Mode:Sommer, Sonne, Bart

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Ein gepflegter Vollbart ist in Mode - leider hat der Urlaubsbart damit nicht viel gemeinsam. (Foto: ArthurBraunstein/Photocase)

Warum kommen so viele Männer mit ungebändigtem Gesichtshaar aus dem Urlaub zurück? Unser Autor wittert unschöne Parallelen zu anderen Souvenirs.

Von David Pfeifer

Der Urlaubsbart ist der Sombrero unter den Gesichtsfrisuren. Während der mutig gekaufte Hut allerdings meist schon am ersten Tag nach dem Urlaub weit hinten im Schrank verschwindet, hält sich das Gesichtshaar länger - manchmal bis hinein in den Arbeitsalltag.

Technisch betrachtet, ist der Urlaubsbart kein wirklicher Bart. Denn einen Bart muss man heutzutage tragen, wie man so sagt. Das in Form geschnittene Gesichtshaar junger Bartträger ist unbedingt modisch und demonstriert unterschiedliche Stufen der Selbstbeschäftigung.

Vom liebevoll gezwirbelten Schnauzer bis zum Rauschebart, der regelmäßig geschnitten, gekämmt und geölt werden muss, um elegant zu schimmern. Es gibt natürlich weiterhin den politischen Bart, der mehr Aussage, aber weniger Pflegemöglichkeiten liefert. Der Urlaubsbart hingegen ist nicht getrimmt, geölt oder irgendwie gemeint. Er bleibt einfach stehen und der Mann dahinter wird nach einigen Tagen bärtig.

Harald Schmidt machte das auch immer so

Die Älteren erinnern sich: Harald Schmidt kehrte nach der Sommerpause häufig mit Bart vor die Kamera zurück. So als wollte er die Entspannung, die er sich auf Reisen geholt hatte, zu einem Charaktermerkmal ummünzen. Außerdem gehört es zum Freiheitsgefühl im Urlaub, sich nicht jeden Morgen die Borsten aus dem Gesicht zu kratzen, wie die anderen Büroameisen. Subtext: einfach mal nicht funktionieren.

Vielleicht hat die Lebenspartnerin obendrein in einem unbedachten Moment, gegen Ende des Urlaubs, mit einem Glas Rosé in der Hand und den Füßen im Sand, gesagt, der Bart "sehe eigentlich ganz sexy aus". Diese Einschätzung kann natürlich am entspannten Mann hinter dem Gesichtshaar liegen, der hört aber nur: Bart = geiler Typ.

Hier muss man die Wissenschaft bemühen. An der Uni Regensburg hat der Psychologe Martin Gründl über die Schönheit männlicher Gesichter habilitiert, Bart inklusive: "Die typisch maskulinen sexuell dimorphen Merkmale Bartwuchs und starke Körperbehaarung gelten aktuell nicht als männliches Attraktivitätsideal." Der Bart ist das, was die Wissenschaftler einen "Testosteron-Marker" nennen - ein sichtbares Zeichen von Virilität.

"Wenn du keinen Baum fällen oder einen Reifen wechseln kannst - rasier dich!"

Doch dasselbe gilt für schmale Lippen, die selten als attraktiv empfunden werden - im Gegensatz zu breiten Schultern. Der Bart liegt dazwischen: Die einen finden ihn anziehend, die anderen abstoßend. Je nach Typ. Auf Facebook machte vor Kurzem ein Scherzbild die Runde, auf dem man einen Mann mit mächtigem Rauschebart und modischem Holzfällerhemd sieht, der verträumt ins Weite blickt. Unter ihm stand geschrieben: "Wenn Du keinen Baum fällen oder einen Reifen wechseln kannst - dann rasier' Dich bitte!"

So ergeht es auch dem Urlaubsbart bald im Alltag. Er wird ein, zwei Tage lang beachtet, bewertet, erwähnt, dann kratzt er vor allem und will nicht so recht zu Hemd und Krawatte passen. Der Träger fragt sich noch, ob nun der Bart nicht zur Krawatte passt, oder die Krawatte nicht zum Leben. Doch dann wird der Rasierer wieder ausgepackt. Die Lebenspartnerin reagiert womöglich erleichtert, den Hut hat sie ja auch schon länger hinten im Schrank verstaut.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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