Zweitligist 1860 München:50+1-Regel schützt nicht vor einer zünftigen Erpressung

Der Modellversuch beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München und seinem arabischen Investor läuft. Zwischenfazit: Kein noch so notleidender Verein im Land wird ernsthaft auf die Idee kommen, es nachzumachen. Die 50+1-Regel, wonach der Verein die Mehrheit der Anteile halten muss, ist keine Garantie gegen Intrigen und Machtkämpfe.

Ein Kommentar von Markus Schäflein

Ganz Fußball-Deutschland, so hatte der Klub im Mai 2011 verkündet, werde nun auf den Zweitligisten TSV 1860 München blicken. Schließlich ließen die Löwen den ersten arabischen Investor im hiesigen Profifußball einsteigen. Tatsächlich richten sich seitdem viele Blicke an die Grünwalder Straße - verwunderte, entgeisterte, spöttische. Wenn Sechzig ein Modellversuch ist, dann mit dem Zwischenfazit, dass kein noch so notleidender Verein im Land mehr ernsthaft auf die Idee kommt, die Akquise eines derartigen Investors in Erwägung zu ziehen.

Die 50+1-Regel, wonach die Mehrheit der stimmberechtigten Anteile an der Profifußball-Gesellschaft beim jeweiligen Verein bleiben muss, schützt den e.V. vor dem totalen Einflussverlust - sie schützt aber nicht vor Machtkämpfen, Intrigen und Provokationen, sondern fördert sie geradezu. Denn auf normalem Weg durch die Gremien kann Investor Hasan Ismaik seine Vorstellungen (Trainer Sven-Göran Eriksson, Stars aus Afrika, Ziel Champions League, alles auf Pump), die konträr sind zum Wunsch des e.V. nach solider Bodenständigkeit, nicht durchsetzen. Bei einem Verein wie Sechzig, der schon oft mit verheerenden Folgen auf Pump gelebt hat, beißt er mit solchen Ideen auf Granit. Wenn Ismaik nach dem Motto argumentiert, dass anschafft, wer zahlt, dann müsste er auch zahlen - und das Geld nicht nur leihen.

Für Ismaiks Traumschlösser gibt es im deutschen System keine Baugenehmigung - solange die Klubführung nicht auf seinen Kurs einlenkt. Erneut trifft der Zorn Ismaiks nun Präsident Dieter Schneider - er ist das Gesicht der vom e.V. proklamierten soliden Sparsamkeit. Unverhohlen fordert der Investor die Mitglieder auf, für eine andere Vereinsführung zu sorgen. Eine Umgehung der 50+1-Regel wäre das nicht, denn die Entscheidung würde ja vereinsdemokratisch zustande kommen.

Bei den Fans scheint die Stimmung zu kippen, viele finden den vom Investor geplanten Weg reizvoll. Aber die Anhänger, die in die Arena zu den Spielen kommen, sind nicht zu verwechseln mit den Vereinsmitgliedern. Im e.V. sammeln sich Turner, Boxer und Skifahrer, die alle kein Interesse an einer Klubverschuldung zugunsten der Profikicker haben - und auch viele Fußballer, die entschiedene Gegner des Investors sind.

Keine Chance für Ismaik, sollte man meinen - wäre Sechzig nicht auch bei einem sparsamen Konsolidierungskurs weiter auf ihn angewiesen. Schließlich gilt es, jährlich ein millionenschweres strukturelles Defizit auszugleichen, solange der Klub in der zweiten Liga spielt. Und zum Repertoire des Machtkampfs gehört schon auch mal eine zünftige Erpressung.

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