Süddeutsche Zeitung

Nachhaltige Bademode:Guter Stoff für den Strand

Bademode sagt viel über den Zeitgeist aus - gerade ist Nachhaltigkeit mindestens so wichtig wie Leichtigkeit. Über die ewige Frage, was wir am Meer tragen sollen.

Von Anne Goebel

Vor gut einer Woche hat Demi Moore ein Bild auf Instagram gepostet, das die Schauspielerin mit ihren drei Töchtern in den Hamptons zeigt, alle im Badeanzug. Das Foto sieht selbstverständlich beneidenswert aus, vier Frauen mit Topfigur, abgesehen davon, dass allein die Namen der Töchter Rumer Glenn, Tallulah Belle und Scout LaRue ein Wahnsinn sind. Massenweise Likes, großes Geraune auf Social Media über die offenkundig in den Genen liegende und, im Fall der Mutter, alterslose Wohlgestalt. Aber was dieses Bild vor allem transportiert, ist eine Sehnsucht nach Leichtigkeit. Einfach alle Kleidung abwerfen, rein in die Schwimmsachen und einen Tag ohne Sorgen verbringen: Das ist das große und natürlich unhaltbare Versprechen des Badeanzugs. Ganz egal, welcher Körper darin steckt.

Vielleicht ist Mareen Burk deshalb beim Gespräch so gut gelaunt. Sie verkauft, wenn man so will, Träume - von Freiheit, von Sand, Wind und Sonnenuntergängen am Wasser. Die Hamburgerin ist Inhaberin des Labels Mymarini für nachhaltige Bademode, und auch wenn der Umweltgedanke für sie zentral ist, geht es um die alte Wunschvorstellung eines niemals endenden Ferientags. "Klar ist ein Badeanzug oder Bikini ein total positives Produkt", sagt sie. "Das macht meinen Job ja so toll." Schließlich ist sie selbst über die Liebe zum Wasser auf die Idee gekommen, sich mit einer Swimwear-Marke selbständig zu machen. Als nach dem Reaktorunfall von Fukushima 2011 eine Geschäftsreise nach Japan abgesagt wurde, buchte die Marketingspezialistin stattdessen spontan einen Surfkurs in Portugal. Woraus am Ende ihre Geschäftsidee wurde: Schlicht geschnittene Ein- und Zweiteiler für den Strand, die gut aussehen, lange halten, die Umwelt möglichst wenig belasten. Inzwischen sind die Entwürfe aus Hamburg europaweit in 70 Läden zu haben.

Die Models sind keine "Baywatch"-Klone, zum Glück

Eine unschlagbar gute Gründungsgeschichte, und Spuren davon stecken bis heute in den Shootings der 2013 gegründeten Firma. Die aktuelle Sommerkampagne zum Beispiel, Surferinnen im Gegenlicht, Dünengras, ein Pool unter Korkeichen - wer wollte nicht solche Tage verbringen, am besten möglichst viele davon? Dass die Models keine "Baywatch"-Klone sind, sondern mit ihren kleinen Schönheitsfehlern wie normale Frauen aussehen, macht die Verlockung umso größer. Genau mit dieser Optik arbeiten viele, gerade jüngere Labels, ob es Chlore aus Frankreich ist, Lilliput & Felix aus London oder die Österreicher von Poleit. Die Fotostrecken wirken wie Momentaufnahmen aus einem entspannten, wärmedurchfluteten Sommer am Atlantik, auf Sardinien oder im Freibad. Die Botschaft: Kaufe eines von unseren Teilen, und du legst alle Schwere des Alltags ab.

Schließlich ist das die Urfunktion der Mode, für eine Weile in eine neue Rolle zu schlüpfen. Und kein anderes Kleidungsstück weckt mit einer so kleinen Menge Stoff die große Illusion eines ganz anderen Daseins - den Gezeiten ausgesetzt, nah an der Natur, weit weg von Zwängen. Diese Erwartung kommt samt Bikini und Badehose jedes Mal mit in den Koffer. In aller Regel wird dann zwar aus der Griechenland-Urlauberin keine Aussteigerin auf den Spuren der Althippies und aus dem Mittelmeersegler kein Robinson Crusoe. Aber zwei wonnig entblößte Wochen lang konnte man immerhin so tun, als stelle man sich ernsthaft die Frage: Wie wäre es, einfach zu bleiben?

Der Gegensatz zwischen temporärem Lockerlassen und strikter Kleiderordnung kann allerdings schnell verkrampft aussehen. In Frankreich ist gerade das Buch "L'Élysée à la plage" erschienen, der Élysée-Palast am Strand, mit Fotos urlaubender Staatspräsidenten. Meistens machen sie einen angestrengten Eindruck, weil auch ein président mit Badetuch eben doch Valéry Giscard d'Estaing bleibt oder Jacques Chirac. Letzterer spazierte 1995 in gestreiften Shorts, Straßenschuhen und dunklen Socken über einen Weg mit Natursteinmauer an der Riviera, ein erstaunlich unvorteilhafter Auftritt. Und die Aufnahme von Carla Bruni Sarkozy auf einer türkisgrünen Schwimmnudel hat auch nichts wirklich Zwangloses. So wahr es ist, dass Badekluft für den alten Traum vom süßen Nichtstun steht - sie kann auch entzaubernd wirken.

Das Ziel ist ein meerwasserreines Gewissen

Inzwischen ist die Suche nach dem richtigen Modell (Beinausschnitt bis auf Nabelhöhe? Oder diese raffinierten Wickelträger?) längst auch zu einer ethischen Frage geworden. Ob Bikini, ein sogenanntes One-Piece oder Shorts für Männer, das Material ist fast immer Kunststoff. Und der verträgt sich mit einem halbwegs verantwortungsvollen Bad im Salzwasser nun mal besonders schlecht. Schließlich ist die Vermüllung der Ozeane eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. So dankbar man andererseits sein kann, dass die Epoche der tropfnassen Einteiler aus Baumwolle schon lange vorbei ist, man muss sich nur Fotos der furchtlosen Badeanzug-Pionierin Annette Kellerman ansehen. Zu schweres Material, zu viel Stoff, und so etwas galt vor hundert Jahren noch als anrüchig, bevor schrittweise mehr nackte Haut am Strand toleriert wurde. Die Rückkehr zum Naturgarn war also keine Option, stattdessen boomen Entwürfe aus recycelten Chemiefasern, gewonnen durch die Wiederverwertung von Plastikabfall. Ob Madame Figaro, Harper's Bazaar oder die grüne Ratgeber-Plattform Utopia, kaum ein Magazin, das zu Beginn des Sommers nicht die schicksten Marken für ein meerwasserreines Gewissen auflistet.

Mareen Burk, die Pionierin von Mymarini, freut sich über den Zuwachs, schließlich gehe es um die gute Sache. "Seit wir vor acht Jahren anfingen, ist der Markt unglaublich gewachsen", sagt sie. Ob Bower Swimwear aus Großbritannien, Halla x Halla mit Sitz in Helsinki oder das französische Label Vanessa Sposi: Nichts scheint leichter zu sein, als mit dem Kauf der richtigen Badesachen ein bisschen die Welt zu retten, jedenfalls wird das von den meisten Firmen so suggeriert. Der Großteil verwendet Econyl als Grundstoff, ein recyceltes Nylon des italienischen Herstellers Aquafil. Das Unternehmen aus dem Trentino hat mit der Entwicklung des hochwertigen Materials eine Erfolgsgeschichte gelandet, allerdings wird sie von den weiterverarbeitenden Marken manchmal arg geschönt. Mit einem Bikini Delfinbabys bewahren vor dem Tod in Geisternetzen? Tatsächlich machen die berüchtigten herrenlosen Fischernetze nur einen kleinen Teil des Plastikabfalls aus, der in Econyl steckt. Einen größeren Anteil haben Netze aus Aquakulturen sowie Überschüsse von Teppichherstellern.

Auch Sofie Andersson gehört mit ihrem Berliner Label Anekdot zu den jungen Bademode-Marken. Klassische Schnitte, softes Recycling-Material und verschiedene Passformen, "die jeder Frau das Gefühl geben, sich am Strand frei und wohl in ihrem Körper zu fühlen", so beschreibt die gebürtige Schwedin ihre Entwürfe. Die alte Sehnsuchtsgeschichte also. Wobei, fügt Andersson an, eine Sache gebe es dann doch ganz pragmatisch zu beachten. Bitte die Teile nach jedem Bad in Süßwasser ausspülen!

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5353252
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/chrm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.