Bierproduktion in Deutschland:Ein Prosit auf die Nische

Bierkrüge

Deutsches Bier wird weltweit mit Bayern und dem Oktoberfest gleichgesetzt.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Bierkonsum sinkt in Deutschland seit Jahren. Anlass zur Hoffnung geben Spezialitätenbrauer und Frauen - manchmal in Personalunion.

Von Johanna Pfund

Ein halbes Jahrtausend Reinheitsgebot fürs Bier ist durchaus ein Grund zum Feiern. Einen Grund zur Freude hat die Branche auch: Jedes Jahr entstehen neue Braustätten, vor allem kleine Gasthausbrauereien und Spezialitätenanbieter, die nicht mal 1000 Hektoliter im Jahr herstellen.

Doch das täuscht. Der Markt ist schwierig geworden: Denn die Deutschen trinken Jahr für Jahr weniger Bier, viele Brauereien kämpfen mit Überkapazitäten.

Dramatische Rückgänge

Gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und die demografische Entwicklung sind zwei der Gründe, die Jürgen-Michael Gottinger, Branchenexperte beim Münchner Beratungsunternehmen Wieselhuber & Partner (W&P), als Ursachen für den Rückgang ausmacht. Außerdem werde Bier mehr und mehr Genussprodukt denn simpler Durstlöscher.

Das wirkt sich unterschiedlich aus. Dramatische Rückgänge mussten Mittelständler ebenso wie Konzerne, unter deren Dach mehrere Marken vereinigt sind, hinnehmen. "Im Prinzip sind vier von zehn großen Brauereien betroffen, nicht wenige haben Absatzverluste im zweistelligen Bereich", sagt Berater Gottinger.

Der Markt ist umkämpft, daher sei eine zielgruppengerechte Positionierung wichtig. "Lieber einen hohen Marktanteil in einer eng umrissenen Zielgruppe als eine unklare Positionierung in der Fläche."

Edel-Bier macht Hoffnung

Bei den kleinen und kleinsten Betrieben sind die Craft-Bier-Liebhaber momentan Motor des Wachstums. Vor allem in der Hauptstadt zeigt sich dieser Trend. Allein in Berlin und Brandenburg wurden 2015 acht neue Brauereien eröffnet, in Bayern, das die höchste Brauereidichte Deutschlands aufweist, waren es sieben. Der bayerische Regierungsbezirk Oberfranken kann sogar die höchste Brauereidichte der Welt vorweisen.

Hält der Trend an?

Ob der Aufschwung anhält, weiß niemand. "Trends verschwinden oft schnell wieder. Beim Craft-Bier bin ich mir aber nicht ganz sicher, da es von der jungen Generation getrieben wird," sagt Heinz Höfling, Geschäftsführer der HLB Linn Goppold Treuhand GmbH, einer Münchner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, die mittelständische Brauereien betreut. Bei Gasthausbrauereien, die Bier, Erlebnis und Ambiente zu einem Gesamtkunstwerk verbinden, sieht Höfling jedoch gute Überlebenschancen.

Das Dilemma der Mittelständler

Viele Mittelständler dagegen stecken oft in der Zwickmühle: Sie haben nicht unbedingt die Schlagkraft der Großen und kämpfen laut Höfling oft mit Überkapazitäten in Sudhäusern und Abfüllanlagen. Das bedeutet Rechnen: bei Personal, Rohstoffen und Energie.

Punkten können die Spezialitätenbrauereien, die sich auf ihre Nischen oder bestimmte Sorten konzentrieren. "Bei Weißbier gibt es Zuwachsraten", sagt Höfling.

Biermarkt "emotionaler als gedacht"

Einen ungewöhnlichen Weg hat die mittelständische Brauerei Gebr. Maisel in Bayreuth beschritten, zu deren Hauptsorten Weißbier zählt. "Wir entschieden uns 2001, 35 Prozent an die Pilsbrauerei C&A Veltins zu verkaufen, um nationale Vertriebskompetenz zu bekommen", erzählt Inhaber Jeff Maisel. Das Ergebnis war allerdings für beide Seiten nicht zufriedenstellend und der geplante Absatzerfolg blieb aus. "Der Biermarkt ist viel emotionaler als gedacht", resümiert Maisel heute.

Die Brauerei kaufte Ende 2005 die Anteile in gegenseitigem Einverständnis wieder zurück, "wir hatten das Geld nur zur Seite gelegt, so konnten wir uns den Rückkauf auch leisten". Bis heute besteht zwischen den beiden Familienbrauereien eine gut funktionierende Vertriebspartnerschaft.

"Stehen richtig gut da"

Die Jahre mit Veltins waren für Maisel eine wertvolle Zeit, in der sich die Brauerei intern neu strukturieren und modernisieren konnte. "Wir haben viel gelernt: weit in die Zukunft zu blicken, die Zahlen zu berücksichtigen, und dann auch wirklich Gas zu geben." Damit ist Maisel nun aufgestellt wie eine nationale Brauerei, besetzt aber klar eine Nische - mit Weißbier, alkoholfreiem Weißbier, fränkischem Zwickl-Bier und auch mit Craftbier. "Wir stehen heute richtig gut da", sagt Jeff Maisel.

Bier = Bayern = Oktoberfest

Auch die großen Brauereien fahren unterschiedliche Strategien. Die Oetker-Gruppe, zu der unter anderem Radeberger gehört, hat zielgerichtet regionale Marken aufgekauft - von Leipzig über Dortmund bis hinunter ins Allgäu. Doch allein der deutsche Markt genügt nicht unbedingt. Um Wachstum zu realisieren, müssten die Brauer laut Gottinger auch den Weltmarkt in den Blick nehmen, denn dieser wächst.

In den vergangenen zehn Jahren stieg der weltweite Bierausstoß um 25 Prozent. Gottinger rechnet damit, dass sich das Wachstum bis 2025 um weitere 15 Prozent auf 2,3 Milliarden Hektoliter erhöhen wird, der größte Biermarkt weltweit ist inzwischen China.

Im internationalen Geschäft profitieren die deutschen Brauer durchaus vom Ruf des deutschen Reinheitsgebots. Wobei sich unter deutschen Brauereien die bayerischen immer noch leichter tun. Denn die Gleichung Bier gleich Bayern gleich Oktoberfest wird weltweit gerne aufgemacht. "Ansonsten aber ist der internationale Markt ein knallhartes Geschäft", sagt Gottinger.

Zahlen

Brauerei in Frauenhand

Bleibt also die Suche nach der Nische. Eine ist noch nicht stark besetzt, nämlich die der Frauen. "Das fehlt noch", stellt Gottinger fest.

Ansätze aber gibt es. In Franken haben sich junge Brauerinnen zusammengetan, um speziell auf den Geschmack von Frauen zugeschnittene Biere zu brauen. Unter dem Namen "HolladieBierfee" gibt es etwa ein orange-rotes Starkbier, das Dinkel-Pale-Ale "Sommernachtstraum", das als echter "Ladykiller" angepriesen wird.

Ganz klar auf Frauen setzt man auch in der Privatbrauerei Strate Detmold in Nordrhein-Westfalen. Kein Wunder, ist die Brauerei doch fest in Frauenhand. Das "Thusnelda-Bier" samt passendem Etikett wurde zum "Bier des Jahres 2013" gekürt.

Auch ohne Thusnelda beweisen die Detmolderinnen Geschmack: Sie gewannen 2015 den World Beer Award mit "Detmolder Chardonnay-Hopfen".

Eine klare Markenstrategie also. Generell aber, sagt Gottinger, werde es in den kommenden Jahren viel Bewegung in der Bier-Landschaft geben, Übernahmen nicht ausgeschlossen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: