Kunsthandwerk:Erhabene Farben

Kunsthandwerk: Jeder Klecks von Hand getupft: Die Kunst des Benjarong-Porzellans hat in Thailand eine lange Tradition.

Jeder Klecks von Hand getupft: Die Kunst des Benjarong-Porzellans hat in Thailand eine lange Tradition.

(Foto: David Pfeifer)

Ein Besuch bei traditionellen Benjarong-Malern in Thailand, die besonders kunstvolles Porzellan herstellen - mit der Einsicht, dass nicht alle Tassen in den Schrank gehören.

Von David Pfeifer

Das Schöne braucht Perfektion und Fehler gleichermaßen. Das Perfekte lenkt den Blick auf eine Sache, das Fehlerhafte lenkt ihn hinein. So kann man vor einer Benjarong-Vase stehen und sich sehr lange fragen, warum man sie gerne besitzen möchte, wieso es nötig sein könnte, dass genau diese Vase das eigene Heim schmückt und man sie immer und in Ruhe betrachten kann. Man kann dann auch, bevor man sie kauft, überlegen, wozu sie nützlich wäre. Was man halt so fragt, wenn man nach Gründen sucht. "Es ist einfach eine Vase", sagt Noo Lek, die Künstlerin, ungerührt. "Sie können damit machen, was Sie wollen. Die meisten kaufen sie als Schmuck."

Noo Lek, 67, führt die Besucher durch ihren Laden, der vollgeräumt ist mit bemalten Vasen, Tassen, Kaffee- und Tee-Services und Schmucktellern. Fünf Farben bedeutet Benjarong wörtlich, man spricht es Bendscharong aus. "Meine Augen sind mittlerweile zu schlecht, um selber zu malen", sagt Noo Lek und geht voran in die Werkstatt, in der ein junger Mann an einem alten Küchentisch sitzt und kleine Porzellanelefanten mit Farbe betupft. Er tut dies mit der Sorgfalt und der Ruhe eines Bombenentschärfers, neben ihm lagern 14 Pinsel an der Tischkante, vor ihm stehen 14 Farbtöpfchen. "Es ist eine Kunst, die man über die Jahre lernt", sagt Noo Lek, "jeder Schritt muss sehr sorgsam ausgeführt werden."

Zuerst wird ein Muster auf das Porzellan gezeichnet, dann mit Farben ausgemalt, schließlich das goldene Finish aufgebracht, zwischen jedem Vorgang wird gebrannt. Am Ende hält man ein Stück in der Hand, dessen Farben sich sanft zu einer Struktur erheben, akzentuiert von Goldlinien. Das Licht wird vom Gold gebunden, es bricht sich im Muster, es bindet den Blick länger und intensiver, als Geschirr das für gewöhnlich tut. Die Magie funktioniert allerdings nur, wenn man sich ein Einzelstück ansieht. In einem Shop steht meistens so viel davon herum, dass man sich schnell fühlt, als sei man in der Schatzkammer eines arabischen Prinzen gelandet.

Kunsthandwerk: Fünf Familienclans haben sich im Dorf Don Kai Dee eine Autostunde von Bangkok entfernt dem Benjarong verschrieben. Hier die Dorf-Chefin Urai Thaeng Eim.

Fünf Familienclans haben sich im Dorf Don Kai Dee eine Autostunde von Bangkok entfernt dem Benjarong verschrieben. Hier die Dorf-Chefin Urai Thaeng Eim.

(Foto: David Pfeifer)

Noo Lek gehört einem der insgesamt fünf Familienclans an in Don Kai Dee. Das Dorf, etwa eine Stunde Autofahrt entfernt von Bangkok, hat sich dem Benjarong verschrieben. Es wird hier seit Generationen ausgeübt, insgesamt mehr als hundert Angehörige geben die Tradition weiter. Spaziert man durch Don Kai Dee, fühlt man sich rasch wie in einer dekorationsbegeisterten Hippie-Kommune, alles ist bunt, überfrachtet und gut gelaunt. Hüfthohe Vasen in den Gärten, prächtig geschmückte Tore, jede Mauer wurde noch mit Benjarong-Bruch verziert. Es ist eine Kunst, die im Kleinen bezaubert und im Großen erschlägt. Man muss sich also konzentrieren.

Das Porträt des thailändischen Königs Rama V. ziert viele Teller und Vasen

Auf ihrer kleinen Veranda sitzt die Dorfvorsteherin, eine sanfte und gleichzeitig resolute Frau namens Urai Thaeng Eim, 65 Jahre alt. Alle fünf Familien werden von Frauen geführt, sie sprechen sich ab, wer sich auf welches Muster spezialisiert, um sich nicht in die Quere zu kommen. Es sieht erst mal alles sehr ähnlich aus, aber natürlich geht es hier um die Details. Thaeng Eim zieht einen Teller aus einem Stapel, ein altes Muster von 1900, aus der Zeit von König Rama V., dem großen Modernisierer und Öffner Thailands, bis heute ein verehrter Monarch im Land. Urai Thaeng Eim trägt ihn auch als Amulett um den Hals, sein Porträt schmückt zahlreiche Teller und Vasen im Dorf.

Auch in Bangkok sieht man Benjarong an jeder Ecke, vor allem wenn man in den Königspalast, ins Museum oder zum Beten geht. Auch die Fassade von Wat Arun, dem berühmtesten buddhistischen Tempel, ist mit Benjarong verziert. Rama V. brachte die Technik aus China nach Thailand, zuerst kauften die Aristokraten, bald jeder, der es sich leisten konnte. Noch heute sind Benjarong-Stücke in Thailand ein Statussymbol der gehobenen Mittelschicht. Eine Tasse mit Untertasse und Schmuckdeckel kostet zwischen 800 und 1200 Baht, eine große Vase 20 000 Bath, das schöne Kaffeeservice mit Drachenmotiven, komplett im Schmuckkästchen: 30 000 Baht - etwa 800 Euro.

Da zuckt ein Meissener- oder Nymphenburg-Sammler nur mit den Schultern, doch für thailändische Verhältnisse ist das viel Geld. Es wird vorwiegend an Einheimische verkauft, die Touristen nehmen eher das Zeug, das auf dem Chatuchak-Markt angeboten und vorher in irgendwelchen Sweatshops angepinselt wird. "Das ist zwar auch handgemalt, aber da läuft ihnen der Goldrand nach einiger Zeit schwarz an", sagt Urai Thaeng Eim. Ihre Produkte hingegen "sind spülmaschinenfest, nur in der Mikrowelle gehen die Farben kaputt". Mit zehn Jahren hat sie angefangen mit der Benjarong-Malerei, sie kann jede Produktionsstufe frei Hand, das Vorzeichnen, das Kolorieren, den Goldauftrag. Ein Jahr lang muss man Probe malen, bevor man an die kostbaren Stücke und Farben darf. "Wenn man vorher Kunst studiert hat, geht es schneller", sagt Thaeng Eim. Sie wollte nie etwas anderes tun, "die meisten hier lernen es von Kindheit an und bleiben dabei. Sie können ja auch im Home-Office malen." Es ist eine befriedigende, fast meditative Arbeit, das spürt man beim Zusehen. Sogar eine Bejanrong-verzierte Pension haben sie in der kleinen Gemeinde, man kann dort übernachten. Das könnte auch nötig sein, denn nach einer Weile kennt man sich kaum noch aus, hat man zu viel angesehen, will entweder alles oder gar nichts mehr mitnehmen.

Es lohnt allerdings, vor Ort eine Wahl zu treffen, denn im Ausland bekommt man die Sachen selten. Es gibt eine Website, aber keinen geregelten Export. "Die Leute schätzen Handarbeit nicht unbedingt", sagt Urai Thaeng Eim, "es sieht ja kein Stück genau wie das andere aus." Andere wiederum verfangen sich genau an der Grenze zwischen Perfektion und Fehler und nehmen dann doch zwei Schmucktassen mit, obwohl der Geschirrschrank daheim schon birst. Aber die Tassen kommen dann sowieso eher ins Regal. Nur weil sie auch eine Funktion haben, muss man sie ja nicht nutzen. Es sind einfach Tassen. Sie sind schön.

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