Süddeutsche Zeitung

Hotelkatzen:Im Miezhaus

Großer Wellnessbereich, Frühstück aufs Zimmer, Parkblick - alles sehr angenehm. Aber die wirkliche Attraktion im Luxushotel Brenners ist eine Katze. Ein Fellbeispiel für zeitgemäßes Marketing.

Von Max Scharnigg

Glück gehabt, Katze Kléo schiebt gerade pflichtschuldig Empfangsdienst in der Lobby des Brenners. Am Telefon wurde man vorher gewarnt, manchmal bleibe sie den ganzen Tag verschwunden, das ließe sich schwer verhindern. Jetzt aber ist Baden-Badens erste Hotelkatze am Platz und prüft ausgiebig die Futterschale, die diskret in einer Ecke neben dem Conciergepult aufgebaut ist. Es folgen anklagende Blicke an das beschäftigte Serviceteam, dann flaniert die große Katze aufreizend am Empfangstresen entlang und lässt sich auf dem Arm des Concierge kurz die neu angekommenen Gäste präsentieren. Deren gezückte Smartphones mustert Kléo mit ihren eisblauen Augen und einem blasierten Gesichtsausdruck, wie ihn nur Rassekatzen draufhaben: "Neues Personal eingetroffen? Okay, aber jetzt lasst mich in Ruhe."

Dann zieht sich das Tier, das mit vollem Namen Kléopatre (französisch ausgesprochen) heißt, aufreizend langsam und wie im Bewusstsein, dass ihm die Blicke folgen, in Richtung der Büroräume zurück. Dort wartet sein Lieblingsplatz: Ein Korb voller Papierabfall, am liebsten frisch aus dem Schredder. Der offiziellen Hauskatze eines Grandhotels steht aber natürlich auch eine Suite zu. Sie liegt eine Tür weiter, auf einem Alkoven im Treppenhaus des Luxushotels, und ist mit einem Tweedkissen (Queensize), einer kleinen Wellnesshöhle, auf der "Hotels des Chats" steht, und einem En-Suite-Katzenklo ausgestattet.

"Eigentlich hält sie sich dort aber nicht besonders oft auf. Sie bevorzugt Plätze mit etwas mehr Überblick über ihre Angestellten", sagt Bärbel Göhner, die Kommunikationschefin. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet sie für das Brenners in Baden-Baden, das zu den maßgeblichen Hotels in Deutschland gehört und in seiner Geschichte schon mehr Prominenz beherbergte, als irgendwie auflistbar wäre. Trotzdem kann Frau Göhner ein ganzes Mittagessen lang über Kléo sprechen, als wäre es der interessanteste Gast, den sie hier je hatten. Zumindest ist es einer der treuesten - seit knapp drei Jahren wohnt das Tier von der Rasse der "Heiligen Birma" im Brenners.

Ursprünglich war sie für das Partnerhotel Le Bristol in Paris ausgesucht worden, denn dort hatte man in Gestalt des Katers Fa-Raon schon gute Erfahrung an der Schnittstelle Katze/Luxushotellerie gemacht. Kléopatre mit ihren blütenweißen Pfoten war ursprünglich als Gespielin für den Kater gedacht, aber der Plan ging schief. Was genau vorgefallen ist, fällt unter die große Verschwiegenheit, die in solchen Häusern üblich ist. Irgendwann stand jedenfalls fest, dass Kléopatre und Fa-Raon getrennte Wege gehen würden. Das Brenners mit seinem Park und der Nähe zur französischen Grenze (Birmakatzen wurden traditionell in Frankreich gezüchtet) schien eine angemessene Zuflucht für die enttäuschte Katzendame. Also wurde Kléo eines Tages im Frühling 2017 aus der Großstadt mit einer kleinen Entourage nach Baden-Baden übersiedelt.

Beim ersten Empfang, so ist es in der Hotelchronik notiert, betrat Kléo ihr neues Zuhause gemessenen Schrittes über den Roten Teppich und nahm das spaßeshalber aufgereihte Spalier der Angestellten huldvoll ab. Auch die restliche Eingewöhnung verlief gut, nur einer der ersten Ausflüge auf dem weitläufigen Hotelgelände ging schief. Kléo wurde von einem besorgten Baden-Badener in der Nähe des Stadtplatzes aufgelesen und als Streunerin kurzerhand ins Tierheim verfrachtet. Dort erinnerte man sich zum Glück an einen Artikel aus der Lokalpresse über die neue Hotelkatze, und die Geschichte fand mit einer chauffierten Rückfahrt in der hoteleigenen Mercedeslimousine ein gutes Ende.

Seither reizt Kléo die Topografie ihres Zuhauses zwar gerne aus - schließlich gibt es hier endlose Gänge und viele Verstecke, kilometerlange, lustvolle Teppichkanten und ausladende Fensterbretter, dazu eine sonnenwarme Terrasse, die direkt in den Stadtpark führt - aber sie kommt immer wieder zurück. Die Hausdame und der Concierge sind dabei ihre ersten Anlaufstationen - wie für die Gäste auch. Sie sorgen dafür, dass die Katze regelmäßig gefüttert wird und den Hotelablauf nicht stört.

"Sie hat ziemlich schnell verstanden, wie das hier läuft und welche Aktionen tabu sind", sagt Bärbel Göhner. Tabu sind zum Beispiel alle Räume, in denen gegessen wird, und auch der große Salon. Obwohl die Gäste, die an diesem Nachmittag dort auf seidenbespannten Chaiselongues schmökern, wohl ganz gerne was streicheln würden. Tabu sind auch Jagdszenen im Grandhotel. "Manchmal bringt sie Beute aus dem Park mit, aber da haben unsere Empfangsmitarbeiter und Garagisten ein Auge drauf", sagt Göhner. Das ist das Gute an einem exklusiven Haus - an der Tür steht immer Personal, das den Gästen Gepäck und Autoschlüssel abnimmt und der Katze die halb tote Maus.

Nach Bekanntwerden der tierischen Personalie im Brenners gab es von den Stammgästen auch skeptische Nachfragen: Kann man jetzt noch Hunde und katzenhaarallergische Männer mitnehmen? Bärbel Göhner wiegt beschwichtigend den Kopf. Zu anreisenden Hundekunden hält Kléo von selbst Abstand. Und was die Allergiker angeht, so seien Birmakatzen im Allgemeinen und die hiesige im Besondern wohl nicht besonders reizend, meint Frau Göhner. Es habe bisher jedenfalls keine Beschwerden gegeben, und na ja, die Räume werden eben auch jeden Tag gründlich gereinigt. In die Zimmer der Gäste sollte die Katze eigentlich trotzdem nicht spazieren, schon aus Gründen der Übersichtlichkeit. Es passiere aber, dass sie bei einem neugierigen Rundgang dem Housekeeping-Team in eine Suite folgt und dann eingesperrt wird. "Sie hat gelernt, in solchen Fällen auf sich aufmerksam zu machen."

Birmas gelten als sanftmütig und ruhig. Dass sie auch selbständig Aufzug fahren können, davon steht im Zuchtlexikon nichts, Frau Göhner ist aber bereit, es unter Eid zu beschwören. Passen würde es, denn gesellschaftstauglich waren die Heiligen Birmas schon immer und mit ihrem halblangen, seidenen Fell und den Saphiraugen stets in der Upper Class beliebt. Eine Legende vermutet, dass sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Gepäck eines Vanderbilt-Sprösslings aus dem Orient mitgebracht wurden. Auch die berühmte Choupette, die einen gewissen Karl Lagerfeld bei sich duldete, ist Birmakatze.

Ob reinrassig, heilig oder halbseiden - Katzen sind für ein repräsentatives Amt in einem Hotel besser geeignet als Hunde oder Kaninchen. Ihre souveräne Selbstbestimmtheit, die leisen Pfoten und die angeboren herablassende Art passen gut in die distinguierte Atmosphäre eines solchen Hauses. Und ihre Wirkung ist erstaunlich. "Manche Gäste fragen dezidiert nach der Katze und wollen sie mindestens einmal sehen. Die Kinder schreiben ihr sogar Briefe von zu Hause. Wenn sie irgendwo unvermittelt auftaucht, ist es wie ein Glücksbringer und lockert die ganze Atmosphäre." Das Brenners ist natürlich nicht das erste Hotel mit Katze, aber vielleicht das einzige, das heute auch Postkarten und anderes Merchandise mit dem Tier anbietet.

Dass eine Katze zum zugkräftigen Maskottchen werden kann, zeigt auch die Plattform hotelswithcats.com. Unter dem Motto "Travel for Cat Lovers" werden dort weltweit Hotels mit Schnurrfaktor gesammelt und vorgestellt - als Einstiegsbild der Einträge sieht man nie das Hotel oder den Pool, sondern nur die Katzen, in ihren weltweit ähnlichen Aggregatzuständen: uninteressiert, innig putzend, schläfrig. Eine der jüngsten Top-Hotelkatzen ist Lilibet, die seit ein paar Monaten als "resident cat" im The Lanesborough in London lebt. Sie ist schon jetzt der Star im Instagram-Account des Traditionshauses: Wo bislang die immer gleiche Gediegenheit in Form von Blumengestecken, schönem Essen und Glitzergästen zu sehen war, ist mit dem Fellknäuel auf einmal Leben eingekehrt - inklusiver vieler neuer Herzchen in den Kommentaren. Cat-Content zieht eben auch auf im Fünfsterne-Segment.

Am frühen Abend taucht Kléo noch mal in der Lobby auf, plötzlich ist sie da, windet sich in Zeitlupe geziert um die Sesselbeine. Dann verlässt sie zielstrebig das Haus durch eine der Seitentüren und ohne zu grüßen - eine Diva im Pelzmantel.

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Quelle:
SZ vom 11.01.2020/mkoh
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