Süddeutsche Zeitung

Anziehsache zu Overknee-Stiefeln:Ich geh als Lampenschirm

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Die neuen Overknee-Stiefel fressen bei kleinen Menschen die Beine auf. Der Trend ist insgesamt schwierig. Rettung könnte der Lampenschirm bringen.

Stilkolumne von Lena Jakat

"Dafür bist du einfach zu klein." Alle Kinder der Welt kämpfen gegen diesen Satz. Fünfjährige freuen sich auf den achten Geburtstag, Zehnjährige auf den 14., Teenager auf den 18.. Auf den Moment, wenn endlich niemand mehr sagen kann: "Dafür bist zu klein." Es gibt allerdings Menschen wie mich, die diesen Satz auch mit 31 noch zu hören kriegen. Modisch interessierte Menschen, die gerne bodenlange Kleider tragen würden , Schlaghosen oder Midiröcke. Denen die modisch versierte Freundin durch den Umkleide-Vorhang hindurch dann aber entgegenhält: "Dafür bist du einfach zu klein".

Aktuelles Beispiel dieser Kategorie: der Overknee-Stiefel. Raf Simons hatte ihn bei Dior schon in seiner Frühjahr-Sommer-Kollektion 2015 aufgegriffen, in der laufenden Saison finden sich die Endlosschäfte in den Programmen so gut wie aller großen Häuser. Leuchtend in Lack bei Versace, sportlich in Stepp bei Moschino, Overknees bei Burberry, bei Calvin Klein und Marc Jacobs. Die Modemaschine sorgt dafür, dass der Trend vom Laufsteg in den Fußgängerzonen für alle zu haben ist. Für alle, außer für mich.

Die langen Schäfte fressen die ohnehin nicht ganz so langen Beine auf, lassen sie fast vollständig verschwinden. Fairerweise muss gesagt werden, dass es der Overknee-Stiefel niemandem so richtig leicht macht, egal wie lang die Beine sind. Denn während es für Frauen, anders als für Männer, fraglos akzeptabel ist, Stiefel fast jeder Form und Farbe zu tragen, bilden die Overknee-Stiefel die Ausnahme von der Regel. Sie können aus Haute-Couture-Ateliers stammen, sie können 2900 Euro kosten wie dieser von Givenchy. Sie können aus herbstfarbenem Wildleder gemacht sein wie dieser, sie können fast ganz auf den Absatz verzichten. An Overknee-Stiefeln bleibt immer der Verdacht der Liederlichkeit kleben. Die Assoziation mit dem Filmplakat zu Pretty Woman dürfte noch die harmloseste sein. Für viele gelten die langen Stiefel als Rotlicht-Uniform schlechthin.

Der Trend geht zum Lampenschirm

Um die Dinger dennoch alltagstauglich zu machen, werden sie neuerdings zu einem Trend kombiniert, der seinen Namen einem der unerotischsten Gegenstände überhaupt verdankt: dem Lampenschirm. Klingt nach Spitzendeckchen, nach Sofazierkissen, nach Biedermeier-Wohnzimmern.

Was aber haben Lampenschirme mit Overknee-Stiefeln und Julia Roberts zu tun? Lampshading bezeichnet die Kombination von hohen Stiefeln (der Lampenfuß) zu übergroßen, unförmigen Oberteilen (der Lampenschirm). Und dazwischen blitzt ein bisschen Bein (der Kurzschluss). Die Rechnung geht so: Oben Couchkartoffel plus unten Pretty Woman, ergibt in Summe ein erträgliches Maß an Sexiness.

Menschen, die im Überschwang solche XXL-Stiefel erworben haben und nun zaudern, sie tatsächlich auf der Straße zu tragen, bleibt zum Glück immer noch eine Alternative: Hängen Sie sie einfach über Ihren Kamin! In diese Dinger kriegt der Weihnachtsmann nämlich richtig viel rein, viel mehr als in gewöhnliche Stiefel. Und für Geschenke ist man bekanntlich nie zu groß.

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