Berühmte Bärte im Museum:Der Bart ist Geschichte

Warum tragen Hipster Bärte? Das Neue Museum in Berlin sucht nach den Wurzeln des Trends.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

15 Bilder

Ausstellung 'Bart - zwischen Natur und Rasur'

Quelle: dpa

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So sieht das aktuelle Angebot aus: Bärte, wohin das Auge blickt. Der Hipster-Bart ist nicht nur seit vielen Jahren unter jungmännlichen Großstädtern ein Muss, sondern als Moustache-Variante auch auf weiblichen Zeigefingern eintätowiert (wie bei Rihanna) oder als rosa Accessoire auf Schmuckstücken, Hundenäpfen, Babybekleidung. Wer keinen angesagten Vollbart aufweisen kann, dem hilft notfalls die Bart-Mütze (im Bild). Der Trend hat sogar die männliche Landbevölkerung in größten Teilen erfasst - und das will was heißen bei einer modisch ansonsten eher schwer zu erreichenden Klientel.

Dass die halbe Welt Bart trägt, war nicht immer so. Ausgeprägte Gesichtsbehaarung war zwar schon bei den alten Griechen sehr beliebt, musste sich aber durch die Jahrtausende bis heute immer neuen Regeln beugen, war zwischendurch verpönt - und manchmal gar verboten. Das Neue Museum in Berlin widmet sich dem Stachelphänomen in der Ausstellung "Bart - zwischen Natur und Rasur" mit prominenten Beispielen.

Ausstellung 'Bart - zwischen Natur und Rasur'

Quelle: dpa

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Dazu muss man wissen: Dieses Museum ist kein Allerweltsmuseum. Die Currywurst, die Erotik, Computerspiele oder Hanf - nichts, was nicht ausgestellt würde in Berlin. Doch das Neue Museum gehört zu den hochherrschaftlichen staatlichen Museen, beheimatet auf der berühmten Museumsinsel, in einem stolzen preußischen Museumsbau, zuletzt restauriert von David Chipperfield. Hier wandeln Besucher auf 8000 Quadratmetern zwischen Neandertalerschädeln, Antikensammlung und der Büste der schönen Nofretete. Die Bart-Ausstellung ist dementsprechend klein und im Keller angesiedelt, doch sie erregt Aufsehen.

Denn die Ausstellungsmacher haben sich bewusst am unübersehbaren Trend der Gegenwart orientiert, um in der Historie zu schnüffeln. Woher kommt das Barttragen, wo führt es hin, wie hielten es unsere Vorfahren damit? Nur ein kleiner Raum widmet sich dem Thema, dafür aber anschaulich.

Im Bild: Ein bärtiger Museumsmitarbeiter vor der ebenfalls bärtigen Sphinx der ägyptischen Königin Hatschepsut

Bärte - Ausstellung

Quelle: Staatliche Museen zu Berlin - Vo

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Der Gilgamesch-Epos aus dem babylonischen Raum gilt als eine der ältesten schriftlich fixierten Dichtungen der Menschheitsgeschichte. Die Erzählung aus dem 3. Jahrtausend vor Christus berichtet davon, wie der durch die Steppe ziehende Wilde zum Stadtmenschen wird - durch Rasur. Priester im Alten Orient waren oft kahlrasiert und galten dadurch als rein.

Im Bild: sumerischer Würdenträger aus dem Südirak, ca. 2100 v. Chr.

Bärte - Ausstellung

Quelle: Foto:Claudia Klein MVF Berlin 20; Neues Museum Berlin

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Auch in der Bronzezeit (2000 bis 800 vor Christus) stutzten sich die Männer das Kopf- und Gesichtshaar - wenn auch nicht ganz so radikal wie zuvor. Im Bild: bronzene Rasiermesser und Spiegel aus Europa und Eurasien. Offenbar galt die Bartgestaltung damals als bedeutender Akt - denn viele dieser Toilettenartikel waren Grabbeigaben.

Aus dem Alten Orient ist bekannt, dass sowohl Männer als auch Frauen der Körperpflege und dem Entfernen unerwünschter Behaarung größte Sorgfalt beimaßen.

Kopf einer Sphinx der Hatschepsut; Bärte - Ausstellung

Quelle: bpk / Ägyptisches Museum und Pa

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Dass der Bart im Altertum ein Zeichen von Macht war, sieht man auch an ihr: Warum sonst sollte Hatschepsut einen künstlichen Bart tragen? Die altägyptische Königin herrschte von 1479 bis 1458 vor Christus, ihr Name bedeutet "Die erste der vornehmen Frauen". Im Gegensatz zu heute galt es damals alles andere als unfein für eine Herrscherin, Bart zu tragen. Auch ihre männlichen Kollegen trugen einen geflochtenen Kinnbart zu zeremoniellen Anlässen - den sogenannten Königsbart.

Bärte - Ausstellung

Quelle: ©Johannes Laurentius; Neues Museum Berlin

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Einer der berühmtesten Bartträger: Platon. Die einen erzählen, dass er und seine Anhänger verspottet wurden, weil sie ihre Bärte wild wachsen ließen. Die anderen stellen ihn als akkurat beschnittenen Weisen dar. Unbestritten ist: Platon (circa 428 bis circa 348 vor Christus), angesiedelt zwischen Sokrates und Aristoteles, steht für den Typ Denker. Seine Gesichtsbehaarung ebenfalls.

Bärte - Ausstellung

Quelle: ©Johannes Laurentius; Neues Museum Berlin

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Kurz darauf brach Alexander der Große (356 bis 323 v. Chr.) mit dem Bart. Zu seiner Zeit war es üblich, dass griechische Männer Bart trugen, die Griechen verehrten Greise und Weise mehr als alle anderen Kulturen. Der Bart war ein Zeichen dafür. Doch dieser Herrscher setzte eigene Zeichen - und präsentierte sich als erster jung, dynamisch und glattrasiert. Viele seiner Gefolgsleute taten es ihm nach. Seinen Soldaten befahl er gar die Rasur - um im Kampf keine unnötige Angriffsfläche zu bieten. Der Bart blieb Philosophen und anderen Gelehrten vorbehalten.

Bärte - Ausstellung

Quelle: SMB Antikensammlung

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Ein Jahrhundert nach Christus: Der römische Kaiser Hadrian (76 bis 138 nach Christus) zeigt sich wieder mit Vollbart. Und zwar als erster römischer Kaiser überhaupt. Er gilt als Bewunderer der griechischen Kultur. Der philosophisch bewanderte Kaiser will demonstrativ an die Barttracht der griechischen Gelehrten erinnern. Sein Volk tut es ihm nach. Die Frisur mit den nach vorne gekämmten Locken, die zur Seite geneigte Kopfhaltung und natürlich der gepflegte kurze Bart wurden bis ins dritte Jahrhundert akribisch kopiert. Diese Büste war Vorbild unzähliger Privat-Porträts.

Bärte - Ausstellung

Quelle: Neues Museum Berlin

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Auch Jesus wird in der ikonografischen Tradition mit Bart dargestellt. Daran orientierten sich in seiner Nachfolge unzählige Päpste. In den Gesichtern der Mächtigen dieser Welt wucherte es mal ausufernd, mal spitz zulaufend, und immer demonstrativ männlich. Bis zu Peter dem Großen (1672 bis 1725). Der Zar hielt Bärte für ein Zeichen der Rückständigkeit und des Konservatismus. Um Russland ein moderneres, europäisches Aussehen zu verleihen, verordnete er per Gesetz die Rasur. Wer trotzdem partout Bart tragen wollte, musste Steuern zahlen. Als Zahlungsbeleg diente die Bartkopeke (im Bild), die vom Bartträger auf Verlangen vorzuzeigen war.

'Kopf des Dirigenten Levi'; Bärte - Ausstellung

Quelle: bpk / Nationalgalerie, SMB / And

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Trotz aller Moden, zwischenzeitlicher Verbote, dem Trend zur Kahlrasur oder zum Bart als äußerst gepflegtem Accessoire gab es über die Jahrhunderte auch immer wieder Männer, die mit dem Bart ein politisches Statement setzten. Meist war er dann ungepflegt wuchernd wie beim von Franz von Lenbach gemalten Dirigenten Herman Levi (im Bild, 1882) und Künstlern vorbehalten - oder Männern, die sich anderweitig unabhängig gerierten.

Bärte - Ausstellung

Quelle: Neues Museum Berlin

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Inszenierung als Charakterkopf: Der erste deutsche Kaiser und auch der zweite waren berühmte Bartträger: Wilhelm I. trug grauen Backenbart, Wilhelm II. färbte seinen Schnäuzer und formte ihn sorgfältig mit einer Lockenzange. Zu seiner Morgentoilette gehörte ein 22-teiliges Bartpflegeset. Im Bild die Brustporträts der kaiserlichen Familie. Ihre männlichen Untertaten taten es ihnen nach - als Bekenntnis zum Kaiser und zur deutschen Nation.

Bärte - Ausstellung

Quelle: Neues Museum Berlin

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Aus dieser Zeit stammt auch dieses Accessoire: die Tasse für Bartträger. Sie sollte den stolzen Herrn von Welt vor feuchter Gesichtsbehaarung schützen. Ihre Inschrift lautet: "Zu schonen deinen schönen Bart, nimm dieses Tässchen eigner Art".

Bärte - Ausstellung

Quelle: Neues Museum Berlin

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Was immer gerne vergessen wird: Der Bart ist kein rein männliches Phänomen. Zwar selten, aber durchaus prominent, gab es immer wieder auch Frauen mit Bart. Wie Christine Delait (1865 bis 1939). Sie heiratete einen Bäcker und nutzte ihren Bart zu Werbezwecken für das gemeinsame Café in Frankreich. Zu ihrer Zeit, da die Fotografie aufkam, nutzten einige bärtige Damen ihr unübliches Aussehen zu Promotionszwecken, ...

Ausstellung 'Bart - zwischen Natur und Rasur'

Quelle: dpa

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... einige davon hat die deutsche Bartträgerin und Künstlerin Mariam (im Bild), die sich "bearded woman" nennt, in einem kleinen Pavillon für die Ausstellung gesammelt. Um zu zeigen, dass es keinesfalls Männern vorbehalten ist, das Gesichtshaar ordentlich wuchern zu lassen - auch wenn sie im Alltag damit immer wieder auf Gegenwehr stößt.

Bärte - Ausstellung

Quelle: Ute Franz-Scarciglia; Neues Museum Berlin

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Die vielleicht berühmteste Bartträgerin der Gegenwart, Conchita Wurst, darf in der Sammlung nicht fehlen. In diesem Fall als Skulptur verewigt, auf einer Mondsichel thronend, signalisiert sie die freie und ganz persönliche Entscheidung, sowohl männliche als auch weibliche Merkmale mit Stolz zur Schau zu tragen.

Passend dazu wird am 17. Dezember Buchautor Kevin Clarke mit Besuchern den Ursprung des aktuellen Barttrends erkunden - und auch darauf eingehen, inwieweit die Schwulenbewegung dazu beigetragen hat. Die Ausstellung läuft noch bis zum 28. Februar 2016, weitere Infos hier.

Bleibt die Frage, ob ein Trend noch ein Trend ist, wenn er es schon ins Museum schafft. Im Zweifel ist der Bart ab sofort Geschichte.

© SZ.de/rus/jana/dd
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