"Anziehsache" zu Tierprint:Tiger im Schrank

"Anziehsache" zu Tierprint: Entdecke den Tiger an dir!

Entdecke den Tiger an dir!

(Foto: Illustration: Jessy Asmus/SZ.de)

Bei aller Liebe zur Auffälligkeit: Leo-, Tiger- oder Pumamuster, obgleich wieder im Trend, lassen sich einfach nicht tragen. Nicht mal ironisch.

Von Lena Jakat

In der beschaulichen Straße, in der ich aufgewachsen bin, steht zwischen all den Doppelhäusern eine hellgelbe Villa. Manche würden vielleicht von einem etwas größeren Haus sprechen, aber für mich war es immer eine Villa. Genau wie das Lego-Wilderness-Set in meinem achtjährigen Kopf zum Inbegriff von Abenteuer wurde, so stand die gelbe Villa für Luxus und Reichtum. Ich war überzeugt, dass das Leben in diesem Haus ein einziges Fest war, ein Rausch aus Perlenketten, Kronleuchtern, Pralinen und teurem Parfüm.

Weil in dem Haus ein Mädchen in meinem Alter wohnte, traf diese Fantasie irgendwann auf die Realität. Ich war zum Spielen in die Villa eingeladen worden und erblickte: zwei lebensgroße Porzellan-Leoparden. Mit stechendem Blick und irgendwie arrogant thronten die Hochglanzviecher im Eingangsbereich. Ein bisschen unheimlich, aber vor allem unheimlich hässlich.

Diese Porzellan-Leoparden haben mich nicht nur gelehrt, die Beziehung zwischen Geld und Geschmack differenziert zu betrachten. Sie prägen bis heute mein Verhältnis zu allem Leopardigen. Es ist ein ziemlich schlechtes Verhältnis, wie ich gerade erneut feststellen muss, da Leo wieder total en vogue ist.

Wildtierprints waren bei vielen der kürzlich vorgestellten "Resort Collections" ein prägendes Element, was irgendwie passt, schließlich wurden diese Zwischenkollektionen ja angeblich erdacht, damit Gutbetuchte im Winter nicht mit den alten Sommerklamotten in die Wärme reisen müssen. Aber leider sind Leoparden-, Tiger und Pumamuster auch außerhalb von karibischen Privatinseln und mexikanischen Luxusresorts anzutreffen. Auf Instagram und Onlineshopseiten regieren die Wildtiere. Kate Moss ließ sich kürzlich in einem Mantel mit Leopardenprint erst beim Ausgehen fotografieren und dann, ein paar Stunden später, auf dem Weg zu einem Shooting. Prompt wurde der Leo-Mantel zum Basic des Herbstes ausgerufen. Gleichermaßen glamourös und leger! So alltagstauglich! Was könnte es Besseres geben!

Puh. Ich bin in modischen Dingen wirklich nicht für Zurückhaltung, aber diesem Leopardenkram kann ich einfach nichts abgewinnen. Er ist und bleibt ordinär. Als Mantel, als Sofadecke oder Schuh oder Herrenunterhose. Überhaupt, Leoparden-Reizwäsche! Auch wenn ich mich ernsthaft bemühe, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass irgendjemand solche Tarzan- und Jane-Höschen ernsthaft erotisch findet. Aber vielleicht spricht hier auch mein Porzellanfigurentrauma.

Kolumne Anziehsache

In ihrer Stilkolumne widmet sich unsere Autorin regelmäßig einer aktuellen Auffälligkeit aus der Modewelt - von A wie Adilette bis Z wie Zebraprint. Haben Sie eine Anregung? Dann schreiben Sie ihr!

Gegen echte Pelze in der Mode, ob von Leopard oder Nerz, gibt es viele gute Argumente. Aber zumindest sind Naturpelze ehrlich in ihrer archaischen Dekadenz. Sie sagen: Dieses Tier hat für mein Vergnügen sein Leben gegeben. Pelzmäntel sind Jagdtrophäen im modernen Wettbewerb um Geld und Status. Sie offenbaren menschliche Abgründe. Ein Kunstfasermantel mit aufgedrucktem Leopardenmuster offenbart: nichts. Er bleibt das Outfit des Höhlenmenschen, der es nicht geschafft hat, die Raubkatze zu erlegen, oder der sich nicht getraut hat. Und der nicht darüber hinwegtäuschen kann, so verzweifelt er sein Fellchen auch gelb, beige und schwarz anpinseln mag. Es ist, als würde jemand auf seinen Daihatsu einen Mercedes-Stern malen.

Nun leben wir ja im Zeitalter der Ironie und viel Schreckliches und Spießiges wird durch die sarkastische Überhöhung plötzlich cool. Graues Haar, Hamburger, Badeschuhe aus Plastik. Wildtierprints dagegen sind so plump und obszön, dass sie sich sogar der Ironisierung entziehen.

Ich habe mir jetzt einen 90 Zentimeter großen Kunststoff-Flamingo ins Wohnzimmer gestellt.

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