Berlin Fashion Week:Sitzt, sieht gut aus und leuchtet

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Wenn das Model denkt, blinkt das Kleid: Auf der Berliner Fashiontech-Messe bringen Designer Mode und Technik zusammen. Das ist abgefahren und manchmal beängstigend.

Von Felicitas Kock, Berlin

Vor anderthalb Jahren war die Berliner Fashiontech noch eine recht überschaubare Veranstaltung. Ein paar Experten sprachen über Wearables und Verkaufswege im Netz, auf einer kleinen Empore stellten drei Labels ihre futuristischen Entwürfe aus. Eine LED-Jeansjacke etwa, oder einen Mantel, der sich aufplustert, wenn der Träger einen Knopf drückt. Schon damals wirkte das wenige, was hier gezeigt wurde, aufregender als die Entwürfe, die die großen Designer ein paar Kilometer weiter über die Laufstege schickten.

Wer jetzt in den vierten Stock des Kühlhauses am Gleisdreieck kommt, kann auf den ersten Blick erkennen, wie das Projekt gewachsen ist. Etwa 20 Aussteller teilen sich die Etage, im Stockwerk darüber ist die Bühne für die Konferenz aufgebaut.

Da ist Gehirnaktivität

Die Zukunft der Mode, davon sind sie hier überzeugt, hat wenig mit Schnitten, Farben und Mustern zu tun, mit der richtigen Rocklänge, den trendigsten Jeans oder der Rückkehr des Croptops. Es geht um mehr. Oder, wie Jasna Rokegen aus Belgien sagt, "wir leben in einer digitalen Welt, alles hat sich verändert, aber wir laufen immer noch in den gleichen Klamotten rum - das geht doch nicht".

Drei Entwürfe des Labels Elektrocouture, das Mode und Technik zusammenbringen will. (Foto: Christopher Santos)

Die 23-Jährige betreibt gemeinsam mit einem Mechatroniker das erste Fashion-Technology-Designstudio Belgiens. Auf der Fashiontech steht sie an ihrem Stand neben einem hochgewachsenen Männermodel und drei Schaufensterpuppen in weißen Minikleidern. An einem Kleid flattern Plastikflügel, bei einem hebt und senkt sich der Kragen, auf dem dritten bewegt sich ein bunter LED-Lichtstrahl auf und ab.

"Das sind meine Gedanken", sagt Jens - so heißt das Männermodel - und zeigt auf den Lichtstrahl, aber so ganz stimmt das natürlich nicht. Das Model trägt (zu einem futuristisch aussehenden Anzug, der gar nichts kann) ein futuristisch aussehendes Plastik-Stirnband. Darin verbirgt sich ein Elektroenzephalograf, der seine Gehirnströme misst. Das Stirnband ist drahtlos mit dem Kleid verbunden, die LEDs zeigen also vielleicht nicht Jens' Gedanken, aber sie beweisen: Da ist Gehirnaktivität.

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Die Designerin erklärt die Idee dahinter so: Ihre Kleider sollen das Innerste des Menschen nach außen kehren, ein Spiegel unserer Emotionen sein. Da soll es zumindest hingehen, langfristig, wenn die technologischen Möglichkeiten es zulassen. "Wir leben heute so schnell, dass wir manchmal nicht mehr mitbekommen, was wir fühlen. Kleidung kann helfen, das sichtbar zu machen. Für mich als Trägerin und für alle anderen."

Jasna Rokegens stellt ihre Entwürfe in Berlin aus, weil sie der Einladung Lisa Langs gefolgt ist. Lang ist so etwas wie die Seele der Fashiontech-Konferenz. Die Fränkin hat 2014 das Start-Up Elektrocouture gegründet, um endlich zusammenzubringen, was für sie zusammengehört: Mode und Technologie. Oder, in ihrem Fall, Mode und Licht. "Wenn von Technologie in der Kleidung die Rede ist, bekommen viele Leute erst einmal Angst", sagt Lang. "Weil sie denken, dass sie irgendwann keine Tüte Chips mehr essen können, ohne dass ihr Pullover es der Versicherung meldet." Leider sei so etwas tatsächlich möglich, leider seien die Ängste gar nicht so irrational. Lang muss also erst einmal die Angst nehmen - mit ihrem eigenen, niedrigschwelligen Technologie-Ansatz.

"I can make it glow" ist ihr Verkaufsspruch, "ich bringe es zum leuchten". Auf der Fashiontech trägt Lang ein schwarzes Longshirt mit silbernen Plättchen und weißen LEDs. Der Entwurf stammt von einer indischen Designerin, die sie auf der Mumbai Fashion Week getroffen hat. Das Licht kommt von Elektrocouture. Ein edles Shirt, weich fallender Stoff, alltagstauglich - und waschbar. Lang holt ein verkabeltes Kästchen aus der Schoßtasche. Lediglich die Batterie muss vor dem Waschen entfernt werden, bald soll auch das nicht mehr nötig sein. Dann soll Licht, so Langs Vision, ein Material sein, wie jedes andere. Wie Seide, Wolle, Leder. Ein Material, mit dem Designer arbeiten.

Tatsächlich sind einige der von Lang geladenen Aussteller da schon weiter. Design-Pionieren wie Jasna Rokegens geht es um mehr als ein paar hübsche LEDs. Sie denken über die reine Bekleidungsfunktion - nicht nackt sein, hübsch aussehen - hinaus.

Smartes Yoga-Dress

"Die Kleidung der Zukunft muss mehr können, als bedecken", sagt Lilien Stenglein. Die 27-jährige Berlinerin macht Mode für den "modernen digitalen Yogi". Für den Yoga-Fan also, der seine Übungen zuhause macht, sich die Anleitung oder die passende Musik dafür aus dem Netz lädt, das Smartphone oder Tablet am Körper trägt und trotzdem keine Strahlung abbekommen will. In die Taschen ihrer Yoga-Dresses hat Stenglein deshalb Material eingearbeitet, das Elektrosmog abhalten soll. Außerdem soll smarte Technologie an den Chakra-Punkten (angenommene Energiezentren des Körpers) die Körpertemperatur messen, zurückspiegeln und so helfen, "das Chakra zu öffnen".

Wie sie darauf gekommen ist? "Ich studiere Design, ich mache gern Yoga - und dann habe ich Lisa Lang getroffen", sagt die junge Frau und es klingt ein bisschen wie ein Erweckungserlebnis.

Viel Geld werden die Yogaklamotten wahrscheinlich erst einmal nicht abwerfen. Stenglein hat ihr Label zwar erst im Februar gegründet und schon mehrere Outfits verkauft. Aber Lisa Lang macht ihr keine großen Hoffnungen. Sie selbst verkauft etwa hundert Teile pro Entwurf. Nicht genug, um davon zu leben. Momentan sind es vor allem Beratungsjobs, die das Geld einbringen. "Weil jetzt alle kommen", sagt Lang. Die Telekom, die großen Designer. Sie alle hätten Ideen, wie man Technologie und Mode zusammenbringen könnte. "Aber sie wissen nicht wie - und da kommen wir ins Spiel."

Für den Laien mögen die Ideen der Fashiontech-Teilnehmer noch zu abgefahren klingen. Dass Technologie in der Mode eine immer größere Rolle spielen wird, zeigt aber nicht nur die Konferenz am Berliner Gleisdreieck. Das zeigt auch das Interesse der großen Designer. Zuletzt zum Beispiel bei der Met-Gala in New York, als Claire Danes in einem leuchtenden Kleid von Zac Posen über den roten Teppich lief und Karolina Kurkova in einem mit 150 LEDs besetzten Meisterwerk von Marchesa. Und Licht ist bekanntlich nur der Anfang.

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