Haben & Sein:Maschenfein auf die Welle

Lesezeit: 3 Min.

(Foto: Allude)

Eiskalter Kaschmir, die Outdoorjacke schlechthin, ein neuer Gravelschuh und ein großes Dankeschön an den Meister des Crafts-Porn – die Stilnews der Woche.

Von Anne Goebel, Tanja Rest, Max Scharnigg, Silke Wichert

Zum Durchtauchen

Cashmere und Wasser, das klingt für viele nach einer problematischen Kombination. Es fängt schon mit einfachen Fragen an: Darf man die kostbare Faser, gewonnen aus dem Haar mongolischer Ziegen, überhaupt waschen? Etwa in der Maschine? (Antwort in beiden Fällen: Ja, es sollte halt auf keinen Fall das rustikale Baumwoll-Schleuderprogramm sein). Das Münchner Label Allude hat jetzt sogar die gesamte Frühjahrskollektion gebadet: Für das Shooting der neuen Kampagne hat sich eine Gruppe Eisbach-Surfer, vom Rest der Stadt und allen Touristen tagtäglich für ihre Coolness bewundert, gestrickte Ringelpullis oder Cargohosen übergezogen und in die berühmte kaltgrüne Welle gestürzt. Zu den Entwürfen, soeben unter dem Titel „Allude x Eisbach“ lanciert, gehören Sporttops, Shorts oder gemusterte Cardigans, die auch beim Ufer- oder Stadtspaziergang gut aussehen.

(Foto: Altra)

Zum Davonlaufen

Zwei hochspezialisierte kleine Marken setzen sich diesem Frühling mit einer interessanten Kollaboration gemeinsam in Bewegung. „Altra“ aus Utah hat sich vor einigen Jahren auf besonderes hochwertige Laufschuhe fokussiert, die vor allem durch die großzügige Form ihres Zehenraums auffallen – damit soll dem Fuß maximal viel Platz gegeben werden. Die Schuhexpertise aus den USA wurde mit der stilvollen Outdoorphilosophie von „And Wander“ vermählt. Die japanische Marke wurde 2011 von zwei damaligen Designern des Kultlabels Issey Miyake 2011 gegründet, um mit Hi-Tech-Materialien funktional-modische Jacken und andere Outdoor-Wear anzubieten, die dann natürlich umgehend im urbanen Hipster-Kontext getragen wurde. Das gemeinsame Projekt der beiden Underdogs hört nun auf den Namen Timp 5 BOA® und ist ein All-Terrain und Trailrunning-Schuh, vielleicht könnte man auch Gravel-Schuh dazu sagen. Jedenfalls soll er die unbeschwerte Leichtigkeit eines Laufschuhs und die Stabilität und Griffigkeit eines Wanderschuhs in sich vereinen und mit innovativen Features geeignet für Stadt, Land, Fluss sein. Mit gerade mal 280 Gramm Gewicht in der Herrenversion, schnelltrocknendem Air-Mesh-Material, futuristischer BOA-Schnürung und Vibram-Sohle klingt der Schuh jedenfalls nach einem sehr guten Sommerbegleiter, der dank seines dezent grau-schwarzen Designs auch nicht zu auffällig „Funktionsmode!“ schreit.

(Foto: The North Face)

Zum Aufsteigen

Im Berg- und Funktionstextilbereich ist zurzeit ordentlich was los - einmal kurz nicht hingeschaut, schon sind wieder fünf neue Labels am Start. Dazu verhält sich The North Face wie die Erstdurchsteigung der Eigernordwand zur soundsovielten Bohrhakenroute am Sella-Massiv, ein absoluter Klassiker halt. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1966 in San Francisco, und wer jetzt nachrechnet, wird feststellen: Aha, da steht demnächst wieder ein rundes Jubiläum an. Nicht ganz so alt, aber immerhin auch schon seit vier Jahrzehnten dabei, ist das Mountain Jacket der Kalifornier. Ursprünglich entwickelt, um Skifahrer und Kletterinnen vor extremen Bedingungen zu schätzen, gilt es inzwischen als absoluter Allrounder: Am Berg insgesamt niemals verkehrt. Das Design wurde über die Jahre beständig weiterentwickelt, es kamen klettergerechte Taschen und moderne High-Tech-Materialien hinzu. Kollaborationen gab es selbstverständlich auch schon, etwa mit Supreme oder MM6 Maison Margiela. Und nun eben die Jubiläumsausgabe: das Mountain Jacket Dryvent Mono sowie das Mountain Jacket Gore-Tex, jeweils wasserdicht und nahtversiegelt, mit vielen alpinpraktischen Details. Gesicht der Kampagne ist die Popsängerin Griff, deren Debütalbum „Vertigo“ 2024 gefeiert wurde. Ihr stehen mit dem Snowboarder Blake Paul und Freeride-Skifahrer Dennis Ranalter zwei Athleten des Hauses zur Seite. Über thenorthface.de,  250 bzw. 450 Euro.

(Foto: Loewe)

Zum Niederknien

Angeblich bedanken wir uns ja viel zu wenig, deshalb sagen wir jetzt mal ganz laut „Cheers!“ beziehungweise „Gracias!, Jonathan Anderson!“ Dass der nordirische Designer nach elf Jahren bei Loewe aufhört, war längst bekannt, wo er innerhalb der LVMH-Gruppe hinwechselt - D-I-O-R-? - ist ebenfalls ein offenes Geheimnis. Diese Woche wurde immerhin schon mal ersteres offiziell bekanntgegeben, woraufhin das Netz wehmütig mit seinen Entwürfen für die spanische Luxusmarke geflutet wurde. Tatsächlich hat der Mann mit seiner Arbeit viele Menschen glücklich gemacht.

Selbst wer sich die mantequillaweichen Taschen wie Puzzle oder Squeeze nicht leisten konnte, war immer wieder zunächst verstört, dann tief beeindruckt, wie viel kreative Ideen der Mann in eine Kollektion packen konnte. Die Interviews nach seinen Shows klingen wie der Stream of Consciousness eines leicht zerstreuten Professors, der einfach mal so runterrasselt, was ihm zuletzt so durch den Kopf ging (viel), und wie das dann in moderne Krinolinenröcken oder Anthurien-Tops mündete (toll). Handwerklich war das irre hochwertig gemacht, erstarrte aber nie in leicht biederer Schönheit, sondern sah unbedingt auch sexy aus, also die bessere Version von Crafts-Porn. Was uns ebenfalls fehlen wird: Sein Gespür für Kampagnen mit den immer richtigen Leuten – Taylor Russell, Maggie Smith, Josh O'Connor. Aber vielleicht darf er das ja in seinem nächsten Job auch ausleben.

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