Zweitligist 1860 München:Der Schädel nach der Party

TSV 1860 Muenchen - Press Conference

Es bleibt kompliziert für Präsident Hep Monatzeder (links) und Geschäftsführer Robert Schäfer.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach der Einigung mit dem neuen Partner Infront bleibt es beim TSV 1860 kompliziert: Wenn Infront künftig Sponsoren vermittelt, muss der Klub weiter Provisionen an HI Squared zahlen. Ismaik profitiert quasi von seinem eigenen Boykott - und findet den Deal trotzdem schlecht.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Die gute Nachricht zuerst: Wenn es nach Reinhardt Weinberger geht, hat der TSV 1860 München bald einen neuen Trikotsponsor. Weinberger ist Geschäftsführer Deutschland der Vermarktungsagentur Infront, die dem Fußball-Zweitligisten mit einer Signing Fee die Lizenz rettete und den Klub nun gegen Pauschalzahlungen und Provisionen unterstützen soll - auch bei der Suche nach einem neuen Hauptsponsor, nachdem Aston Martin aussteigt. "Wir haben das Netzwerk angeworfen und befinden uns in Gesprächen", sagte Weinberger, dessen Firma zuletzt unter anderem den Hühnchenzerkleinerer Wiesenhof zu Werder Bremen und Palmberg Büroeinrichtungen zum Drittligisten Hansa Rostock brachte.

Dumm nur für den TSV 1860, dass er von einem neuen Sponsorenkuchen, sofern er von Infront gebacken wird, nicht nur ein Stück als Provision abgeben muss - sondern zwei. Denn Exklusivvermarkter des Klubs bleibt vertragsgemäß die Firma HI Squared, die Investor Hasan Ismaik und dessen Berater Hamada Iraki gehört. 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer bestätigte der SZ, dass HI Squared für fremde Arbeit ebenfalls vertragsgemäß provisioniert wird. "Für HI Squared ist es eigentlich ein Riesenvorteil", hat er erkannt. Logisch - wer freut sich nicht, entlohnt zu werden für die Arbeit der anderen?

Zu so einer schrägen Ironie ist nur Sechzig in der Lage: Ismaik verweigert eine Zahlung an die Profifußball-KGaA, dadurch kommt das Signing-Fee-Konstrukt mit Infront ins Spiel - und von diesem profitiert Ismaik als HI-Squared-Teilhaber. Begeistert ist der Investor von der ganzen Sache dennoch ganz und gar nicht, weil sie am Ende ja der KGaA schadet, an der er 60 Prozent hält - und ihn schon wieder kränkt. Sein Anwalt Michael Scheele sagt: "Herr Ismaik ist überrascht, dass man ohne Rücksprache mit ihm so ein Engagement eingegangen ist. Er hat außergewöhnliche Möglichkeiten, Sponsoren zu akquirieren."

Im Einzelfall müsse sich der Verein dann eben "überlegen", ob ein Vertragsabschluss mit einem von Infront angebotenen Sponsor "noch attraktiv ist mit zwei Vermarktern", sagte Schäfer. Im Budget sei aus der Vermarktung nur die HI-Squared-Garantiezahlung eingeplant. Seine Riesentorte bei der ganzen, von Präsident Hep Monatzeder und Schäfer ausgerufenen, Party hat Sechzig ja schon verspeist: die leckere Signing Fee.

Es wird sich noch weisen, wie hoch der Preis gewesen ist, den 1860 zahlen muss, um sein (vorläufiges) Überleben in Unabhängigkeit von Ismaik garantiert zu haben. Nur eines ist jetzt schon klar: Die Kosten in der kommenden Saison werden höher sein als in der abgelaufenen, an deren Ende Sechzig nicht aus eigener Kraft die Lizenz erhielt. Auf die Party könnte folgen: der Schädel danach. Möglich ist, dass ein Teil der Garantie von HI Squared schon eingeplant ist, um die Pauschalen an Infront zu zahlen. Denkbar auch, dass sich die Ismaik-Agentur bei schön eingefädelten Infront-Deals trotzig quer stellt.

Auf der Suche wollen sich die beiden Vermarkter nicht in die Quere kommen. "Wir stellen ein abgestimmtes Vorgehen auf dem Markt sicher", sagte Weinberger. Soll heißen: Während sich Infront um nationale und internationale Firmen kümmern will, soll aus deren Sicht HI Squared regionale Sponsoren beackern. Der Branchenriese schätzt das Netzwerk der kleinen Ismaik-Agentur offenbar als eher gering und als nicht hinderlich bei der Vermittlung eigener Kontakte ein.

Weiter gilt: Ismaik gegen Schäfer

Eine Übernahme der HI Squared durch Infront ist langfristig denkbar, sollte Ismaik die Lust auf 1860 doch noch verlieren. Die Vermutung, Infront könne auch auf dessen Anteile an der 1860-KGaA schielen, wies Weinberger aber zurück: "Wir sind ein Vermarktungsunternehmen und kein Investor." Die Signing Fee hat Infront jedoch gerne gezahlt: "Wir wollen gemäß unserer Expansionsstrategie Partner auf Rechtehalterseite gewinnen", sagte Weinberger. Also: neue Klubs. "Und im Rahmen der Kundenakquisition sind das unsere Möglichkeiten."

Zudem hat sich bei Sechzig noch ein neuer Mitspieler angeboten - die Einladung dazu kam quasi aus dem Aufsichtsrat. Nicht per Mail, nicht per Anruf, sondern übers Fernsehen. Otto Steiner, Vorsitzender des Gremiums, hatte am Wochenende bei MünchenTV gesagt, ein Unternehmensberater als Mediator könne "eine gute Idee" für den vom Zwist zwischen Klub und Investor gebeutelten TSV sein. Und nun hat sich schon einer angeboten: Nach SZ-Informationen schickte die Unternehmensberatung Roland Berger am Donnerstag ein Angebot an Steiner, 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer und Präsident Hep Monatzeder sowie an Investor Hasan Ismaik und dessen Anwalt Scheele. Man reiche einen Projektvorschlag ein, schrieb die Firma, da "ein diesbezüglicher Bedarf bei 1860 München möglich" erscheine - und "aus dem Umfeld des Klubs" an die Unternehmensberatung herangetragen worden sei.

Dass ein Bedarf möglich sei, ist eine wahrlich putzige Umschreibung angesichts des jährlichen strukturellen Defizits, der drückenden Arenakosten und der zuletzt bekannt gewordenen Mühe, überhaupt die nötige Liquidität für die Lizenzierung durch die Deutsche Fußball Liga nachzuweisen. All diese Probleme sind bei Sechzig ja seit vielen Jahren gang und gäbe, und auch die Unternehmensberatung Roland Berger ist dort nicht unbekannt: 2006, als vom damaligen 1860-Geschäftsführer Stefan Ziffzer bereits ein Anteilsverkauf geplant wurde, untersuchte sie, was die Profifußball-KGaA der Löwen überhaupt wert sein könnte. Ziffzer wollte zu jener Zeit auch die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley ins Boot holen - doch die sagte ab. Stattdessen sanierte Morgan Stanley damals in Zusammenarbeit mit Roland Berger einen anderen Klub: Borussia Dortmund.

Bundesliga, Champions League - davon träumt ja auch der ehrgeizige Ismaik gerne. Es erscheint ohnehin naheliegend, dass das Roland-Berger-Angebot von der Investorenseite angeregt wurde. Scheele sagte zumindest, er halte es für eine "gute Idee", die Firma einzuschalten. "Wenn es bei Dortmund so gut funktioniert hat, lohnt es sich wirklich, den Vorschlag zu prüfen. Vielleicht hilft uns das allen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Ich werde Herrn Ismaik empfehlen, das zu prüfen."

1860-Geschäftsführer Schäfer, den Ismaik unbedingt loswerden will, sieht das naturgemäß anders: "Das Angebot liegt mir vor, man kann immer darüber nachdenken", sagte er. "Aber das würde auch gutes Geld kosten, und wir müssen sehen, ob da irgendein Bedarf ist. Wir sind jetzt ja nicht so ein kompliziertes Geschäft."

Während also eine riesige Vermarktungsagentur eingestiegen ist und sich eine renommierte Unternehmensberatung für die KGaA angeboten hat, sind namhafte Bewerber für das Präsidentenamt im e.V. nicht in Sicht. Die Suche nach einem Kandidaten sei "schwierig", erklärte Noch-Amtsinhaber Monatzeder: "Jeder sagt doch, dass er auf eine Imageschädigung wie bei mir verzichten kann. Und warum sollte man sich so etwas antun, wo man permanent den Beschimpfungen des Investors ausgesetzt ist?" Infront-Geschäftsführer Weinberger findet die ganzen offen ausgetragenen Querelen hingegen gar nicht so schlimm: "Das zeigt, wie interessant und reichweitenstark die Plattform 1860 ist." So kann das wohl nur einer sehen, der gerade den zweiten Arbeitstag in diesem Tollhaus erlebt.

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