Italienischer Schaumwein:Beliebter als Champagner

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Werden bald im Glase perlen: Trauben auf einem Weingut im italienischen Volpago del Montello. (Foto: AP)

An Großfesttagen versteigt sich in Italien so mancher in mittlere kulinarische Glaubenskriege. Gerade wird der italienische Schaumwein gefeiert. Das Geschäft boomt, sogar der Champagner aus Frankreich wurde abgehängt.

Von Oliver Meiler

Traditionen gibt's, die sind so gefestigt, dass sie alle Wirren und Moden der Zeit überstehen. In Italien, wo in diesem ausklingenden Jahr ja etliche ewig gewähnte Gewissheiten durcheinandergeraten sind, wenigstens politisch, überstehen vor allem die kulinarischen Gewohnheiten alle Attacken der Moderne. Sie werden von allen gepflegt, mit heiligem Furor und militant verteidigten regionalen Nuancen. An Großfesttagen wie diesen versteigen sich die Bewahrer in mittlere Glaubenskriege, assistiert von den Zeitungen, die seitenlang alte Rezepte drucken und sagen, was geht und was nun wirklich nicht geht. Auf ewig, das schon.

Es fängt beim Kuchen an. Verhandelt wird mal wieder der Unterschied zwischen dem runden Mailänder Panettone, in dem reichlich kandierte Früchte und auch schon mal einige Schokoladenstücke stecken, und dem sternförmigen Pandoro aus Verona, der nur mit Puderzucker bestreut wird, dafür golden strahlt. Die Gesundheitsministerin, die Sizilianerin Giulia Grillo von den Cinque Stelle, befand unlängst recht ultimativ, der Pandoro habe "keine Seele", eine Seele habe nur der Panettone. Die Metaphysik im Kuchen - es entbrannte eine nationale Debatte, nicht ohne Ironie.

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Diskussionslos weitergereicht, von Generation zu Generation, wird die passende Mahlzeit zum Jahresende. An Silvester, und nicht selten auch am Neujahrstag, essen die Italiener "Cotechino". So heißt eine vorzügliche, schwartenfette und in Wasser gekochte Wurst, in der fast alles steckt, was das Schwein neben den wertvollen Stücken noch so hergibt, auch der Kopf. Damit das neue Jahr erfolgreich wird, essen die Italiener zum "Cotechino" Linsen, und zwar schon seit den Zeiten der alten Römer. Die fanden, die Linsen würden wie Münzen aussehen. Man lasse sie eine Nacht im Wasser ziehen, koche sie mit fein geschnittenen Karotten, Sellerie und Zwiebeln, gebe noch etwas Tomatensauce dazu, Salz, Pfeffer und Olivenöl: So geht Glück.

Relativ neu, zumindest in seiner massiven Verbreitung, ist das Phänomen der "bollicine", wörtlich: Bläschen. Eigentlich gemeint aber ist: Perlen. Im Italienischen sind die "bollicine" ein Synonym für Sekt. Früher war es bekanntlich so, dass die Franzosen mit ihrem Champagner unangefochten über die Welt der Schaum- und Perlweine herrschten. Natürlich finden sie, dass sie das noch heute tun. Doch diese Welt trinkt mittlerweile mehr italienisches Geperle und Geprickel als Champagner: Prosecco aus dem Nordosten des Landes vor allem, Spumanti auch, trockene und süße.

In diesem Jahr wurden mehr als 800 Millionen Flaschen "bollicine" verkauft, so viele wie noch nie. Mehr als die Hälfte geht ins Ausland, der Rest bleibt da. Auf jeden Italiener kommen fünf Flaschen Sekt im Jahr, das ist eine ganze Menge, das ist Stoff für eine langlebige Tradition. Die Zeitung La Repubblica erklärt den Boom mit dem Erfolg des Spritz, des Allerleute-Aperos, der mit Prosecco versetzt ist. Er löse eben ein "zärtliches Jucken" aus auf der Zunge. Eine schöne Leichtigkeit. Kühl serviert, zwischen vier und sechs Grad, zum Beispiel an Silvester. Ganz bestimmt sogar, für immer.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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