Bekannt aus dem Fernsehen:Restaurantkritik: Marchfelderhof bei Wien

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Für die einen ist es das Traumziel aus dem Fernsehen, für andere eine Krawall-Hölle: Der Marchfelderhof, ein mit Nippes vollgestopfter Herrensitz bei Wien, gehört zu Österreichs bekanntesten Gasthöfen. Wir waren mal beim Spargelfestival.

Von Katharina Seiser

Für die einen ist es das Traumziel aus dem Fernsehen, für andere eine Krawallhölle: Der Marchfelderhof, ein mit Nippes vollgestopfter Herrensitz bei Wien, gehört zu Österreichs bekanntesten Gasthöfen. Hier speisen volksnahe Promis neben Großtante Erika, und der Gast darf Hof halten wie ein Kaiser. Zum Spargelfestival hat Katharina Seiser im "Festaurant" mal mitgefeiert.

Mitten in Österreichs größtem Spargelanbaugebiet, dem Marchfeld nordöstlich von Wien, gibt es einen Gasthof, der im ganzen Land bekannt ist. Kurz vor Ankunft in Deutsch-Wagram wird man - sicher ist sicher - trotzdem aufmerksam gemacht: "Marchfelderhof nur noch 99 Sekunden!!!" steht da auf einem gelben Schild (viele weitere werden folgen). So viel Nachdruck lässt die kulinarischen Alarmglocken klingeln. Doch von Typografie und Ausrufezeichen auf die Qualität der Küche zu schließen ist unzulässig.

Bekannt ist der Marchfelderhof vor allem aus dem Fernsehen. Er hat einen Fixplatz beim ORF, im seit 30 Jahren quotenverlässlichen Gesellschaftsmagazin "Seitenblicke". Prompt sind vor dem Gasthof, gestrichen in sattem Gelb und beleuchtet wie ein Grand Hotel, Kamerateams in Position, die Polizei steht bereit, Promis den Weg ins Licht zu weisen. "Achtung Staatsgrenze Spargelrepublik Marchfeld" steht auf einem weiteren Schild, und so ist natürlich auch die Echtheit der Beamten anzuzweifeln. König Konstantin von Griechenland war ebenso hier wie Plácido Domingo, Johannes Heesters feierte im Lokal seinen Hundertsten und 1809 fand hier auch die Schlacht bei Wagram (Napoleon - Erzherzog Karl) statt. Alles was irgendwie einen Namen hat, ist wichtig, Gedenktafeln für Staatspräsidenten aus aller Welt (inoffizieller UN-Außenposten?) prangen da neben dem "Happy Birthday zum 30er von Thassilo - Herreinspaziert im Marchfelderhof!!!".

Majestätisch gut
:Karamellisierter Kaiserschmarrn mit Apfelmus

Erinnert unsere Autorin an Skiausflüge in verschneiter Berglandschaft - und einen Besuch in Kaiser Franz Josephs Esszimmer.

Drinnen wird es nicht besser. Die Augen melden eine Empfangsstörung, es wird einem kurz schwindlig, so überladen ist alles mit Devotionalien der vergangenen 150 Jahre. Angeblich sind es mehr als 25 000 Teile Nippes, teils thematisch gruppiert wie die Porzellanpferdchen in einem der zehn Gasträume, anderes ist übers ganze Haus verteilt wie die bis unter die Decke gehängten Promi-Porträts. Hier feiern volksnahe Stars ebenso wie die Großtante mit Kleinfamilie. Zu reellen Preisen, wie auf jedem Flyer betont wird. Das "Lovestory"-Dinner für zwei kostet 73 Euro, "Romeo&Julia" 75, "Candlelight" gibt's schon für 69, "Nur wir Zwei" kostet 79 und "Romantik" ist mit 89 Euro am teuersten. Alle bestehen aus fünf Gängen, fast nackte Männer auf den Damenklowänden und halbnackte Frauen bei den Herren inklusive. Heute ist "Spargelfestival" im "Festaurant" und jeder Gast nach Duktus des Hauses nicht König, sondern Kaiser.

Die Kellnerin serviert den Gastkaisern zunächst Wattewecken mit Knoblauch-"Butter", bestreut mit Körndlmischung, dazu Gläschen mit rostrotem Inhalt, rohe Zwiebelwürfel obendrauf. Sie erklärt, dass das Cocktailsauce mit verschiedenem Gemüse darin sei. Die Spargelmousse ist mit ihrer cremig-flaumigen Konsistenz gar nicht so schlecht für einen Großbetrieb mit 350 Plätzen, würde sie nicht irritierend stark nach Rindssuppe schmecken. Angekündigt war sie als "Spargel-Cremeschnitte" (11,90 Euro), in Österreich stellt man sich darunter etwas zwischen knusprigem Blätterteig vor, die zwei Strudelteigblätter im Miniformat reißen es nicht raus. Das Bio-Roastbeef dazu hat seinen Garpunkt leider schon länger überschritten, so grau und trocken passt es aber zum Nippes.

Geplant oder ein Unfall?

Ob das Zweiglein Vogelmiere im Vogerlsalat geplant war oder ein Unfall, bleibt unklar. Spargel Pot-au-Feu (22,90 Euro) hatte nach einer lustigen Idee geklungen, ist dann aber nur weißer Solo-Spargel im riesigen Rindssuppentopf mit drei dicken Scheiben Schulterscherzel, letzteres schön weich und saftig, der Spargel leider auch. Die Schnittlauchsauce schmeckt artfremd, der Apfelkren nach der (nicht nur hier genommenen) Abkürzung Apfelmus mit Kren. "Spargel & Spargel" (19,90 Euro) sollte das Best-of zweier Welten sein: gegarter Solo-Spargel mit Hollandaise, gebackener mit Sauce Tartare. Der Gegarte ist dem bis weit über das Ende der Monarchie verbreiteten Irrtum zum Opfer gefallen, dass Spargel weich gekocht gehört - obwohl das hier verwendete Rohprodukt aus dem Nachbarort mit Sicherheit frisch und von guter Qualität gewesen ist. Er schaut dann immer noch aus wie Spargel, schmeckt aber wie faseriges, leicht bitteres Wasser. Da hilft dann auch die sehr buttrige, aber so gar nicht luftige Hollandaise nichts. Die Panier des gebackenen Spargels ist auch eine Kunst - so an- und vollständig wie sie ist. Die Sauce Tartare ist durch den Cutter gejagt worden, was ihr geschmacklich nicht guttat, aber das Umhüllen des faden Spargels erleichtert.

Mit dem Uhudler-Frizzante (6,40 Euro) und seinem gefälligen Walderdbeeraroma kann man sich aber jeden Zirkus schöntrinken. Mit dem gespritzten Apfelsaft dagegen nicht. Seine Verwandtschaft mit dem Kernobst ist kaum erkennbar. Die Kellnerin laviert sich dafür freundlich und flott durch die eng platzierten Gäste, die mit ihren Befindlich- und Feierlichkeiten jeweils besonderer Aufmerksamkeit bedürfen - und hier auch bekommen. Die Dessert-Variation für zwei (14,60 Euro) ist definitiv nicht zu schaffen: glattes Topfennockerl mit fehlerfreiem Normgeschmack, Schokomousse, Marzipanmousse von der Konsistenz eines Tennisballs, Erdbeer-Tiramisu, so trocken wie aufgeweichter Karton und eine Cremeschnitte mit leider nicht ganz durchgebackenem Blätterteig.

Aber darum geht es hier gar nicht. In den Vitrinen auf den Gängen sind "Kleine Dinge von großen Leuten" ausgestellt: eine Seife von Zarah Leander, ein Gürtel von Professor Franz Antel, an den Wänden Ziehharmonikas, Nachttöpfe, Uniformen, wieder Spargel sowie eine Tasse von Curd Jürgens mit Mond und Sternen. Gutes Essen würde da nur vom Wesentlichen ablenken.

In einem Satz: Der Marchfelderhof ist eher Eventschuppen als Restaurant; für alle, die Remmidemmi mögen, gern Leute gucken und nur nebenbei essen.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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