Klingt ein bisschen eklig, kühl und vor allem lahm, gehört aber erklärtermaßen zum Heißesten, was die Schönheitsbranche derzeit zu bieten hat: Kosmetik aus Schneckenschleim. Als "Allroundtalent" und "Natürliches Anti-Ageing" werden Produkte mit dem Sekret der Weichtiere angeboten. Gerade hat ein Report von Marktanalysten dem weltweiten "Snail Beauty Market" für die kommenden Jahre ein sattes Umsatzwachstum prophezeit.
Tatsächlich hat die Schneckenkosmetik durchaus ihre Logik. Was nackte Tiere gegen Wind und Wetter wappnet, könnte auch für Menschenhaut ein natürlicher Schutzschild sein. Schließlich produzieren Schnecken ihren Schleim nicht nur, um sich auf nackter Haut ohne Fußsohlen fortzubewegen, sondern auch unter Stress. Mit ihrem Sekret schützen sie sich gegen Trockenheit, Bakterien und UV-Strahlung. Also gegen alles, was auch die menschliche Haut altern lässt.
Seit einer ganzen Weile können Kunden mancher Spas schon lebende Schnecken über ihre Haut kriechen lassen. Das findet, selbst wenn es um Schönheitsversprechen geht, nicht jeder Mensch attraktiv. Doch immer mehr Kosmetikmarken aber rühren den Schleim der Schnecken inzwischen als aufgereinigtes Sekret in ihre Cremes, Seren und Lotionen. Der Preis: zwischen 15 und 600 Euro.
Die ersten Schneckenschleimprodukte kamen noch aus Korea, von wo schon Kosmetik mit den seltsamsten Inhaltsstoffen um die Welt gegangen ist. Doch zunehmend gibt es auch westliche Firmen, die darauf setzen. Owlcare aus den USA und Laboratorios Portugal zählen ebenso dazu wie die zum Henkel-Konzern gehörende Haircare-Firma Kenra Professionals, der man es zu verdanken hat, dass man sich Schneckenschleim nun auch in die Haare schmieren kann.
Ohnehin war das Sekret von Weinbergschnecken schon früher in Europa beliebt. Die alten Griechen trugen es auf Wunden auf, Hippokrates von Kos soll seinen Patienten eine Mischung aus zerquetschten Schnecken und saurer Milch gegen Hautentzündungen verschrieben haben. Und zu Zeiten der für viele Beautytrends offenen Kaiserin Sisi war Schneckenschleim auch im Alpenraum begehrt. Der erste kommerzielle Anbieter war aber wohl 1995 die chilenische Marke Elicina: Einer Familie, die Weinbergschnecken für Restaurants züchteten, fiel auf, dass sie bei ihrer Arbeit so zarte Hände bekamen.
Insgesamt sind die wissenschaftlichen Erfolge bis heute eher dürftig
Das Sekret hat tatsächlich zahlreiche Inhaltsstoffe, nach denen auch menschliche Haut dürstet. Es steckt voller Mineralien, Antioxidantien und Glykokonjugate, die beschädigtes Gewebe reparieren. Seine antibakterielle und feuchtigkeitsspendende Wirkung ist unbestritten. Und schließlich enthält es Allantoin, das die Regeneration fördert und die Haut geschmeidiger macht. Aber verbessert es wirklich das Hautbild? Einer der ersten, der das seriös untersuchte, war der spanische Krebsarzt Rafael Abad Iglesias. Ursprünglich testete er in den 1960er-Jahren an Schnecken die Auswirkungen der Bestrahlung. Dabei fiel ihm auf, dass sich die Haut der Tiere extrem schnell erholte. Am Ende meldete er eine Schneckenschleimcreme zum Patent an - um "Verbrennungen, Hautentzündungen, Ekzem, Windeldermatitis und Wundheilung" zu behandeln. Seither wurde Schleim in einer Reihe von Studien erforscht. Viel zitiert wird eine Untersuchung von griechischen Ärzten an Verbrennungsopfern: Die Wunden heilten demnach deutlich schneller mit der Kraft der Schnecke. Insgesamt aber sind die wissenschaftlichen Erfolge bis heute eher dürftig.
Einem Trend läuft der Schneckenschleim ohnehin entgegen - dem zu veganer Kosmetik. Einige Hersteller versichern zwar, dass die Tiere nicht leiden müssen. "Unsere Schnecken werden einzeln per Hand abgesammelt und mit Hilfe von Mikrostäbchen entschleimt", verspricht etwa der Biokosmetikhersteller Helixium. Bei anderen Firmen dürfen die Tiere über Netze wandern und dabei ganz natürlich ihren Schleim hinterlassen. Doch mitunter werden Schnecken auch heute noch zentrifugiert, um an ihren Schleim zu kommen, oder gleich mit Salz bestreut, in Chemikalien getaucht, oder mit Säure beträufelt, damit sie mehr von ihrem Stressschutz produzieren. Da wird das Thema Schneckenkosmetik dann doch wieder eklig.