Öko-Ratgeber zu Äpfeln:Weit gereist oder lange gelagert - was ist besser?

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(Foto: Radu Marcusu/Unsplash; Bearbeitung SZ)

Im Supermarkt gibt es gerade immer mehr Äpfel aus Neuseeland und Argentinien. Ökologischer Irrsinn? Das kommt ganz auf die Jahreszeit an.

Von Esther Widmann

Gibt es ökologisch unbedenkliche Outdoorjacken? Wie oft sollte man sich einen neuen Kühlschrank kaufen? Und welche Verpackung ist besser, Glas oder Plastik? Wer nach der umweltfreundlichsten Lösung für ein Alltagsproblem sucht, steht schnell vor einem Berg teils widersprüchlicher Informationen. Die gute Nachricht: Unsere Autorin Esther Widmann übernimmt jetzt die Recherche für Sie. In der dritten Folge geht es um Äpfel.

Vitamine sind wichtig, Obst ist gesund und Äpfel wachsen quasi vor der Tür. Ökologisch alles einwandfrei, möchte man meinen. Wenn nicht im Frühjahr und Sommer immer häufiger Argentinien oder Neuseeland als Herkunftsland angegeben wäre. Was ist mit den deutschen Äpfeln? Sind derart weite Lieferwege wirklich notwendig?

Bei Lebensmitteln ist es so: Manche, wie Orangen zum Beispiel, wachsen gar nicht in Deutschland. Andere werden auch in Deutschland hergestellt, aber nicht in ausreichender Menge oder nur zu bestimmten Jahreszeiten. Äpfel aus Deutschland gibt es frisch nur von etwa August bis November. Wenn es danach noch heimische Äpfel im Laden gibt, sind sie gelagert worden: gekühlt in einer kontrollierten Atmosphäre, die wenig Sauerstoff und viel Kohlendioxid enthält. So halten sie sich etwa sechs Monate lang. Allerdings: Äpfel (und anderes Obst) so zu lagern und zu kühlen, verursacht klimaschädliche Emissionen - je länger, desto mehr. Übrigens verlieren die Äpfel dabei mit der Zeit auch die Vitamine.

Also sind wir für die ganzjährige Versorgung mit Äpfeln auf Importe angewiesen?

In Neuseeland und Argentinien, auf der Südhalbkugel, werden die Äpfel genau dann reif, wenn bei uns die frischen Äpfel zur Neige gehen. Es werden deshalb jedes Jahr etwa 600 000 Tonnen Äpfel importiert. Dieses Jahr kommt noch etwas anderes hinzu: 2017 war wegen der späten Fröste im April, als viele Blüten erfroren sind, ein sehr schlechtes Obstjahr in Deutschland. Statt mehr als eine Million Tonnen 2016 konnten die Landwirte in Deutschland 2017 nur etwa 600 000 Tonnen Äpfel ernten. Die Importe tragen also dazu bei, dass bei uns in den Läden das Angebot vielfältig bleibt.

Aber Neuseeland ist fast 20 000 Kilometer weit weg! Kann ein so weit gereister Apfel wirklich ökologisch unbedenklicher sein als ein eingelagerter aus Deutschland?

Seit einigen Jahren macht das Konzept der "Food miles" Furore. Die Entfernungen, über die viele Lebensmittel transportiert werden, bevor sie im Laden und dann bei uns auf dem Teller landen, werden in die Ökobilanz eingerechnet. Denn es ist ja klar: Transport kostet Energie. Viele Menschen, die sich ökobewusst ernähren, kaufen deshalb am liebsten regionale Produkte.

Kann man die Ökobilanz eines Apfels genau berechnen?

Nicht wirklich. Die Energie, die für den Transport nötig ist, variiert, je nachdem, ob das Obst mit Lastwagen, mit der Bahn, dem Schiff oder gar mit dem Flugzeug transportiert wird. In vielen Fällen wird es nicht nur ein Verkehrsmittel sein, sondern mehrere, das macht es kompliziert. Und obwohl der Transport mit dem Schiff pro Kilometer gerechnet wenig umweltbelastend ist, kommt bei so großen Entfernungen wie Neuseeland eben doch einiges zusammen.

Aber wenn man die ganze Transportkette kennt, kann man klar beziffern, was umweltfreundlicher ist?

Nein, denn der Transport, so kompliziert seine Umweltbilanz schon sein mag, ist auch nur ein einziger von vielen Faktoren in der Lebensmittelproduktion. Zum Energieverbrauch trägt auch bei, ob das Obst konventionell oder biologisch angebaut wurde und wie groß der Betrieb ist. Manche Experten halten große Plantagen für effizienter als kleine Betriebe mit nur wenigen Bäumen. Wobei diese Annahme sehr umstritten ist. Unter bestimmten Umständen kann es aber tatsächlich sein, dass, rein vom Energieverbrauch und dem damit zusammenhängenden CO2-Ausstoß, der Apfel aus Neuseeland auf dem Weg bis in den Laden effizienter ist als einer aus Deutschland.

Bisher ging es immer nur um Energieverbrauch. Aber hat die Art des Anbaus nicht auch noch andere Auswirkungen? Was wird denn eigentlich aus den Bauern in Deutschland, wenn wir alles importieren?

Bei all diesen Überlegungen geht es ja immer darum, das Problem nicht isoliert zu betrachten, sondern zu einer möglichst umfassenden Abwägung zu kommen. Deshalb muss auch jeder bedenken, ob er möchte, dass es nur noch große, effiziente Betriebe in Neuseeland und Argentinien gibt, oder ob er auch die Landwirtschaft in der Region unterstützen möchte: Da geht es um Arbeitsplätze und andere wirtschaftliche Aspekte. Kürzere Transportwege bedeuten weniger Lärm, auch das kann bei der Abwägung eine Rolle spielen. Und zur Landschaftspflege kann der Apfelanbau ebenfalls etwas beitragen.

Womit wir bei einem - jedenfalls, wenn es um Äpfel geht - sehr wichtigen Stichwort sind: Streuobstwiese. Wenn auf einer Wiese locker verteilt Obstbäume stehen - womöglich auch noch mit einer der tollen alten Sorten, die fast verschwunden sind -, ist das ein Paradies für Insekten und Vögel und deshalb die ökologisch vorteilhafteste Art, Äpfel anzubauen. Das Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) in Heidelberg hat die Energie‐ und Klimagasbilanzen verschiedener Lebensmittel untersucht, darunter auch Äpfel. Das Ergebnis ist ganz klar: Äpfel von Streuobstwiesen sind allen Plantagenäpfeln vorzuziehen.

Also am besten direkt vom Bauern kaufen?

Jetzt kommt noch etwas hinzu, was die Ökobilanz von Lebensmitteln (und übrigens auch allen anderen Gütern) ganz entscheidend beeinflusst: nämlich wie Sie, der Kunde, zum Laden kommen. Wenn Sie sich ins Auto setzen, und zehn Kilometer zum Hofladen oder dem Bio-Supermarkt fahren, um dort die regionalen Äpfel zu kaufen, können Sie sämtliche bisherigen Überlegungen in die Tonne kloppen. Für eine gute Öko-Bilanz von Lebensmitteln müssen Sie die öffentlichen Verkehrsmittel nehmen, mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen.

Aber wer im Vorort wohnt, hat womöglich keinen Laden oder Bauern in der Nähe, von wo man zu Fuß die regionalen Äpfel nach Hause schleppen könnte.

Wenn es wirklich gar nicht anders geht: Kombinieren Sie die Einkaufsfahrt mit anderen Erledigungen und kaufen Sie möglichst große Mengen.

Sonst noch was?

Ja. Die zweite wichtige Stellschraube, an der Verbraucher selbst drehen können: saisonal einkaufen. Im Winter lieber Feldsalat oder andere Wintersorten wie Endivie oder Zuckerhut vom Markt (aus dem ungeheizten Gewächshaus - einfach mal beim Bio-Bauern nachfragen) kaufen als den in Plastik verpackten, konventionell produzierten Eisbergsalat aus Spanien aus dem Supermarkt.

Das sind ganz schön viele komplizierte Dinge, die man da bedenken muss.

Eigentlich nicht. Die praktische Lösung ist: Regionale Äpfel kaufen, solange es frische gibt, also etwa von August bis Februar. Wenn es keine mehr gibt: möglichst anderes saisonales Obst kaufen (Erdbeeren, Johannisbeeren, Kirschen). Und in der Zeit dazwischen, also vielleicht etwa von Februar bis Juni, mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Bioladen oder Markt und dort regionales, saisonales Gemüse und ein paar Überseeäpfel und Orangen aus Südeuropa kaufen. Das ist - letzter wichtiger Punkt beim Verbraucherverhalten - alles immer noch umweltfreundlicher als Fleisch.

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