Süddeutsche Zeitung

Bayern-Spieler als Werbeträger:Sternchen des Südens

Müller ärgert Boateng, Lahm kichert, Schweinsteiger ist zeitweilig nur mit einem Frotteebadetuch bekleidet. Mit den Spielern des FC Bayern als Werbegesichtern lässt sich selbst Salz-Haarspray an den Mann bringen. Ein Set-Besuch an der Säbener Straße.

Von Tanja Rest

Es soll um Kosmetikprodukte für Männer gehen, um Shampoo, Dusch- und Haargel, um Deodorant und ein Salzspray "für ultra-coole Styling-Looks", aber am Ende des Tages ist das perfekteste Produkt immer noch: der FC Bayern selbst.

Ein sehr blauer Oktobertag, auf der Vereinsanlage an der Säbener Straße ist das öffentliche Training eben abgepfiffen worden. Doch das Volk zaudert noch. Es strömt auf den Parkplatz, befühlt und fotografiert den Bayern-Bus, brandet am Gebäudekomplex entlang, groß wie drei Gymnasien, quillt dann in den Fan-Shop und kommt tütenbepackt wieder heraus. Drei Generationen schleppen Trikots, Schals, Uhren, Stofftiere, Babystrampler, Hundehalsbänder und Triple-Gummibärchen davon. Beglückt wie nach einem religiösen Erlebnis.

Der FC Bayern ist der feuchte Traum jedes Werbers. Es ist so einfach: Nimm irgendein Produkt, pappe das Vereinswappen oder das Gesicht von Bastian Schweinsteiger drauf, und das Produkt ist gut.

Das Produkt stammt in diesem Fall von einem deutschen Kosmetikriesen: eine siebenteilige Pflegeserie für Männer, die Kampagne mit fünf Bayern-Spielern soll in der Sporthalle an der Säbener Straße fotografiert werden. (Genauer: in der einen Ecke der Halle. In der anderen stehen Arjen Robben und vier weitere Spieler für einen Handy-Hersteller stramm.) Für die knapp zwei Stunden haben sich drei Setbauer, zwei Stylistinnen, zwei Haare/Make-up-Frauen, vier Werbeleute, ein Making-of-Fotograf und ein Making-of-Kameramann eingefunden. Aber das Erste, was man sieht, ist die Spielecke. Weiße Ledersofas mit Beistelltisch und Flatscreen. Auf dem Tisch liegt ein Stapel Kicker und Sport Bild. Auf dem Flatscreen glimmt die Startformation von "Fifa 13". Subtext: Lasst uns die Jungs bei Laune halten, bevor sie die Lust verlieren und zu quengeln anfangen.

Der Mann cremt, zupft und epiliert

Dann ist da noch der Fotograf aus Berlin. Jim Rakete. 63 Jahre, Brusttasche des Hemdes voller Kugelschreiber, amüsiertes Grinsen im Gesicht. Lässiger Typ. Er ist in seiner Branche selbst ein Star, beim FC Bayern aber eine noch unbekannte Größe. "Rakete? Der schießt schnell!" Kalauer von Philipp Lahm. Der Mann von der Agentur drückt es professioneller aus, er sagt: "Rakete ist einer, der die Leute ganz maskulin und iconic umsetzt." Maskulin und iconic ist so etwas wie die Essenz dieses Auftrags.

Es geht um Beauty für Männer, wie gesagt, und da hat der deutsche Mann zuletzt Fortschritte gemacht. Wie ein Irrer Deo unter die Achseln sprühen, das tut er schon lange. Aber seit einigen Jahren cremt, zupft, peelt und epiliert er auch. Er geht immer häufiger zur Maniküre und zum Botox-Doktor, er klatscht sich nicht nur sein Aftershave auf die Backen, sondern tupft noch einen teuren Herrenduft obendrauf, insgesamt gibt er immer mehr Geld für sein Äußeres aus. Während der Umsatz bei den Frauen auf hohem Niveau stagniert, hat sich der Markt für Herrenkosmetik innerhalb weniger Jahre verdreifacht, und da wollen jetzt alle was von abhaben.

Für den Kosmetikriesen ist dies die erste Männerkampagne, und dass er Fußballer vor den Karren spannt, erzählt einiges über seine Zielgruppe. Die ist an einem neuralgischen Punkt angekommen. Man ist zunehmend eitel, das ja, will sich aber nicht dabei erwischen lassen. Es könnte kokett aussehen. Darum besser keine geföhnten und abdominal getunten Männermodels aus dem Bräunungsstudio. Sondern echte Jungs. Wer könnte dem deutschen Mann das Bekenntnis zur Eitelkeit besser unterjubeln als, sagen wir: Thomas Müller mit ultra-coolem Styling-Look, der sich beim Dienst am Ball aber regelmäßig und vor aller Augen die Schienbeine polieren lässt?

Als sie schließlich eintreffen - Müller, Lahm und Schweinsteiger, Mario Götze und Jérôme Boateng -, wird zweierlei relativ schnell klar. Erstens, sie haben hierauf nur so mittel Bock, würden das als pflichtbewusste Profis aber niemals aussprechen. Zweitens, sie wollen auf gar keinen Fall kokett rüberkommen, sind also quasi ihre eigene Zielgruppe.

Müller sagt: "Nach dem Spiel geht's nicht um die Frisur, sondern zur Physio." Schweinsteiger sagt: "Für mich ist Aussehen nicht so wichtig, ich brauch' nicht lang." Boateng sagt: "Ich brauch' am längsten in der Kabine. Aber nicht unbedingt, weil ich am eitelsten bin, sondern weil ich am langsamsten bin." Lahm sagt: "Ich bin keiner, der morgens aufsteht und die Haare stylt." Weil Lahm der Kapitän und Klassensprecher ist, schiebt er aber noch hinterher, dass ein gepflegtes Äußeres zu einem öffentlichen Auftritt dazugehört.

Götze hat eine Haut wie ein Babypfirsich

Mario Götze sitzt in der Spielecke und blättert im Kicker. Er trägt weiße Nikes, ein graues Langarm-Shirt mit V-Ausschnitt und Jeans, an denen noch das Preisschild des Sponsors hängt. Und wo wir hier schon von Beauty reden: Zwei Visagistinnen sind eben noch aufgeregt um ihn herumgeschwirrt und konnten letztlich doch nur einen Hauch von Bronzepuder hinzufügen. Götze hat eine Haut wie ein Babypfirsich, glatt, rosig, makellos. Ist wenigstens ihm sein Aussehen wichtig? Er fixiert den Kicker. Er sagt: "Man darf nicht vergessen, dass man vor allem Fußballer ist."

Aus seinem Sommerurlaub im Juni hat Götze ein Foto auf Facebook gepostet: durchsichtig blaues Meer, Strand, davor im Halbprofil - giftgrüne Badehose, Amulett, das feine Relief der schon gebräunten Bauchmuskulatur optimal konturiert - er selbst. Drei Tage später folgte das gleiche Bild noch einmal, nur die Badehose (blau) und der Bräunungsgrad (tiefbraun) variieren. Der Text dazu lautet: "Enjoy :-)"

Die Facebook-App in der Hand eines Fußballers ist nicht immer ein subtiles Instrument.

In der Sporthalle an der Säbener Straße wird die Beauty-for-Men-Kampagne vor einer Wand aus grauem Stoff fotografiert. Die Zeitfenster beim besten Verein der Welt sind winzig klein, weshalb der Starfotograf die Hintergründe (Kabine; Stadionaufgang) am Vortag ablichten musste und das Spieler-Quintett da später reinmontieren soll. Jim Rakete hat schon Quentin Tarantino und Natalie Portman porträtiert und diverse Einzelausstellungen gehabt; nicht ganz auszuschließen, dass auch er nur so mittel Bock hat auf diesen Job. Die Stimmung am Set ist jedenfalls so: Wo wir hier schon mal beisammen sind, lasst uns halt Spaß haben.

"Philipp, nicht so zweifelnd!"

Die Aufstellung, die die Werber zuvor auf ihren Storyboards realisiert haben, sieht Lahm und Schweinsteiger im Sturm vor, Götze, Müller und Boateng im zentralen Mittelfeld. Große Gaudi. Müller sprüht Boateng mit dem Salzspray ins Genick, Lahm kichert. Schweinsteiger, der zeitweilig nur mit einem Frotteebadetuch bekleidet ist und noch nicht weiß, dass ihn 16 Tage später eine OP am Sprunggelenk aus dem Liga-Betrieb katapultieren wird, balzt Rakete an: "Willst du meine Wampe sehen?" Rakete wiederum nennt Mario Götze hartnäckig "Manuel", aber mit Charme. In den Spaßpausen wird fotografiert.

Interessanterweise wären für Frauen in einer vergleichbaren Situation jetzt unzählige Posen denkbar. Romantisch, spielerisch, provokant, erwachsen, sexy, cool . . . Bei Männern aber scheint der Griff zur Kosmetik immer noch Kastrationsängste auszulösen, weshalb für sie nur der eine Modus gilt: männlich. Um es mit dem Auftragsarbeiter Rakete zu sagen: "Philipp, nicht so zweifelnd! Confidence, be strong!"

Das Shooting dauert dann netto nicht mehr als zwei mal zehn Minuten und funktioniert auf mehreren Ebenen gleichzeitig: Die Werbeleute beobachten den Making-of-Fotografen dabei, wie er den Starfotografen dabei fotografiert, wie der die Bayern-Stars fotografiert, die einer nach dem anderen vom Making-of-Kamerateam rangewunken werden, um freundliche Statements zum Thema Pflege abzugeben.

Die beiden Kampagnenmotive werden in Kürze plakatiert. Sie sehen sehr maskulin und iconic aus, da kann der Mann beruhigt zum Styling-Produkt greifen. Aber zur Not könnte man bestimmt auch Schokoriegel damit verkaufen.

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Quelle:
SZ vom 08.02.2014/feko
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