Beauty-Produkte: Wie Wasserstoff in Kosmetik Superkräfte entwickeln soll

Beauty-Produkte: Sieht aus wie Wasser, schmeckt wie Wasser, ist aber Wasserstoffwasser. Hersteller und Fans erhoffen sich davon die tollsten Effekte.

Sieht aus wie Wasser, schmeckt wie Wasser, ist aber Wasserstoffwasser. Hersteller und Fans erhoffen sich davon die tollsten Effekte.

(Foto: Mauritius Images)

Ob Cremes, Masken oder Getränke: Viele Beauty-Produkte werben mit der verjüngenden Wirkung des Gases. Aber nützt es wirklich was?

Von Christina Berndt

Wasserstoff ist der Stoff der Zukunft, klar! Das wissen alle schon von der Autoindustrie. Wirklich saubere Energie entsteht, wenn sich das Gas, das auf Englisch auch noch so sexy "hydrogen" heißt und mit einem coolen "H₂" abgekürzt wird, mit dem Lebensspender Sauerstoff zu klarem Wasser verbindet. Das klingt so gut, dass auch die Beauty-Branche den Trend für sich zu nutzen weiß. Neuerdings ist mit Wasserstoff versetztes Wasser als "Hydrogen Infused Drinking Water" auf dem Markt und verspricht für etwa drei Euro pro Dose "Recovery Energy".

Die Firma AquaH₂ vertreibt unter dem Slogan "Give Your Body a Chance" Tabletten, um aus Wasser Hydrogen-Wasser zu machen (rund 50 Euro für 60 Stück), und jede Menge Geschäftsleute bieten Generatoren zu demselben Zweck an, die mehrere Hundert Euro kosten können. Auch Kosmetikprodukte sind zu haben: Die koreanische Firma Lisse hat eine "Real Hydrogen Rejuvenate Mask" für umgerechnet 35 Euro im Programm, und der US-amerikanische Dermatologe Nicholas Perricone hat gleich eine ganze Pflegelinie aufgelegt, die "H₂ Elemental Energy Collection", aus der zum Beispiel 30 Milliliter von dem "Hydrating Booster Serum" immerhin 105 Euro kosten.

Die Theorie dahinter klingt so überzeugend wie der Knall, der bei der Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser in der berühmten Knallgasreaktion routinemäßig Schüler im Chemieunterricht erschreckt: Wasserstoff ist ein effektiver Gegenspieler der gefürchteten freien Radikale. Diese aggressiven kleinen Energiebündel und der "oxidative Stress", den sie auslösen, sind als Todfeinde von Schönheit und Jugend identifiziert. Denn sie sind es, die uns alt, krank und hässlich machen, indem sie unsere Haut und unsere Organe angreifen. Nur logisch also, dass Menschen sie von ihrer Haut ebenso fernhalten wollen wie aus dem Inneren des Körpers, wo sie aber ständig als Abfallprodukte des Stoffwechsels entstehen oder infolge von Strahlung. Und Wasserstoff ist, daran besteht chemisch kein Zweifel, ein klasse Radikalfänger.

Weil Wasserstoff das kleinste Element ist, gelangt er zudem mühelos in das Innere der Körperzellen und dringt sogar bis zur Erbsubstanz selbst vor. Er kann also tief im Körper wirken und schädliche Radikale abfangen, wo andere Antioxidantien wie Vitamin C kaum eine Chance haben - schon allein weil sie um ein Vielfaches größer sind. Die Elle freute sich deshalb über "Hydrogen" als "Anti-Aging-Booster", der "wahre Superkräfte" vereine.

In Japan ist mit Wasserstoff angereichertes Wasser schon seit Jahrzehnten als Shin 'nooru beliebt. Frauen und Männer trinken es nicht nur, sie baden darin sogar und träumen vom Jungbrunnen. Und das Gesundheitsministerium in Tokio hat vor Kurzem Wasserstoff-Infusionen für Patienten zugelassen, die sich von schweren Infektionen erholen müssen.

Aber nützt Wasserstoff in Getränken und in Kosmetik wirklich was? Am Ende sieht Wasserstoffwasser jedenfalls nicht anders aus als ganz gewöhnliches Wasser aus dem Hahn, es schmeckt auch nicht anders und es ist auch nicht nasser. Zudem sollte man sich mit dem Trinken unbedingt beeilen, denn letztlich wurde in jedes Wasserstoffwasser der Wasserstoff nur hineingepustet, er verflüchtigt sich, sobald man die Dose aufmacht. Ein Blick ins Portal Psiram, das der Esoterik-kritischen Skeptikerbewegung nahesteht, lässt aus dem Trend jedenfalls schnell die Luft heraus.

Im menschlichen Körper bilde sich ständig Wasserstoff, der ausgeatmet werde, so die Autoren. Deshalb "bleibt es unverständlich, weshalb die geringen zusätzlichen Wasserstoffmengen, die beim Trinken von mit Wasserstoff angereichertem Wasser aufgenommen werden, in irgendeiner Weise relevant sein können." Auch bei Kosmetikprodukten gibt es ein Problem mit dem Gas, das alles durchdringt und sich so gern verflüchtigt - und zwar nicht erst, wenn man den Deckel geöffnet hat. Die Verpackung müsse schon "extrem hochwertig und ausgeklügelt sein", damit der Wasserstoff im Produkt überhaupt erhalten bleibe, gibt die Münchner Hautärztin Patricia Ogilvie zu bedenken, die Wasserstoff in der Kosmetik ansonsten empfiehlt.

Es gibt lediglich zwei seriöse Studien - und die sind klein

Hersteller und Trendsetter zitieren gerne Studien, die schon alles Mögliche belegt haben wollen. Demnach soll Wasserstoff nicht nur der Alterung entgegenwirken, sondern sogar Alterungsprozesse rückgängig machen, die Kollagenproduktion der Haut "messbar verstärken" und Falten "sichtbar reduzieren". Auch soll er die Haut mit "intensiver Feuchtigkeit versorgen", obwohl das Gas gar nicht feucht ist, und "den Verlust von Zellenergie ausgleichen".

Laut Psiram gab es mit Stand August 2016 jedoch lediglich zwei seriöse wissenschaftliche Studien in den Datenbanken, die sich überhaupt mit den Wirkungen von Wasserstoff beim Menschen auseinandergesetzt haben. Diese sind noch dazu klein. Auch der Arzt Nicholas Perricone gründet seine Werbebehauptungen vor allem auf eine eigene Untersuchung an gerade mal 20 Menschen, denen er einen halben Liter von seinem Wasserstoffwasser zu trinken gab. Danach will er eine erhöhte Aktivität in den Enzymen ihrer Haut festgestellt haben, die für die Energieproduktion zuständig seien. Seither bewirbt Perricone sein Wasserstoffwasser als "Alternative zu Energy Drinks".

Während sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung nicht zu dem Trend äußern will und wissen lässt, ihr lägen "keine Informationen oder Studien vor, welchen zusätzlichen Nutzen eine Wasserstoffanreicherung haben kann", findet die US-amerikanische Academy of Nutrition and Dietetics klare Worte: "Hydrogenwasser ist nur eine der neuesten Modeerscheinungen, und da ist ein großer Marketing-Hype dahinter", sagt eine Sprecherin. "Es gibt nicht genügend wissenschaftliche Evidenz, die Behauptungen stützt, wonach Wasserstoffwasser gegenüber normalem Leitungswasser irgendwelche Vorteile hat."

Mit der Kritik konfrontiert, betont der Dermatologe Perricone: "Ich sehe keinerlei Kehrseite im Verzehr von Wasserstoffwasser." Aber ist das ein ausreichender Grund dafür, etwas zu trinken oder es sich auf die Haut zu schmieren? Noch dazu, da zumindest eine schädliche Wirkung der Wasserstoff-angereicherten Produkte hinlänglich bekannt ist: die für den Kontostand.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: