Süddeutsche Zeitung

Afrikanische Mode auf der New York Fashion Week:Abschied vom Ethno-Kitsch

Das Label Maki Oh zeigt auf der New Yorker Fashion Week erstmals, was Afrikaner unter afrikanischer Mode verstehen - und wie sehr westliche Designer mit Leopardenprints und Wachsstoffen danebenlagen.

Von Mareike Nieberding

Einfach mal hinfahren, rumreisen, sich wild inspirieren lassen, das Ursprüngliche suchen und dann mit Trommelwirbeln im Herzen und einem Rausch aus Mustern und Farben im Kopf zurück ins Atelier - so ungefähr haben die großen Designer es bislang mit dem Afrika-Trend gehalten. Und so haben sie ihn auf den großen Schauen in Paris, London und New York auch inszeniert: ein bisschen Zebra bei Dior, Wachs-Stoffe bei Burberry Prorsum, sogar die Minimalisten von Céline nähten Leo an Mantelsäume und druckten Palmwedel auf Kleider. Afrika spielte in der Mode bislang vor allem als Zitat eine Rolle. Ein Stil in Anführungszeichen, aus dem Kontext gerissen, so oft kopiert, dass meist kein Urheber mehr zu ermitteln war.

Dass Afrikaner selbst Mode machen und ihr Design meist ganz anders aussieht als die Tribal-Schablone in den Köpfen vieler Westler, wird indes gern vergessen. Dabei ist Afrika das nächste große Ding - wie nicht nur Suzy Menkes von der International Herald Tribune vorhersagt, die einflussreichste Modekritikerin der Welt: "Afrikas Luxusindustrie befindet sich trotz der Probleme in vielen Regionen an einem Scheitelpunkt", dozierte Menkes bereits im vergangenen Jahr auf einer Konferenz zum Thema "Das Versprechen Afrika". In politisch stabilen Ländern werde längst produziert und endlich gebe es auch eine kaufkräftige Mittelschicht, die konsumiert.

Wie ernst es New York mit dem wirklichen Afrika ist, wird sich auch auf der Fashion Week zeigen, die an diesem Donnerstag eröffnet. Dort hat die Nigerianerin Amaka Osakwe erstmals eine eigene Show. Die Designerin betreibt ihr Label Maki Oh in Nigerias Hauptstadt Lagos, Osakwes Heimat. Und die Vorschusslorbeeren für die 26-Jährige sind in Amerika ungewöhnlich groß.

Kleidung für die First Lady

Noch bevor die Kollektion überhaupt auf dem Laufsteg zu sehen ist, kann man in den großen Modemagazinen von der neuen "Maki-Ohness" lesen, was - breit amerikanisch ausgesprochen - ja auch ein wenig wie "Jackie-O.-ness", also nach maximaler Eleganz klingt. Und so ist es ausgerechnet Amerikas First Lady und Stilikone Michelle Obama, die schon Werbung für Maki Oh gemacht hat: Auf dem jüngsten Staatsbesuch in Südafrika trug sie eine Bluse des Labels. Weiterer Zuspruch kam von der Hip-Hop-Künstlerin Azealia Banks, die derzeit einen Tweet nach dem anderen absetzt, in dem sie Maki Oh beschreit.

Bisher hat Amaka Osakwe nur auf der Modewoche in Lagos und auf der Überblicksschau "African Icons" gezeigt, die das afrikanische Modemagazin Arise seit 2012 in New York veranstaltet. Doch Lagos ist für viele Modemenschen weit weg und "African Icons" eine Überblicksschau, die Einkäuferinnen von ihren Assistenten abzeichnen lassen. Die Millionenbudgets, die dieser Tage aus den It-Bags purzeln, werden nicht in Afrika verplant. Noch nicht.

Die Mode von Amaka Osakwe jedenfalls hat mit dem üblichen Ethno-Kitsch nichts mehr zu tun. Ihr Label Maki Oh hat die 26-Jährige 2010 gegründet, kurz nachdem sie ihren Bachelor in Modedesign im britischen Bournemouth abgeschlossen hatte. Und die Geradlinigkeit ihres Stils darf man nicht nur als Angebot an die westliche Modewelt, sondern vor allem an Afrikas wachsende Mittelschicht und an die erste Generation junger Akademiker nach dem Ende der Apartheid verstehen. Klar und ohne Schnörkel schneidert sie taillierte Bleistiftröcke und hochgeschlossene Oberteile. Ein bodenlanges weißes Kleid aus der vorigen Herbstkollektion ist so einfach, mit Rundhalsausschnitt und langen Ärmeln, als hätte sie dem Model nur schnell ein dünnes Bettlaken um den Körper gezurrt.

Afrikanische Handarbeit trifft auf den Stil von Pina Bausch

Osakwes Afrika steckt dabei nicht nur in ihren Mustern, sondern vor allem in den Produktionsverfahren. Denn "die Wachs-Stoffe, die alle Welt für afrikanisch hält, kommen eigentlich aus den Niederlanden", beklagt sie. Niederländische Tuchhändler brachten die wild gemusterten Stoffe Ende des 19. Jahrhunderts nach Afrika. Ein Relikt der Kolonialzeit, das heute für die Mode eines ganzen Kontinents steht. Dagegen will sich Osakwe behaupten und belebt die Bekleidungstraditionen ihres eigenen Volkes, der Yoruba. Die Stücke werden in Nigeria mit den Blättern der Indigopflanze handgefärbt, afrikanisch ist die Machart, derweil ihre Entwürfe oft einfarbig sind. Manche Teile bemalt die Königin des Dorfs Ogidi allerdings per Hand mit traditionellen Mustern und erzählt so ganze Geschichten in einem Outfit. Das Zusammenspiel von Farbe, Motiv und Verzierung diente den Yoruba als Kommunikationsmittel. Gleichzeitig lässt sich Osakwe von der deutschen Tänzerin Pina Bausch oder der Kunst Cy Twomblys inspirieren.

Sie formuliert in ihrer Mode aus, was viele afrikanische Designer bisher nur andeuten: Tradition als Möglichkeit, nicht als Verkaufsargument. Bei Maki Oh kommt vieles zusammen - modernes Design, Storytelling, regionale Produktion und internationale Kunden. Doch bisher kann man Maki Oh im Ausland nur in einem Geschäft in New York kaufen. Ein generelles Problem der afrikanischen Mode. Während Investoren und Textilunternehmer Afrika als Produktionsstandort entdecken, fragt sich der Kunde: Wo gibt es das Zeug? Bisher fast nirgends. Und erst recht nicht online.

Diese Nische will jetzt Samuel Mensah, 37, aus Ghana besetzen. Er gründete Kisua, den ersten Onlineshop, der von Oktober an weltweit afrikanische Mode verkauft. Und das ganz ohne eine Vivienne Westwood, die sich in theatralischer Ironie auf einem Müllberg in Nairobi inszeniert, nur weil sie dort ein paar Handtaschen zu fairen Löhnen hat produzieren lassen. Kein Händchenhalten, kein Kopftätscheln, kein Geld aus Europa oder den USA.

Aber Kisua ist kein Sozialprojekt. Mensah war jahrelang Investmentspezialist bei Intel Capital, er hat einen Abschluss aus Oxford, und er will Geld verdienen. Der Shop bietet daher nicht einfach die Kollektionen afrikanischer Designer an, sondern beschäftigt ein Designteam, das mit den Teilnehmern jede Saison eine Sonderkollektion entwickelt, die nach Kisuas Maßstäben marktkompatibel ist. Der Einfluss auf die Designer ist groß, dafür müssen die sich nicht an den Kosten beteiligen. An jedem verkauften Teil verdienen sie durchschnittlich zwar nur vier Prozent. Doch die afrikanische Mode spricht jetzt für sich selbst.

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SZ vom 05.09.2013/cam
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