Ladies & Gentlemen:Das Paar des Jahres

Ladies & Gentlemen: Forscherin mit Stilpokal: Biontech-Vorstand Özlem Türeci.

Forscherin mit Stilpokal: Biontech-Vorstand Özlem Türeci.

(Foto: dpa)

Uneitel, souverän, erfolgreich: Das Ehepaar Özlem Türeci und Uğur Şahin hat der Welt ein bisschen gute Laune zurückgegeben. Mit ihrer wissenschaftlichen Konzentration aufs Wesentliche verkörpern sie auch den No-Bullshit-Chic, der dieses Jahr geprägt hat.

Von Julia Werner & Max Scharnigg

Für sie: Einfach machen

Die Stilkönigin in einem Jahr zu küren, in dem Bühnen aller Art einfach abgebaut wurden, ist auf den ersten Blick schwierig. Ist uns nicht schmerzlich vor Augen geführt worden, wie egal es ist, ob eine Frau virtuos ein Kleid unter einem Pulli unter einem Gürtel kombinieren kann? Ganz egal sind Dekofragen natürlich nie, das wissen alle, die sich kurz vor dem Nervenzusammenbruch im sogenannten Home-Office einfach mal schnell roten Lippenstift aufgetragen haben und sich sogleich besser fühlten. Apropos Office: Wo das draufsteht, ist ja selten wirklich harte Arbeit drin, sehr wohl aber jede Menge Mimimi. Das Bürogenöle haben wir auch in Pandemie-Zeiten nicht abgestellt; statt Chef, Kollegen und verschmutzter Teeküchen waren Ehemänner, Kinder und abgesagte Reisen die Klageobjekte. All die Yoga-Sessions führten nicht zu mehr Gelassenheit, und auch das ganze Selbstverwirklichungsgelaber hat nix gebracht - hat irgendjemand seinen Roman fertiggestellt? Der Stilpokal geht deswegen in diesem Jahr an Biontech-Vorstand Özlem Türeci. Sie hat nicht einen Gedanken an den perfekten Kragen für die Zoom-Konferenz verschwendet, sondern stillschweigend das gemacht, was es zu tun gab: einen Corona-Impfstoff entwickelt. Einfach mal nicht jammern und seine Aufgabe annehmen, das ist seit diesem Jahr die Definition von gutem Stil. Heißt nicht, dass wir ab jetzt in Sack und Lumpen gehen müssen. Aber bitte in Zukunft immer an Frau Türeci denken, wenn die Lage unerträglich zu sein scheint.

Ladies & Gentlemen: Biontech-CEO Uğur Şahin.

Biontech-CEO Uğur Şahin.

(Foto: dpa)

Für ihn: Alles, was zählt

Die Ereignisse dieses Jahres (oder eigentlich: das Ereignis) brachten es mit sich, dass Menschen ins Rampenlicht traten, die man dort sonst nicht so oft gesehen hat: Gesundheitsminister, Virologen und angrenzende Wissenschaftler, medizinisches Personal. Stilistisch bedeutet das: viel weniger Glam, Firlefanz und Dekoration auf dem Fernsehschirm, dafür mehr Laborkittel, langweilige, aber eben sinnvolle Masken und durchnächtigt-derangierte Politiker in ebensolchen Anzügen. Aber weil eh alle Podcast hörten und zu Hause blieben, waren besondere Outfits in diesem Jahr einfach nicht so wichtig, es zählten überall innere Werte. Die Hoffnungsträger des Jahres waren dann auch beispiellos uneitel, obwohl ihnen über Nacht die ganze Welt gratulieren wollte. Aber Biontech-CEO Uğur Şahin wirkte auch noch nach dem Triumph in seinen Interviews und Videoschalten immer nur wie jemand, der die Fächerkombination Chemie/Sport an einer Gesamtschule im Problemkiez unterrichtet und dabei echt beliebt ist. Als Milliardär und neuer Heilsbringer in Kaufhauspullover und T-Shirt Grußworte an die Welt zu sprechen, das ist die Lässigkeit von Menschen, die sich schon lange keinen einzigen überflüssigen Gedanken mehr machen. Şahin steht damit natürlich in einer Tradition unserer Zeit, in der Nerds nicht nur zu den wichtigsten und reichsten Persönlichkeiten aufgestiegen sind, sondern auch nicht daran denken, das Nerdlife irgendwie zu kaschieren. Von Alexander Fleming, dem Entdecker des Penicillins, gibt es kein Foto ohne korrekt gebundene Fliege, von Şahin wird es vermutlich nie eines mit Fliege geben. Botschaft: Habe Besseres zu tun.

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