Tisch oder eine Geheimtür integrierten. Bauherr ist ein britischer Geschäftsmann, der die Chalets ursprünglich nur für seine Familie geplant hatte und deshalb viel Wert auf familiäres Miteinander zwischen Gast und Personal legt. Mit kolportierten Preisen ab 7900 Euro pro Nacht sind die Full-Service-Chalets natürlich extrem kostenintensiv - wer sich den Preis allerdings mit zwanzig liquiden Chalet-Freunden teilt, kommt auf eine ziemlich normale Rate für Lech am Arlberg.

Sagen wir es mit den Worten des Bayern-Trainers: Auch in der Modewelt ist mittlerweile sehr viel "weichgespültes Pack" unterwegs. Junge Designer, die sich brav zurückhalten und vorbildlich auf die Marken-DNA einzahlen, stets politisch korrekt auftreten und deshalb am besten gar nichts Substanzielles von sich geben. Auftritt Daniel Lee, der mit Abstand interessanteste Designer in der Mode derzeit. Der 37-Jährige war verantwortlich für den Hype um "New Bottega" 2018 und ist ab jetzt zuständig für die Mission "New Burberry", auch genannt "Burbelee". Es gab schon einfachere Aufgaben für Designer. Die britische Marke verkauft immer noch sehr viele Trenchcoats, in den vergangenen Jahren unter Riccardo Tisci leider immer weniger Coolness. Die braucht es aber, wenn man eine Fünf-Milliarden-Dollar-Marke werden will - so das bescheidene Ziel des neuen CEOs Jonathan Akeroyd, der von Versace kam. Dafür also engagierte er nun Lee. Er stammt aus Bradford, Yorkshire, nicht das feinste Pflaster Englands, sein Bruder ist Klempner, seine Schwester Krankenschwester, die männliche Verwandtschaft ist Tattoos gegenüber durchaus aufgeschlossen, und zu seiner ersten Show am Montagabend in London saß die Familie geschlossen in der ersten Reihe. Oma, Mutter, Tante, teilweise noch mit Bottega-Veneta-Accessoires ausgestattet, die neuen Burberry-Sachen ihres Jungen gibt es ja erst ab Oktober. Hier zumindest war man sich anschließend einig: "His stuff looks fabulous!"

Und jetzt Achtung: In eben dieser Arbeitergegend von Yorkshire wurden die Trenchcoats von Burberry gefertigt. Zufall? Schicksal? Lee und seine "Street-Cred" scheinen zumindest ein guter Einfluss für die Marke. Das neue Burberry ist weniger Upper Class, eher Underground Club und Football Pitch. Viel Karo in Neunzigerjahre-Grunge-Farben (gewöhnungsbedürftig), dunkelgrüne Gabardine-Mäntel (fab!), viel Volumen, extraklobige Gummistiefel und Bikerboots (sichere Bestseller). Debut-Shows sind selten der ganz große Wurf, aber diese hier markiert schon mal sehr gut das neue Terrain. Die Burberry-Aftershow-Party fand übrigens, natürlich, im Pub statt - aber mit Club in der ersten Etage. All die Models und Londoner Cool-Kids dort konnte man sich sofort in den rosenbedruckten Jacken, in den weiten Hosen und knallengen Rollis über den Muskeln vorstellen.

Nicht erst seit seiner endgültigen Schließung im Mai 2021 hat der Flughafen Berlin-Tegel eine eingeschworene Fangemeinde, die in dem Gebäude des Hamburger Architektenbüros von Gerkan, Marg und Partner (gmp) aus den Siebzigerjahren eine liebenswerte Architekturikone und ein Berliner Wahrzeichen sieht. Für diese Zielgruppe hat der Berliner Fotograf Andreas Gehrke jetzt mit "Flughafen" ein opulentes Fotobuch vorgelegt, das den kantigen Charme und die skurrile Patina von Tegel posthum einfängt und vom Studio Marek Polewski sehr ansprechend gestaltet wurde. Auf Gehrkes Fotos sieht man den Flughafen auch als Tegel-Verächter mit neuen Augen - die Symmetrie in den Gebäudefassaden, die traurige Einsamkeit in den Hallen, die ein halbes Jahrhundert lang von Leben erfüllt waren, und die Melancholie einer überflüssig gewordenen Nutzarchitektur - wunderschön! Ein Must-Have für Flugnostalgiker, limitiert auf 500 Exemplar im Verlag Drittel Books erschienen - wahlweise auch als Version mit einem signierten C-Print des Fotografen.

Guter Schlaf ist längst ein sehr ernstes Thema, man legt sich nicht einfach ins Bett und geht davon aus, einigermaßen erholt aufzuwachen - das Ganze wird systematisch angegangen, und dazu liefert inzwischen eine ganze Industrie systematisch neues Zubehör: Atemtrainer zur Stressreduzierung, Augenmasken speziell für Männer in Smokingschwarz, die Vogue befragt seitenlang Neurobiologen samt dezent platzierter Produkttipps. Wobei die Frage ist, ob die Aufrüstung wirklich bei dem hilft, was seit jeher als Faustregel für sanftes Eindösen gilt, nämlich: Entspannt bleiben, bloß nicht dauernd daran denken, dass jetzt bitte endlich eingeschlafen werden muss. Gelassenheit? Leicht gesagt, wenn man mit extradichten Augenpads zu Meditationsklängen im stoßgelüfteten Schlafzimmer liegt. Wer lieber erst mal klein und unaufgeregt anfängt mit den Utensilien: Pillow Sprays sind ein guter Einstieg, ein paar Spritzer Lavendel oder Melisse auf dem Kissenbezug sollen beim Wegdämmern Wunder wirken. Auch die Berliner Marke Frau Tonis Parfum hat jetzt Aromasprays für die Nacht im Programm, zur Auswahl stehen Zimt-Orange oder Lavendel. Riecht auch tagsüber als Raumduft sehr wohltuend. Nur für den Fall, dass man nicht ganz ausgeschlafen ist (frau-tonis-parfum.com).

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