Zweitligist Fortuna Düsseldorf:Kapitän Lumpi und sein Gefolge

"Ist das alles noch real?" Vor wenigen Jahren dümpelte Fortuna Düsseldorf in der Oberliga - nach dem Heimsieg gegen Greuther Fürth gilt der Klub nun als erster Kandidat für den Aufstieg in die Bundesliga. Kapitän Andreas "Lumpi" Lambertz steht wie kein Zweiter für den Aufschwung.

Milan Pavlovic, Düsseldorf

Andreas Lambertz ist nicht mehr weit von der Spielerkabine entfernt. Er glaubt, in den Katakomben der Düsseldorfer Fußballarena allen alles ausgiebig geschildert zu haben - und das, obwohl jeder sehen konnte, wie fertig er war vom 2:1 (2:0) im Spitzenspiel der zweiten Liga gegen Mitkonkurrent Greuther Fürth. Nun noch zwei, drei Meter, dann ist er um die Ecke verschwunden.

Andreas Lambertz Fortuna Düsseldorf 2011

Gute Zeiten in Düsseldorf: Kapitän Andreas "Lumpi" Lambertz.

(Foto: imago sportfotodienst)

Aber da meldet sich schüchtern eine Stimme aus dem Hintergrund und bittet: "Kannst du uns das noch mal erzählen?" Lambertz lehnt sich vornüber an eine Wand, halb schauspielert, halb leidet er. Dann dreht er sich um, seufzt, kehrt zurück und sagt schnaufend: "Lasst mich wenigstens die Schuhe ausziehen."

Den Körper vor den frühwinterlichen Temperaturen in einer Schneejacke geschützt, wie sie auch Polarforscher tragen, kämpft der 27-Jährige gegen einen Krampf in der linken Wade; er dehnt diese, während er dem Zeugwart die textmarkergrün leuchtenden Fußballtreter reicht. Und dann bringt er noch einmal die Geschichte auf den Punkt, die erklärt, warum die meisten der 33.000 Zuschauer schon vor dem Anpfiff jubelten, als hätte ihr Klub bereits die Tabellenführung zurückerobert. "Na, dann habe ich eben meinen Vertrag noch einmal um zwei Jahre verlängert."

2014 wäre Lambertz elf Jahre bei Fortuna Düsseldorf. Nur wenige Fußballer verkörpern einen Verein so genau wie der Mittelfeld-Rackerer, den sie in der Landeshauptstadt nur "Lumpi" nennen. Es gibt beschlagenere Profis in Düsseldorf, aber keinen besseren Repräsentanten als ihn. Denn nur wenige sind einem Klub in so vielen unterschiedlichen Ligen treu geblieben.

Schon als Jugendspieler wirkte der damals 18-Jährige in der Oberliga beim Aufstieg mit. Es folgten vier Jahre Regionalliga, ein Durchgangsjahr in der dritten Liga, zwei wechselhafte Spielzeiten in der zweiten Liga - und nun eine glanzvolle. 2012 dürfte deshalb, wenn nicht irgendwas extrem schief läuft, die erste Liga in Lambertz' Lebenslauf auftauchen. Mit der Fortuna.

"Seine Vertragsverlängerung ist ein Signal an alle im Klub", sagen Klubchef Peter Frymuth und Manager Wolf Werner unisono. Und Trainer Norbert Meier lobt: "Seine Art, Fußball zu spielen, kommt beim Publikum an. Solche Spieler brauchst du."

Lambertz redet, als sei er inzwischen mit dem Verein verwachsen: "Wo soll ich denn hin?", fragt er, die verschwitzte Kapitänsbinde ausgiebig knetend. Und weil das falsch klingen könnte, fügt er fast genießerisch hinzu: "Und warum sollte ich jetzt wechseln?" Ja, warum sollte er?

So gut wie derzeit stand die Fortuna zuletzt in den seligen Pokalsieger-Zeiten von Klaus und Thomas Allofs da, 1980 war das. Jetzt hat der Zweitligist nach jahrzehntelangen Demütigungen 38 Punkte nach 16 Spieltagen, ist als letzter Profi-Klub noch ohne Niederlage (saisonübergreifend sogar seit März) und hat alle Konkurrenten hinter sich. Frymuth gibt zu: "Man fragt sich schon manchmal, ist das alles real oder doch nur ein Traum?" Und Lambertz lässt sich den Satz entlocken: "Mein Traum ist es, mit der Fortuna in der Bundesliga zu spielen."

Kreativ und effektiv

Eine nachvollziehbare Aussage, aber als Norbert Meier sie hört, wirkt er kurzzeitig irritiert. Seit Monaten predigt er Demut. Niemand im Klub soll zu weit nach vorne schauen. Er findet dabei immer neue mahnende Formulierungen. "Es wird uns nichts geschenkt", sagt er. "Wir sind hier nicht in einer Quiz-Sendung, in der wir einen 50:50- oder einen Telefonjoker ziehen können. Bei uns geht es jede Woche wieder bei 0:0 los."

Selbst Halbzeiten wie die erste gegen Greuther Fürth können ihn nicht umstimmen. "Man kann eine Elf wie Fürth nicht 90 Minuten lang dominieren", sagt er. 45 Minuten lang hatten die Düsseldorfer geschickt Kombinationsdreiecke aufgebaut, um das Feld schnell zu überbrücken, sie verschafften Beister und Bröker Räume und ließen bisweilen sogar vergessen, dass ihr Führungsspieler Sascha Rösler an diesem Abend gelb-gesperrt fehlte.

In dieser Phase waren sie außerdem wieder einmal kreativ und effektiv: Beiden Toren gingen Einwürfe voraus, die flach in den Strafraum gespielt wurden; beim 1:0 nahm Beister den Ball mit Fahrt am Strafraumeck auf, sprintete parallel zur Strafraumlinie, zog beherzt ab, woraufhin Fink den Abpraller eindrückte. Beim 2:0 erzwang Bröker gegen Thomas Kleine einen Foulelfmeter, den Langeneke gewohnt souverän verwandelte.

Doch dann folgte die zweite Halbzeit, in der die Fortuna das Fußballspielen vergaß, sich von der Härte und Hektik der Gäste anstecken ließ. Erst in der 74. Minute schoss Düsseldorf wieder aufs gegnerische Tor schoss und fing sich beinahe noch den Ausgleich ein. "Wenn du in dieser Liga auch nur zehn Prozent weniger bringst, gerätst du schnell in Gefahr", mahnte Meier, "denn es gibt keine Mannschaft, gegen die du schon vorher gewonnen hast."

Was die Fortuna derzeit von der Konkurrenz unterscheide, wurde Meier noch gefragt, doch der Trainer ließ sich nicht aus der Defensive locken. "Drei Punkte", sagte er trocken.

Es ist nicht zu erwarten, dass er diese Aussage groß variieren würde, selbst wenn die Fortuna die abschließenden drei Aufgaben vor der Winterpause ungeschlagen übersteht. "Wir sind einfach zu gut mit unserer Spiel-zu-Spiel-Taktik gefahren, um sie zu ändern." Ein letzter Wink an Andreas Lumpi Lambertz war das. Hoffentlich hat dem Trainer später jemand berichtet, was Lambertz gleich nach seinem Bundesliga-Ausspruch gesagt hatte: "Man sieht, was hier machbar ist, aber das Wichtigste ist, dass wir alle auf dem Boden bleiben."

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