Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Darf man das?:Vögel füttern

Lesezeit: 3 min

Wer Häuschen und Körner auf dem Balkon platziert, kann Ärger bekommen. Was Mieter und Eigentümer dazu wissen sollten.

Von Stephanie Schmidt

Etwas für die Artenvielfalt tun - diese Vorstellung motiviert viele Menschen dazu, Futterstellen für Vögel am Fenstersims oder auf dem Balkon einzurichten. Unabhängig davon, ob der Winter milde oder schneereich ist. Eltern, die in der Stadt leben, wünschen sich oft, dass ihre Kinder Meisen, Rotkehlchen, Stare oder Drosseln aus nächster Nähe erleben und damit auch die Natur ein wenig besser kennenlernen.

Für ein flexibles Vogelhäuschen braucht man keine Genehmigung des Vermieters

Doch damit kann man sich Ärger einhandeln - mit dem Vermieter oder mit dem Nachbarn. Denn fürs Vogel-Buffet auf dem Balkon gelten eine ganze Reihe von Einschränkungen. Die gute Nachricht: Grundsätzlich ist das Füttern von Vögeln auf dem Balkon oder auf dem Fenstersims erlaubt. "Ein paar Meisenknödel aufzuhängen und ein Vogelfutterhäuschen auf dem Balkon zu platzieren, ist genehmigungsfrei", sagt Rolf Bosse, Vorsitzender und Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg. Das gelte aber nur, sofern das Häuschen nicht fest an der Wand oder am Boden verankert werde; ein Ständer indes ist erlaubt. Die Wände allerdings darf man für die Futterstation nicht in Eigenregie anbohren. In diesem Fall müssen Mieter zunächst ihre Vermieter um Erlaubnis fragen, so der Rechtsanwalt. Wenn der Vermieter Ja sagt, muss man den Balkon beim Auszug wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Auch Wohnungseigentümer können nicht nach Gusto Fütterungsangebote an einer mit dem Gebäude fest verbundenen Futterstation machen. Dieses Anliegen muss man auf die Tagesordnung für die nächste Eigentümerversammlung setzen lassen. "Dort braucht der Antragsteller einen Mehrheitsbeschluss", stellt Rechtsanwalt Bosse fest.

Ob es sich überhaupt lohnt, einen solchen Antrag zu stellen, hängt von der Situation ab: Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin des Verbands Haus & Grund Deutschland in Berlin, rät zu einem Blick in die Gemeinschaftsordnung und die jeweilige Hausordnung: "Beide können detailliert festlegen, was beim Thema Balkon erlaubt ist und was nicht." Mitunter sind die Vorgaben streng. Viele Mehrparteienhäuser haben Ständerbalkone aus Stahl. Wenn man zum Beispiel die stählernen Streben seines Balkons mit Holzbrettern oder Reet auskleiden möchte, um eine naturnahe und womöglich für Vögel attraktive Atmosphäre zu schaffen, kann das von vornherein untersagt sein.

Wer Tauben füttert, muss mit einem Bußgeld rechnen

Doch wer landet da überhaupt auf dem Balkon oder dem Fensterbrett, um Körner zu picken? "Singvögelfütterung ist so lange in Ordnung, bis die ersten Tauben auftauchen", stellt Rolf Bosse klar. "Es ist untersagt, solche Tiere anzulocken, die als Überträger von Krankheiten bekannt sind." Ein Verbot, Tauben Nahrung anzubieten, darf auch im Mietvertrag festgeschrieben werden. "Im Raum Hamburg sind Standardmietverträge üblich, die das Füttern von Tauben, aber auch von Möwen untersagen", sagt Bosse. Wenn man nicht damit aufhört, Tauben aus seiner Wohnung heraus zu füttern, dann berechtigt das den Vermieter zur fristlosen Kündigung. Zu diesem Schluss kam das Amtsgericht Nürnberg (Az. 14 C 7772/15). Abgesehen davon können Kommunen ein Bußgeld für das Füttern von Tauben verhängen. Das beträgt aktuell maximal 5000 Euro.

Ob man Vögel auf dem Balkon füttern darf, hängt mitunter vom Einzelfall ab. Grundsätzlich gilt, dass andere durch die Sympathie ihrer Nachbarn für Vögel nicht über Gebühr behelligt werden dürfen. Eine gewisse Toleranz muss ein Bewohner eines Mehrparteienhauses aber aufbringen, auch wenn Singvögel, die von Nachbarn gefüttert wurden, auf seinem Balkon Kot hinterlassen. Jedenfalls darf man deshalb nicht eigenständig die Miete mindern: Eine Mieterin, die das versucht hatte, scheiterte vor Gericht. Ein Recht zur Mietminderung gebe es nur bei einer "ganz unverhältnismäßigen Verschmutzung", argumentierte das Landgericht Berlin. Das sei hier nicht der Fall. Als Kriterien dafür nannten die Richter etwa die Intensität und die Größe der betroffenen Fläche. Zudem sei das Füttern von Vögeln "durchaus verbreitet" und "sozialadäquat", solange damit keine Gesundheitsgefahr einhergehe. Nach Ansicht der Richter gehört es zu einem Balkon, dass dort auch Insekten und Vögel hingelangen - und mit ihnen auch Vogelkot (Az. 65 S 540/09).

Ob man Vögeln auf dem Balkon Nahrung anbieten darf, hängt vom Einzelfall ab

Gerichte können diesbezüglich aber auch zu einem anderen Schluss kommen: Ein Mieter aus Frankfurt, der ein Vogelhäuschen auf seinem Balkon angebracht hatte, darf seine gefiederten Freunde dort nun nicht mehr füttern, urteilte das Amtsgericht Frankfurt/Main. Futterreste und die Ausscheidungen der Vögel waren immer wieder auf den darunterliegenden Balkon gefallen und hatten auch die Markise der Bewohner verschmutzt (Az. 33 C 3812/21).

Doch bringt das Füttern überhaupt etwas für den Artenschutz? Damit erreiche man besonders gefährdete Wildvögel in der Regel nicht, heißt es beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Gut daran sei jedoch, dass Menschen in der Stadt auf diese Weise positive Naturerfahrungen machen könnten. Doch Brot und manche Arten von Beeren, Körnern oder Samen können Vögeln schaden - der Nabu hat Tipps parat, was ihnen gut bekommt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5729398
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.