Süddeutsche Zeitung

Beauty:Schön locker bleiben

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Gertraud Gruber gründete 1955 ihre Wellnessfarm am Tegernsee und predigt seither, sich vom Thema Schönheit bloß nicht verrückt machen zu lassen. Ein Porträt zum 100. Geburtstag.

Von Julia Rothhaas

Schön? Nein, aber gut gelungen, so urteilt Gertraud Gruber vor einigen Jahren über sich selbst. Einzig die Schneidezähne, mit denen ist sie lange unzufrieden. Doch nachdem die frisch überkronten Zähne einst nicht mal ihrem Mann auffallen, beschließt sie, dass es vorbei sei mit dem Wunsch nach äußerlichen "Verbesserungen". Sich in Sachen Schönheit ständig verrückt machen, bewirke doch eh nur das Gegenteil, so das Credo der Kosmetik-Grande-Dame, die am 24. Mai ihren 100. Geburtstag feiert.

Als "Jungmühle am Tegernsee" bezeichnet die Münchner Illustrierte Grubers Schönheitsfarm bei der Eröffnung am 15. Oktober 1955, angeblich die erste Europas, und ist ganz aus dem Häuschen von den Haarkuren aus reinem Selleriesaft, der morgendlichen Abreibung mit frischem Rosmarinwasser und dem Löffel Bienenkönigin-Futtersaft, den sie ihren ersten vier Kundinnen verabreicht. Auf einer Silberfuchsfarm will sie "ihre" Damen verwöhnen; schon einige Jahre zuvor hat sie begonnen, Cremes und Tonics aus Kräutern und Heilpflanzen selbst herzustellen. Heute dürfen nur speziell ausgebildete Mitarbeiter in Beauty Salons auch jenseits des Tegernsees Gruber-Produkte anbieten.

Selbst Loki Schmidt war Stammgast

Bei einer reinen Gesichts- und Körperpflege bleibt es allerdings nicht. Von Anfang an setzt die "Gruberin", wie sie von Mitarbeitern genannt wird, auf ein ganzheitliches Konzept: leichte Bewegung, gesunde Kost, entspannte Grundhaltung. Immer schön locker bleiben also - und gut kauen, das sei die beste Gymnastik für ein straffes Gesicht. Nach zwei Wochen Jungmühle hat der Besitzer der Silberfuchsfarm allerdings genug von den Frauen, die in seinem Garten den halben Tag lang in Strumpfhosen Gymnastik machen. Gertraud Gruber und ihr Mann kaufen daraufhin ein eigenes Haus in Rottach-Egern, in dem sieben Behandlungszimmer Platz haben. Sie selbst schlafen im Keller.

Anfangs werden sie von den Nachbarn kritisch beäugt, ihre Schönheitsfarm als "Runzelranch" verlacht, doch die Nachfrage ist groß. Die Zimmer sind von Beginn an ständig belegt. Bald tauchen prominente Gäste auf: die Kessler-Zwillinge und Caterina Valente, Romy Schneider und Loki Schmidt. Bis heute kommen vor allem Stammgäste (inzwischen oft mit Töchtern und Enkelinnen) zur Farm am Tegernsee, die längst um weitere Häuser in der Nachbarschaft erweitert wurde. Wer spontan einchecken möchte für ein paar Tage, hat es in der Regel schwer.

Auf der Beautyfarm sind ausschließlich Frauen erlaubt. Mit öligen Haaren nach der Behandlung im Bademantel im Speisesaal sitzen? Das gehe nur unter Gleichgesinnten, findet Gertraud Gruber, sonst könne sich ja niemand entspannen. Und weil es genau darum geht, endlich mal loszulassen, gehört zum Konzept der Farm auch das Frühstück im Bett. Die Idee beschäftigt Gruber, seit sie nach dem Krieg im Kino eine Diva im Himmelbett am Brötchen knabbern sieht. Ihr selbst friert zu der Zeit in ihrem ungeheizten Zimmer an kalten Tagen das Wasser in der Waschschüssel ein.

Für ungewöhnliche Ideen ist die nun 100-Jährige schon als junges Mädchen bekannt: Mit der Metzgerei der Familie will sie nichts zu tun haben, die kleine Gertraud möchte lieber Ausdruckstänzerin werden. Also überredet sie ihre Eltern, die Schule der US-amerikanischen Choreografin Isadora Duncan besuchen zu dürfen, die von klassischem Ballett so gar nichts hält. Nach zwei Jahren Ausbildung und ersten Soloauftritten beginnt der Zweite Weltkrieg. Also wird der Lehrplan geändert: Heilgymnastik statt Ausdruckstanz. Mit zwanzig bekommt sie eine Stelle in einem Lazarett am Tegernsee. Dort behandelt sie Soldaten mit Gesichtslähmungen und entdeckt, welchen Erfolg man mit speziellen Muskelübungen erzielen kann. Damit beginnt ihre Leidenschaft für das Thema Haut.

Die Behandlung findet nur im Geheimen statt

Nach dem Krieg und einer Ausbildung als Kosmetikerin fährt sie mit ihren ersten selbst hergestellten Produkten auf dem Fahrrad zu ihren Kundinnen. Allerdings erst, wenn es dunkel ist und die Ehemänner bereits vor einer Mass Bier im Wirtshaus sitzen. Sich von einer Fremden das Gesicht cremen zu lassen, gilt damals noch als unschicklich. Damit niemand beobachten kann, wohin die Frauen gehen, mietet Gruber ein paar Jahre später als Tarnung einen Raum im Haus eines Zahnarztes an.

Verstecken muss sich Gertraud Gruber schon lange nicht mehr, im Gegenteil: Der Übungsraum ist immer knallvoll, wenn sie ihre Kundinnen im Yoga unterrichtet, jedes Gespräch mit ihr heiß begehrt. 1985 wird sie für die Förderung und Entwicklung der Kosmetik in Deutschland mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet, 2006 mit dem Bayerischen Verdienstorden. Die Ehrenbürgerin von Rottach-Egern gibt seit einigen Jahren keine Interviews mehr und auch keine Yoga-Stunden, doch es gehe ihr dem Alter entsprechend gut, so enge Mitarbeiter. Wer starr wird, wirkt alt, so lautet eine weitere Devise von Gertraud Gruber. Sie selbst spaziert weiterhin täglich über ihre Schönheitsfarm.

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