Kolumne "Eigener Herd":Einfach kostbar

Kolumne "Eigener Herd": Pappa Al Pomodoro ist die vielleicht bekannteste italienische Brotsuppe und mit guten Zutaten eine echte Delikatesse.

Pappa Al Pomodoro ist die vielleicht bekannteste italienische Brotsuppe und mit guten Zutaten eine echte Delikatesse.

(Foto: mauritius images / foodcollectio)

Brotsuppe galt lange als Arme-Leute-Essen, dabei ist sie gesund, nachhaltig und variabel - und mit aromatischen, guten Zutaten auch gerade ziemlich Avantgarde.

Von Marten Rolff

Brotsuppe? Jetzt im Ernst?, werden manche einwenden. Ja, tatsächlich, lautet die Antwort, aber keine Angst: Nur weil zuletzt ungewöhnlich viel von Krieg und Krise die Rede war, wollen wir hier nicht dazu übergehen, Urgroßmutters (oft übrigens durchaus taugliche!) Notfall-Rezepte aus dem Achtundvierziger-Winter wieder aufzuwärmen. So weit ist es dann zum Glück doch noch nicht gekommen.

Nein, Brotsuppe gehört jetzt auf die Karte, weil die Zeit dafür nicht besser sein könnte. Es ist kühl geworden, etwas Warmes auf dem Teller also wieder eine gute Idee. Außerdem haben wir immer noch Erntezeit, die Wochenmärkte machen gerade viel Spaß, und die Aussichten auf eine gute Suppen-Einlage sind deshalb hervorragend. Pilze etwa passen sehr gut, und mit etwas Glück findet man sogar noch ein paar besonders aromatische Tomaten. Auf die Qualität der (oft wenigen) Zutaten aber kommt es bei der Brotsuppe an wie bei wenigen anderen Rezepten.

Brotsuppe ist ein Gradmesser der Küchengeschichte

Sie ist zwar einfach zuzubereiten, es wäre aber ein großes Missverständnis, daraus abzuleiten, es handle sich auch um ein einfaches Gericht. Denn das (gerne ein paar Tage ältere) Sauerteigbrot, das man im Idealfall dafür verwendet, ist ja heute für sich genommen schon eine komplexe Delikatesse. Einfach gut - so lautet nun schon seit ein paar Jahren die Devise für ein gelungenes Essen. Und der erfreuliche Qualitätssprung bei vielen Bio-Grundnahrungsmitteln ist auch ein Grund dafür, dass einige der nur vermeintlichen "Arme Leute"-Teller unserer Urgroßeltern wieder so beliebt sind. Mit anderen Worten: Brotsuppe ist gerade ziemlich Avantgarde, im besten Sinne, weil auch noch gesund, nachhaltig, praktisch, variabel und bezahlbar.

Außerdem ist diese Suppe eine Art Gradmesser. Wer sich für Küchengeschichte interessiert, sollte sich die Entwicklung entsprechender Rezepte im Laufe der Jahrhunderte ansehen, daran lässt sich erstaunlich viel ablesen. Es gibt kaum ein europäisches Land ohne Brotsuppenvarianten, viele davon sind aus heutiger Sicht fast schon aufregend ungewöhnlich. Im Salzburger Land etwa bereitet man sie traditionell mit Schwarzbrot zu. Besonders interessant aber sind Beispiele aus Italien. Schon die Römer kannten Brotsuppe, und mit der Entstehung des Christentums bekam Brot bekanntlich einen quasireligiösen Beigeschmack. Brotsalat oder -suppe war etwas, das sämtliche Bedürfnisse abzudecken schien. Und war das Brot weiß und fein, galt es auch dem Adel als kostbar.

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Zu den berühmtesten Rezepten zählt die Aquabollita aus der Maremma, der ursprünglich ärmsten Region der Toskana. Schon der Name - gekochtes Wasser - verweist auf die Bescheidenheit des Rezeptes, für das Bergarbeiter und Viehhirten alles in Wasser garten, was sich gerade so finden ließ. Neben Brot war das meistens nicht viel. Doch mit wachsendem Wohlstand wurde die Suppe luxuriöser, längst ist sie ein stattlicher Gemüseeintopf mit Löwenzahn, Basilikum, Lorbeer, Knoblauch, gemischten Zwiebeln, Tomaten, Pastinaken, Sellerie, kaltgepresstem Olivenöl, pochierten Eiern sowie natürlich Brotscheiben, die erst geröstet und dann mitgekocht oder einfach nur vor dem Servieren hineingelegt werden. Ähnlich funktioniert die bereits 1820 im berühmten Kochbuch von Pellegrino Artusi erwähnte Ribollita, ein toskanischer Eintopf auf Basis von Schwarzkohl und Brot, mit dem manche Bauern heute gegen Ende des Jahres die Ankunft des neuen Olivenöls feiern, weil wenige Tropfen des Spitzenöls in solchen "Alltagseintöpfen" wirken wie ein edles Gewürz. Ein anderes Beispiel ist "Pappa al Pomodoro", eine fast breiartige Brotmischung, die - seit dem 18. Jahrhundert mit Tomaten und Basilikum aufgewertet - mit gutem Brot und Gemüse heute schmeckt wie eine Delikatesse.

Wirtschaftswunder und die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion haben solche Gerichte lange zurückgedrängt. Sie galten vielen schlicht als ärmlich. Und mit Fabrikbrot, wässrigem Gemüse und gepanschtem Öl schmecken sie auch gar nicht. Doch seit einiger Zeit (#Sauerteigwunder!) erleben nicht nur Brotsorten, sondern auch Brotgerichte ein Comeback. Ein schönes Rezept für eine schnelle und variable Brotsuppe stammt aus Susann Kreihes sehr nützlichem Band "Suppen" (Christian-Verlag), für den die Autorin 80 Suppenrezepte aus der ganzen Welt gesammelt hat.

Für vier Portionen 300 g altbackenes Sauerteigbrot würfeln (noch mehr Geschmack bekommt die Suppe, wenn man es vorher in einer beschichteten Pfanne anröstet) und in 1,2 l gutem Gemüsefond (auch Hühnerbouillon funktioniert) für etwa 10 Minuten köcheln lassen. Für die Einlage 1 mittelgroße Zwiebel und 1 Knoblauchzehe schälen, würfeln und in 25 g Butter bei mittlerer Hitze goldgelb anbraten. Dann 3 in Ringe geschnittene Frühlingszwiebeln, je einen halben TL zerstoßene Koriandersaat und edelsüßes Paprika sowie 250 g Kirschtomaten zur Zwiebelmischung geben und für weitere 2 Minuten in der Pfanne garen, nach Bedarf etwas salzen und pfeffern und beiseite stellen. 150 ml Sahne in die Brotsuppe geben, erneut aufkochen und die Suppe mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Brotsuppe in 4 Schüsseln anrichten und die Tomateneinlage darauf verteilen. Mit geschnittenem Schnittlauch servieren und bei Bedarf mit einem Schuss kräftigem Olivenöl würzen. Die Einlage lässt sich beliebig variieren. Auch Maronen, Pilze oder Nüsse passen gut.

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