75. Geburtstag:Punk ist tot - lang lebe Vivienne Westwood!

Die britische Designerin wird 75 - und gilt noch immer als "Queen of Punk". Dabei hat sie Wichtigeres zu tun.

Violetta Simon

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(Foto: dpa)

Sie hat den Durchblick - schon immer gehabt. Sie ist witzig, unberechenbar und hat dennoch immer ein Ziel vor Augen. Punk ist tot? Mag sein, doch Vivienne Westwood scheint lebendiger denn je. Ein Rückblick auf 75 Jahre, die wenig glamourös begannen, stets politisch waren und auch mit grauem Haar noch Spaß machen.

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Als Vivienne Isabel Swire am 8. April 1941 in der mittelenglischen Kleinstadt Glossop auf die Welt kam, hatte sie gute Voraussetzungen für eine Modekarriere: Ihre Mutter arbeitete als Weberin, ihr Vater kam aus einer Schuhmacherfamilie. Die junge Frau schaffte es an die Harrow Art School. Weil für die Arbeitertochter jedoch eine Zukunft in einem kreativen Beruf unvorstellbar erschien, verließ sie nach nur einem Semester die Modeschule und wurde 1961 Lehrerin an einer Grundschule in London. Sie heiratete den Werkzeugmacher Derek Westwood und bekam einen Sohn. (Foto: Westwood in Paris, Oktober 2009)

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Ein gewisser Malcom McLaren, den sie über ihren Bruder kennenlernte, veränderte ihr Leben. Der spätere Manager der Punkgruppe Sex Pistols wurde der Vater ihres zweiten Sohnes. In der Beziehung zu dem Künstler - von ihrem damaligen Mann hatte sich Westwood 1966 scheiden lassen - begann sie, sich wieder mit Mode auseinanderzusetzen. Sie nähte Kleidung für ihre beiden Söhne, brachte sich das Handwerk bei, indem sie Nähte gekaufter Kleider auftrennte, um die Schnitte zu verstehen. 1971 eröffnete sie mit McLaren und Patrick Casey in der King's Road den Modeladen "Let it rock at Paradise Garage". (Foto: London Fashion Week, 2010)

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Die Boutique bediente hauptsächlich Teds - McLaren verachtete die damals übliche Flower-Power-Mode und trug ausschließlich Teddyboy-Anzüge. Doch schon bald hatte Westwood genug von den zunehmend rassistischen und frauenfeindlichen Ansichten der Szene. 1973 eröffnete sie die Boutique unter neuem Namen: "Too Fast To Live, Too Young To Die", eine Hommage an James Dean. 1974 änderte sie den Namen erneut: in "Sex". Westwood experimentierte mit Fetischkleidung und S&M-Artikeln, schneiderte Motto-Shirts und initiierte schließlich den Punk-Look, der sie berühmt machte. (Foto: Westwood in Paris, Oktober 2009)

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Sie verarbeitete nicht nur Sicherheitsnadeln, Rasierklingen und Fahrradketten, sondern auch Organisches wie Hühnerknochen. Für die Band ihres Lebensgefährten schneiderte sie Sado-Maso-Kostüme. Der Plan ging auf: Schon bald ließen sich Gaultier und Versace von der Autodidaktin inspirieren, Westwood wurde als "Queen of Punk" bekannt. (Foto: Westwood eröffnet eine Retrospektive ihrer Mode in Düsseldorf, Mai 2006)

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1981 war es soweit: Westwood präsentierte unter dem Titel "Pirates" ihre erste professionelle Kollektion, die berühmte Piraten-Kollektion, mit der sie sich von der Punkszene löste, bevor diese zum Mainstream verschwamm. McLarens und Westwoods Ansichten darüber, was revolutionär war, gingen von nun an immer mehr auseinander. "Ich bin ein Mensch, der sich die Dinge genau ansieht", sagte sie 2006 in einem Interview. "Malcolm ist viel oberflächlicher." Ihm sei es vor allem darum gegangen, Ärger zu machen. Die Zusammenarbeit endete nach 15 Jahren, genau wie die Beziehung. (Foto: Westwood in Paris, Oktober 2007)

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(Foto: DPA/DPAWEB)

Im Dezember 1992 wurde Westwood zum "Offizier des britischen Empire" ernannt. Das frisch gekürte Ordensmitglied schwang den edlen Rock und ließ sich - ohne Slip unter der Nylonstrumpfhose - vor dem Kensington-Palast in London ablichten. Später erklärte die Designerin in einem Interview, dass es sich nicht um Provokation, sondern um ein Versehen gehandelt habe: "Ich schwenkte meinen Rock für die Fotografen, um zu demonstrieren, wie toll das Material fällt. Die ermutigten mich, ihn immer höher zu raffen und, nun ja". Immerhin, die Queen soll laut Westwood "very amused" gewesen sein.

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(Foto: AP)

Dafür hätte man sie im Mittelalter wohl verbrannt: Wenn es um untragbare Mode geht, scheint Westwood der Teufel zu reiten. Immer wieder erfindet sich die exzentrische Designerin neu. Nach Teds, Punk, Fetischtrend und Piratenlook frönte Westwood zunächst dem Rokoko-Stil und erfand schließlich ein eigenes Karomuster, das sie sich sogar patentieren ließ: "Mac Andreas". (Foto: Westwood im Metropolitan Museum in New York, Mai 2006)

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(Foto: Getty Images)

Im April 2010 stirbt McLaren im Alter von 64 Jahren an Krebs. Zur Beerdigung erscheint die Designerin mit einem vielsagenden Stirnband. Schon länger tot war für sie hingegen das Thema Punk. Als ewige Rebellin in Erinnerung zu bleiben, kam für Westwood nicht in Frage. "Ich habe Besseres zu tun, als alten Ideen nachzuhängen. Punk war für mich eine reine Fingerübung", erklärte sie in einem Interview. Ihr Motiv: herauszufinden, wie sehr man die Verhältnisse ändern kann, indem man das System attackiert.

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(Foto: AFP)

Was blieb, war die Erkenntnis, dass man selbst als ewiger Rebell irgendwann langweilig ist: "Man ändert gar nichts, zumindest nicht durch T-Shirts mit pauschalen Phrasen", erklärte Westwood in einem Interview mit dem Stern. Dadurch würde man das Establishment nicht schocken, sondern es eher noch füttern. 2005 entwarf die Modemacherin T-Shirts für die Menschenrechtsorganisation "Liberty" als Antwort auf die Anti-Terror-Kampagnen der Regierungin London. (Foto: Westwood in einem "Fashion for Liberty"-Shirt, September 2005)

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(Foto: AFP)

Mittlerweile hat sich die einstige "Queen des Punk" mit dem Establishment versöhnt: Knapp 13 Jahre, bis zum Juli 2005, lehrte Westwood als Professorin an der Berliner Hochschule der Künste. Sie habe die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher immer für deren Stilbewusstsein bewundert, sagt sie - die Aussagen der gefürchteten Vogue-Chefin Anna Wintour über Mode finde sie hingegen einfach "dumm". (Foto: Westwood im Palazzo Reale in Milano, September 2007)

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(Foto: AP)

Im Juni 2006 wurde Vivienne Westwood im Buckingham Palast in den Adelsstand erhoben. In einem Interview mit dem Stern sagt sie, die Auszeichnung habe sie überrascht, aber geehrt. "Ich mag die Queen. Von Präsident Bush hätte ich sicher keinen Orden angenommen."

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(Foto: Reuters)

Auch Vivienne Westwood altert - na und? Ihr zweiter Ehemann, der 25 Jahre jüngere Andreas Kronthaler, ist einer ihrer ehemaligen Wiener Schüler. Eine Ehe mit Bestand: Der Zillertaler und die Designerin sind seit 1993 miteinander verheiratet. (Foto: Westwood und Kronthaler in Tokio, November 2009)

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(Foto: REUTERS)

Auch in der Mode machen sie seit Jahren gemeinsame Sache. 2015 stellten Kronthaler und Westwood ihre erste Unisex-Kollektion vor, in der die Unterschiede zwischen den Geschlechtern komplett aufgehoben wurden: gleiche Schnitte für alle, beim Laufsteg-Schlussbild küsst die Braut in Sakko und Boxershorts einen Bräutigam im Taft-Kleid.

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(Foto: AFP)

Die klassische Westwood-Silhouette (hier ein undatierter Entwurf aus dem Victoria and Albert Museum) wird seit jeher von Prominenten geschätzt. Burlesque-Tänzerin Dita von Teese ließ sich das Brautkleid für ihre Hochzeit mit Rock-Sänger Marilyn Manson von Westwood schneidern. Zeitweise hatte ein Gerücht für Aufregung gesorgt, dass die Britin auch das Hochzeitskleid für Kate Middleton entwerfen würde. Wenn man Westwoods Kommentar richtig interpretiert, hatte Prinz Williams Braut jedoch nicht genug Mut für ihre Kreationen: "Ich hätte wirklich gern Kate Middletons Brautkleid entworfen, aber wir müssen abwarten, bis sie in puncto Styling ein bisschen aufholt", sagte die Designerin damals. (Foto: Westwood-Entwurf, gesehen im "Victoria and Albert Museum" in London, 2004)

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(Foto: Getty Images)

Heute sind die roten Haare weg - Westwood hatte sich 2014 eine Glatze rasieren lassen, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Seit einigen Jahren nutzt Westwood ihre Bekanntheit verstärkt für politische Zwecke wie hier im Kampf gegen das Freihandelsabkommen TTIP. In einem Vegetarismus-Spot posierte sie auch mal nackt unter der Dusche.

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(Foto: dpa)

An der Seite dieses bizarr verkleideten Aktivisten wirkt die Designerin beinahe schon wie eine harmlose alte Lady, die ihrer Empörung über der umstrittenen Ölfördermethode Fracking Luft machen möchte. Im November 2015 fuhr sie mit einem weißen Panzer zum Landsitz des britischen Premiers David Cameron, um gegen die Fracking-Pläne der britischen Regierung zu demonstrieren.

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(Foto: REUTERS)

Nach wie vor nutzt Westwood (hier in einer Bluse mit dem von ihr patentierten Karomuster "Mac Andreas") ihre Schauen für politische Statements. Ihre Mode soll dazu beitragen, die Welt zu retten - wie zum Beispiel ihre aktuelle Herbst/Winter-Kollektion. Unter dem Titel "Climate Revolution" ruft die Designerin dazu auf, die Erderwärmung zu stoppen. Vor allem aber, sich dem Mainstream nicht zu unterwerfen. Eine Vorgabe, die diese Lady auch mit 75 Jahren noch glaubwürdig vorlebt. Punk ist tot - lang lebe Vivienne Westwood!

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