Briefverkehr:Postkarten müssen die geheimen Wünsche ihrer Käufer bedienen

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Die Inspiration für ihre Entwürfe finden Grafiker an allen Orten dieser Welt: bei einem Schaufensterbummel durch New York, dem Besuch einer Messe in München, in Möbelhäusern oder der aktuellen Vogue. "Das Entwerfen einer Postkarte funktioniert da nicht anders, als wäre sie ein Mantel", sagt Herbert Gutsch, vor mehr als 30 Jahren hat er seine ersten Karten kreiert und einen Verlag gegründet. Der Stoff, mit dem er arbeitete: Fotos aus Antiquariaten und eigenen Alben. Der Junge mit dem Teddy zeigt ihn selbst.

Briefverkehr: Im Archiv des Gutsch-Verlags stapeln sich die Postkarten.

Im Archiv des Gutsch-Verlags stapeln sich die Postkarten.

(Foto: Gutsch Verlag)

Versehen mit einem humorigen Satz setzte das Haus seinen ersten Trend: Die Serie und der Stilbruch wurden dutzendfach kopiert. Andere orientieren sich an aktuellen Themen. Gerade beliebt sind: die Farbe Koralle, Flamingos und Blumenmuster. Der Verlag fängt das mit der Serie "Bildschön" ein und prägt Blüten in Acryl-Optik auf ihre Karten. Das Styling lebte zuerst in Großbritannien auf, und ziert dank der Einrichtungskollektionen von Modeketten wie Zara Home nun auch Kissen deutscher Sofas.

Natürlich bleiben auch die Hypes ganzer Generationen nicht unbeachtet, auf einer Karte steht: "Möge dein Kaffee schwarz sein" - ebenso zu werten als ein Verweis auf die Anspruchsgesellschaft als auch auf die populärste Filmreihe der vergangenen 40 Jahre, "Star Wars". Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es die ersten Drucke gibt mit Tänzern vor den Lichtern einer Stadt, bekannteste Szene aus "La La Land".

Nur die lukrativsten Motive überleben

Die Postkarte selbst steht dabei niemals für sich allein. Ein Kartenständer mit 50 Motiven ähnelt einer Kollektion. Immer muss er als Konzept funktionieren, die geheimen Wünsche seiner Betrachter bedienen. Jede Farbe harmoniert da mit der anderen, kein Motiv wiederholt sich. Passt eine Karte nicht, vergraben sie die Grafikerinnen in den Katakomben ihres Lagers. Welche aber bleibt, entscheidet sich in Konferenzen. Sie verlaufen in etwa so: Vier, fünf Menschen lehnen sich auf einen Tisch, neigen den Kopf und blicken auf ihre Entwürfe. "Die verkauft sich nicht", sagt eine Grafikerin dann, die Kollegin: "Die bunten Schirme sind sehr hübsch" und "wir brauchen eine für Geburtstage".

Am Ende überleben nur die lukrativsten, da unterliegt selbst eine kreative Firma den Regeln der Marktwirtschaft. Immerhin verkauft sie ein schnelllebiges Produkt - wenn auch eines mit Tradition: 1869 wurde die erste Karte lanciert in Österreich, da hieß sie noch Korrespondenzkarte. Heute läuft das formloser, man überreicht sie gern persönlich oder klebt sie zur Dekoration an die eigene Wand.

Und noch etwas ist neu. Manchmal steht da einer in einem Laden vor den Karten, lacht über eine ganz besonders, zückt sein Handy, fotografiert das Ding, und - geht. Da zeigt sich: Auch die Postkarte unterliegt der digitalen Logik unserer Welt. In ihr untergehen wird sie trotzdem nicht.

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