Essen und Trinken:So finden Sie den passenden Wein

Weinbegleitung

Im Restaurant kann man sich helfen lassen, aber zuhause ist es oft schwierig, beim Wein den Durchblick zu behalten.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Zu Hause sein Essen professionell mit Wein zu begleiten, ist viel leichter als gedacht. Hier sind neun Faustregeln, mit denen jeder Hobbykoch auch ein bisschen Sommelier spielen kann.

Von Herbert Stiglmaier

Die Weinauswahl im Restaurant ist schwer genug, doch im Idealfall gerät man dort an einen Sommelier, der niemanden bevormundet und am Ende eine Flasche auf den Tisch stellt, die glücklich macht und zum Essen passt, ohne die Kreditkarte glühen zu lassen. Wie jedoch nimmt man dieses Glück mit nach Hause? Wenn man ein schöneres Essen plant und wieder nicht weiß, welchen Wein man kaufen soll? Hier sind einige Regeln, die sicher nicht alle Probleme lösen, die aber am Ende etwas sicherer machen.

1. Die Zubereitungsart ist wichtiger als die Hauptzutat

Meist gibt nicht das Produkt selbst die Weinauswahl vor, sondern die Methode des Garens. Ein pochiertes Stück Schwertfisch, das von sahniger Sauce umschmeichelt ist, wird zum Beispiel mit einem gehaltvollen Weißburgunder Euphorie auslösen. Der hält mit seiner Fülle und seinem Alkoholgehalt der Crème double in der Sauce stand, zusammen mit dem zurückhaltend gegarten Fisch bilden sie ein geschmacklich ausgewogenes Dreieck. Doch wenn man dasselbe Stück Fisch scharf anbrät und mit Grillgemüse kombiniert, findet es seine Erfüllung am Gaumen viel eher mit einem gerbstoff-betonten Rotwein (etwa Cabernet Sauvignon, Blaufränkisch). Die Brücke zum Rotwein bildet hierbei allein der Garvorgang des Fischs: Beim Anbraten entstehen Röstaromen, die nach einem roten Tropfen verlangen, der seine eigenen Röstnoten aus dem Toasting der Holzfässer bezieht, in denen er gelagert wurde. Passt perfekt.

2. Die Sauce ist wichtiger als die Hauptzutat

Ähnlich stark kann die Begleitung beim selben Typ Fleisch variieren: Ein Rehrücken, der in dunkler Sauce liegt, führt eine geradezu eheähnliche Beziehung mit Rotwein. Ohne die Soße treten aber stärker die süßlichen Noten des Rehrückenfleisches zutage. Nun kann das Reh sogar eine anregende Liaison mit einer Riesling Auslese eingehen. Das lehrt: Die flüssige Beilage ist eine extrem wichtige Variable im Aromenspiel. Vor allem wenn sie neutrale Fleisch-, Fisch- oder Gemüsesorten definiert, die als Leinwand für den Geschmacksfilm dienen.

Weißwein

Facettenreich: Riesling, nicht zu trocken, passt zu Thaicurry und Pasta.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ein gutes Beispiel ist Huhn, das je nach Sauce ganz unterschiedlich begleitet wird. Je nachdem, ob es ein Coq au vin aus dem Burgund ist, der sich gerne an einen Spätburgunder mit mäßigem Tanningehalt schmiegt, oder ein mediterranes Zitronenhuhn mit seinem herausfordernden Säurespiel, das nur durch einen kraftvollen Weißwein wie zum Beispiel Grauburgunder oder Viognier eingefangen werden kann. Eine extreme Herausforderung ist dann scharfes grünes Thaicurry mit Huhn. Was setzt man der Säure der Limetten, dem eigenartigen Auftritt der Nam Pla (Sauce aus fermentiertem Fisch) bloß entgegen?

3. Süße fängt Schärfe ein, trockene Weine forcieren die Schärfe

Das Thaicurry ist die Stunde des deutschen Rieslings. Er kann - bitte unbedingt in einer nicht trockenen Version - mit seiner feinen, rassigen Säure, scharfe asiatische Gerichte, aber auch schlichte italienische Penne all'arrabbiata oder Aglio e Olio perfekt begleiten. Je mehr Schärfe im Spiel ist, desto nachrangiger wird, ob Fleisch oder Fisch auf dem Teller liegt oder wie das Essen überhaupt zubereitet ist. Es entscheidet dann vor allem der Schärfegrad. Von trockenem Wein sollte man absehen, denn der forciert die Schärfe sogar.

4. Süßwein muss süßer sein als die Nachspeise, die er begleiten soll

Es ist alles andere als eine aufregende Partnerschaft, im Gegenteil, Süßwein zur süßen Nachspeise wirkt immer etwas langweilig. Trotzdem scheinen viele genau das zu mögen, auch Sommeliers empfehlen diese Kombination immer wieder. In jedem Fall sollte der begleitende Wein aber süßer sein als das Dessert selbst, sonst wirkt er plötzlich seltsam sauer. Ein gutes Beispiel sind die Mandelkekse (Cantuccini), die in Italien traditionell zu Vin Santo gereicht werden. Vin Santo ist zwar ein Sonderfall, aber nicht ohne Grund sind die Kekse dazu zurückhaltend gesüßt. Ein Ritt auf der Klinge bleibt die Kombination mit Desserts in jedem Fall, denn Süßwein neigt dazu, Speisen zu dominieren, solange er nur über mäßige Säure verfügt. Wer absolut sichergehen will, wählt am besten Käse als Nachspeise und zwar Blauschimmel: Der ist immer noch die Königslösung für Süßwein. Passt zuverlässig!

5. Schwierige Gerichte sollte man in einzelne Komponenten zerlegen

Die Spargelzeit hat begonnen und sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich ein Gericht begleitet werden kann. Weil Spargel ausgeprägte Bitterstoffe enthält, verbieten sich säurereiche Weine, das geht einfach nicht zusammen. Doch danach beginnt die Freiheit und die Frage lautet: Was ist auf dem Teller am wichtigsten? Die Hollandaise? Dann bitte einen fülligen Weißburgunder mit viel Alkohol (siehe Regel eins). Das Kalbsschnitzel daneben? Dann einen Grauburgunder, der auch Röstaromen hat, weil er im getoasteten Holzfass ausgebaut wurde (Regel zwei). Oder die Kräutrigkeit des Spargels? Steirer Winzer würden, weil er aus ihrem Anbaugebiet kommt, ebenfalls sehr vegetabilen Sauvignon blanc empfehlen, fränkische Winzer viel eher Silvaner. Letzteres ist reine Geschmackssache.

Doch gibt es Gerichte, die kaum Spielraum für Diskussionen lassen und selbst Weinkenner vor große Probleme stellen. Zum Beispiel Krautkrapfen, ein urschwäbischer Teller, der es längst auf die Speisenkarten in den Großstädten geschafft hat. Im kulinarischen Kernspin ergibt sich bei den Krautkrapfen folgendes Bild: Da ist der Nudelteig mit seiner Fülle und Sämigkeit aus Mehl, Ei, Wasser und Salz. Er würde nach einem üppigen Wein rufen, egal, ob weiß oder rot. Doch dann kommt das Sauerkraut, mit seiner prägnanten Säure und den kräutrigen Noten, die weintechnisch in eine ganz andere Richtung zeigen. Rotwein ist jetzt raus, denn Gerbstoffe und Säure stoßen frontal zusammen. Und damit nicht genug, denn die Krautkrapfen werden in Butter und Butterschmalz angebraten. Hier kommen die Röstaromen ins Spiel, dazu die nussigen Anklänge der Butter. Als Therapie hilft hier womöglich ein fränkischer Silvaner? Mit seinen feinen Birnennoten, seinem unaufdringlichen Auftritt und der gezügelten Säure ist er eine Art Allheilmittel in schwierigen kulinarischen Fällen. Ebenso wie Champagner.

6. Champagner geht (fast) immer. Er ist ein unterschätzter Begleiter

Ja, diese Regel klingt snobistisch. Tatsache ist aber, dass Champagner - oder auch guter deutscher Winzersekt - nur als Aperitif einfach verschenkt sind. Beide funktionieren hervorragend als Essensbegleiter, je nach Ausbauart in Stahl oder Holz und Zusammensetzung der Rebsorten. Ein Grund für seine Vielseitigkeit ist der komplizierte Gärungsprozess (malolaktische Gärung). Manche Sorten sind spitzer, weil noch die scharfe Apfelsäure dominiert, bei anderen wurde diese bereits weitgehend von der milden Milchsäure abgelöst. Bei fruchtigen und säurebetonten Schaumweinen spielt die feinperlige Kohlensäure perfekt mit Ziegenkäse und rohem Fisch in allen Variationen. In gehaltvoller und weiniger Ausprägung nach ausgedehntem Hefelager wird der Champagner cremiger und begleitet weißes Fleisch und Meeresfrüchte mit Eleganz.

Einzig trockener Champagner zu scharfen Gerichten und süßen Nachspeisen verbietet sich! Ansonsten geht ziemlich viel. Es gibt übrigens auch andere Weine, die einigermaßen universell einsetzbar sind: Weißburgunder, Grauburgunder, oder Grüner Veltliner sind Allzweckwaffen mit ihrer kompatiblen moderaten Säure und einem nicht zu scharf eingegrenzten Geschmacksbild. Immer gut, sie im Haus zu haben.

Wein für alle Fälle

Mit diesen fünf Empfehlungen ist man nicht für alles gerüstet, aber für Vieles: Süßwasser-Fisch versteht sich gut mit Riesling: 2017 Wachenheimer Riesling, Dr. Bürklin-Wolf/Pfalz, www.buerklin-wolf.de, € 18

Zu Gemüse passt Sauvignon blanc: 2018 Sauvignon blanc II, Von Winning/Pfalz, www.von-winning.de, € 11 Rotes Fleisch mag Spätburgunder: 2015 Weiler Schlipf Spätburgunder, Claus Schneider/Baden, www.schneiderweingut.de, € 15.40

Silvaner kann eine Allzweckwaffe sein, die zu vielem passt: 2018 Escherndorfer Lump Silvaner S Erste Lage, Horst Sauer/Franken, www.weingut-horst-sauer.de, €12.50

Champagner geht immer: Pol Roger Brut Réserve Champagner, www.geiselsweingalerie.de, € 39.80

7. Je fetter ein Essen ist, desto gehaltvoller darf der Wein sein

Ob es nun pflanzlich oder tierischer Herkunft ist, Fett ist, neben Zucker und Alkohol, der wichtigste Geschmacksträger, weil es Aromen verstärkt und bei uns ein gutes Mundgefühl schafft. Es gibt jeder Speise Gewicht und Struktur. Mit alkoholreichen Weinen, die mäßig Säure haben, kann man ein Gegengewicht setzen. Wer es spannend mag in der Weinbegleitung, besetzt kontrapunktisch, lässt also gegenläufige Aromen aufeinander los. Das ist ein Wagnis, aber eines, das sich auszahlt. Ein fruchtbetonter Spätburgunder kann mit seiner animierenden Säure eine behäbige Ente oder Gans zum Fliegen bringen.

8. Die meisten Käsesorten verstehen sich besser mit Weißwein

Entgegen allen romantischen Vorstellungen, in denen der lässige Franzose mit Gauloises im Mundwinkel zu Käse und Baguette einen Rotwein kauft, passen Weißweine in den meisten Fällen besser zu Käse, vor allem, wenn er weich ist. Ob es nun kräutriger Sauvignon blanc zum Ziegenkäse ist, der Gutedel zum Käsefondue oder der Traminer zum Rotschmierkäse wie Münster. Aber Vorsicht: Ausnahmen sind (vor allem gereifter) Camembert und Hartkäse wie Pecorino, Parmesan und Manchego. Hier ist Rotwein richtig. Denn je härter der Käse, je dominanter sein Geschmack, desto mehr kann er den Gerbstoffen im Rotwein entgegensetzen.

9. Wein passt nicht zu allem, manchmal sollte man auf ihn verzichten

Bei Lebensmitteln und Gerichten, die ausgeprägte Bitterstoffe, eine hohe Salzigkeit oder übermäßige Säure haben, sollte man den Wein einfach weglassen. Es gibt Zutaten, welche die Begleitung stark erschweren, vor allem, wenn sie ein Gericht dominieren: Rettich oder Radieschen zum Beispiel, Meerrettich oder Wasabi, Rollmops und rohes Obst. Zudem tut man vielen Weinen einen Gefallen, wenn man Essig durch Zitronensaft ersetzt. Und Gerichte mit gegenläufigen Komponenten wie die zuvor erwähnten Krautkrapfen, muss man auch nicht zwingend mit Wein begleiten. Hier passt, wie in manchem anderen Fall auch, am Ende ein helles Bier am besten.

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