Süddeutsche Zeitung

Zweitligist 1860 München:"Bald wird das ganz dicke Ei fallen"

Viele Fragen und auf jede Frage viele verschiedene Antworten: Nach dem Jahr 2012 sind die Anhänger von 1860 München wieder mal nicht schlauer als vorher. Wer steht auf welcher Seite? Wie viele Mitarbeiter wurden entlassen? Eine Rückschau in Zitaten und Widersprüchen.

Von Gerald Kleffmann und Markus Schäflein

Der Löwen-Fan hat es schwer: Wieder ist ein Jahr vorbei, und wieder ist es so, dass er nicht schlauer ist, was seinen Lieblingsverein betrifft. Beim TSV 1860 München sind nach wie mindestens so viele Fragen ungeklärt wie vor einem Jahr oder wie vor zwei Jahren oder wie ... ja, es ist ein Kreuz. Leicht jedenfalls macht es dieser Traditionsverein seinen Anhängern nicht, und ein bisschen tragen auch die handelnden Personen abseits des Rasens dazu bei. Oder sollte man besser sagen: viel?

Verfolgt der TSV 1860 München einen Dreijahresplan?

Hamada Iraki, damals noch 1860-Aufsichtsrat und Vertreter des Investors Hasan Ismaik, 7. Mai: "Die Verantwortlichen im Verein haben ihm (Ismaik) einen Dreijahresplan vorgelegt und zuvor hart und intensiv gearbeitet. Diesen Plan hat er akzeptiert, bedingungslos."

Robert Schäfer, Geschäftsführer, 7. Mai:"Mit seiner Zustimmung zu dem Dreijahresplan hat Herr Ismaik sein Vertrauen in 1860 bestätigt."

Dieter Schneider, Präsident, 21. November: "Es ändert sich nichts am Dreijahresplan."

Schneider, 25. November:"Wir sind bisher davon ausgegangen, dass der Dreijahresplan gilt."

Abdel Rahman, Bruder von Investor Ismaik, 20. Dezember: "Wie haben im Sommer einen Dreijahresplan aufgestellt, der hat nicht funktioniert. Deshalb wollen wir jetzt einen besseren Plan."

Im Frühjahr sollte Dieter Schneider zurücktreten - oder doch nicht?

Iraki, 13. November 2011: "Der Verein braucht frisches Blut und einen Neuanfang, sonst wird es sehr bald zu spät sein."

Iraki, 17. November 2011: "Ich glaube, man will vor der Öffentlichkeit seine hausgemachten Probleme verstecken, indem man auf den Investor und die Geschäftsführung losgeht. So etwas funktioniert vielleicht in den Medien, aber nicht in der realen Welt. Früher oder später wird die Wahrheit ans Licht kommen."

Schneider, 5. Januar 2012: "Ich blicke der kommenden Zeit sorgenfrei entgegen. Wir arbeiten derzeit an einem ganzen Paket. Da geht es nicht nur um die 2,3 Millionen, sondern auch um die ganze weitere Zukunftsplanung. Bald wird das ganz dicke Ei fallen."

Otto Steiner, Aufsichtsratschef, 23. Januar: "Ich bin kein Königsmörder! Dieter macht einen tollen Job, der mit unglaublich viel Aufwand verbunden ist. Es ist ein Glücksfall für uns alle, dass er mit all seinem Herzblut für den Verein lebt."

Iraki, 2. Februar: "Ich bin zuversichtlich, dass wir zueinander finden werden, und zwar schneller, als man denkt."

Schneider, 2. Februar: "An mir soll eine gemeinsame Zukunft nicht scheitern."

Wolfgang Hauner, Vizepräsident, 26. März: "Mir ist nicht bekannt, dass es eine Rücktrittsforderung gibt. Man müsste diejenigen fragen, die diese immer wieder kolportieren." - "Ich sehe kein Erpressungspotential." - "Ich sehe keine Person im Verein, die Schneider als Präsident nachfolgen könnte."

Wer verteidigte noch mal Schneider?

Benjamin Lauth, Stürmer, 8. Februar: "Die Leute, die es hinbekommen haben, dass der Verein zum ersten Mal eine Perspektive hat, werden sich doch wohl zusammenraufen."

Stefan Aigner, Mittelfeldspieler, 27. Februar: "Ich finde es unmenschlich und absolut unfair, so auf einen Mann loszugehen, der den Verein gerettet hat."

Auf welcher Seite steht noch mal Geschäftsführer Robert Schäfer?

Schäfer, 22. November 2011:"Zu sagen, ich hätte mich auf die Seite des Investors geschlagen, ist die feinste Demagogie. Als Geschäftsführer vertrete ich die Interessen der KGaA. Auch gegen die Interessen des Vereins, wenn es sein muss."

Schäfer, 19. Januar: "Dieter Schneider und ich haben fundamental unterschiedliche Meinungen in manchen Punkten. Meiner Meinung nach hätten wir zum Investor von Anfang an ein Vertrauensverhältnis aufbauen müssen und nicht sagen dürfen: Wir müssen ihm gegenüber unsere Rechte verteidigen. Wir treten ihm seit einem halben Jahr gegen das Schienbein."

Steiner, 23. Januar: "Der Geschäftsführer eines Unternehmens kann nicht an die Presse gehen und öffentlich seinen Gesellschafter kritisieren. Normalerweise ist das ein abmahnungswürdiger Punkt."

Pressemitteilung des Aufsichtsrats, 26. Januar: "Wir werden nicht gegen die Interessen unseres Vereins und unter Druck von außen, der durch das Verhalten einzelner Personen erzeugt ist, personelle Konsequenzen beschließen, die gegen den mehrheitlichen Willen unserer Fans und Mitglieder sind."

Pressemitteilung von Schäfer, 17 Minuten später: "Die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA ist aufgrund der jüngsten Entwicklungen dazu gezwungen, sämtliche Transferbemühungen einzustellen."

Schäfer, 28. November: "Gerade in den letzten Gesprächen war der Verein durch Dieter Schneider hervorragend vertreten."

Schäfer, 19. Dezember: "Es ist absolut richtig, dass alle geschlossen die Interessen des Vereins vertreten und zusammenarbeiten. Darüber freue ich mich sehr."

Anfang Dezember trat Iraki, Ismaiks mächtiger Vertreter in München, als Aufsichtsrat und Beirat zurück. Seit wann kannte er noch mal Ismaik?

Iraki, 6. Juni 2011: "Ich kannte Hasan bereits seit einigen Jahren."

Iraki, 22. November 2012: "Ich kenne Ismaik auch erst seit 1860."

Welche Mitarbeiter wurden noch mal entlassen?

Schäfer, 16. Februar: "Schließlich haben wir die Einsparpotenziale bei Personalkosten bereits in der Vergangenheit genutzt."

Schäfer, 25. Februar: "Es sind keine Personen, die hier mit Millionen rausgegangen sind. Es sind die kleinen Leute."

Im Mai gab es das große Friedensgipfeltreffen, samt Friedenspfeiferauchen - ziehen seitdem alle an einem Strang?

Schäfer: 28. März: "Es wurden weder Köpfe gefordert, noch wurde über Köpfe geredet. Wir wollen wieder ein Verein sein, auf den die Fans stolz sein können, und wir werden die operativen Probleme von nun an als Team angehen."

Steiner, 7. Mai: "Jetzt sind wir in der Situation, Zukunft zu gestalten - in dieser Situation waren wir noch nie. Das findet er so: "Saugeil."

Iraki, 7. Mai: "Wir haben auch Arbeitsgruppen eingerichtet, für die Bereiche Marketing, Finanzen, Fans, Nachwuchsbereich und Networking."

Schneider, 7. Mai: "Es ist ja nicht so, als ob hier irgendwelche Arbeitsgruppen vor sich hinwurschteln."

Rahman, 21. Dezember: "Was wir nicht machen können, ist, Geld zu überweisen und gleichzeitig passiert nichts."

Hört Löwenstüberl-Wirtin Christl auf?

Schäfer, 23. August: "Wir werden sie herzlich verabschieden. Sie wird von uns einen großen Bahnhof und einen gebührenden Abschied in der Arena bekommen."

Christl, 23. August:"Es ist an der Zeit, zu gehen. Jetzt will ich in meinem Leben ein neues Kapitel aufschlagen. Es ist eine Entscheidung von beiden Seiten."

Christl, 25. August (weint):"Ich habe nicht gekündigt und ich habe nicht vor zu kündigen. Ich will gar nicht raus. Ich habe auch eine Seele. Ich habe gar keine Stimme mehr, so viel habe ich geweint. Das ist mein Wohnzimmer, mein Leben. Herr Schneider steht hinter mir."

Daniel Halfar, Mittelfeldspieler, 27. August: "Die Christl macht das doch ganz gut, ich habe da oft mit dem Benny Lauth gegessen. Ich hab' auch mal an meinem Geburtstag Schinkennudeln für alle in die Kabine kommen lassen. Und die waren gut."

Schäfer, 27. August:"Stüberlstreit ad acta gelegt. Wenn es ihn überhaupt jemals gegeben hat. Alle Löwen können auch in Zukunft weiter ihr Helles trinken, ihren Schweinebraten essen, Spiele schauen und Sechzig erleben, wo es anfassbar ist. Bei Christl war offenbar ein Prozess eingetreten über Nacht."

Christl, 27. August: "Herr Schäfer hatte mir Argumente genannt, die ich akzeptieren musste. Auch aus finanzieller Sicht. Ich bin dankbar, dass ich jetzt bleiben darf."

Schneider, 27. August:"Es hat das eine oder andere Missverständnis gegeben. Aber da haben sich heute halt mal ein paar vernünftige Menschen zusammengesetzt (Schäfer, Christl und er; d. Red.)."

Wie gut ist 1860 fußballerisch noch mal?

Maximilian Nicu, Defensivspieler, 15. März:"Wir wollten nach oben schielen, aber die Leistung hat nicht gepasst."

Florian Hinterberger, Sportdirektor, 2. April: "Wir haben heute die Chance verpasst, eine Symbiose mit unseren Fans zu schaffen."

Kevin Volland, Stürmer, 30. April:"In Zukunft müssen wir die Big Points machen."

Grzegorz Woitkowiak, Verteidiger, 30. Mai: "Ich weiß, was ich will: aufsteigen."

Iraki, 7. Mai:"Sein Ziel (Ismaiks) ist es immer, nach vorne zu schauen - und in drei Jahren Erstligist zu sein."

Hinterberger, 12. Juni:"Wir wollen schon um den Aufstieg mitspielen."

Halfar, 5. November:"Wir haben kein System."

Wie haben sich Hinterberger und Maurer bei den Transfers geschlagen?

Hinterberger, 13. April:"Jeder will an den Kuchen vom Investor ran. Aber so geht es nicht. Mit diesen Wunschträumen müssen die Leute sofort aufhören, sie werden sich nicht erfüllen." (Anm. d.Red.: Ismael Blanco, später geholt, kostete an Gehalt und Handgeld dem Vernehmen nach 800 000 Euro)

Reiner Maurer, damals noch 1860-Trainer, 20. Juni:"Tomasov muss jetzt erst mal schauen, welcher sein linker und welcher sein rechter Fuß ist."

Maurer, 22. Juni:"Wir brauchen noch einen Typen, der das Spiel in der Defensive lesen kann."

Schäfer, 10. Juli:So gut aufgestellt waren wir seit 2005 noch nie."

Hinterberger, 14. Juli:"Wir haben die Spieler bekommen, die wir wollten."

Ist Ismael Blanco ein Torjäger?

Hinterberger, 16. Juli:"Ismael ist ein international erfahrener Stürmer, der seine Torgefährlichkeit in den letzten Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Wir wünschen uns, dass er bei uns an diese Leistungen anknüpfen wird."

Maurer, 16. Juli:"Ismael Blanco ist torgefährlich."

Alexander Schmidt, neuer Trainer, 23. November:"Ich werde mit ihm arbeiten. Am Sonntag geht's bei ihm bei Null los. Ich will, dass er als Südländer Emotionen zeigt."

Schmidt, 16. Dezember:"Da müsste sich die ganze Mentalität ändern. 14 Ballkontakte in einem Spiel sind mir zu wenig."

Berater Wassily Krastanas, 28. Dezember:"Ein Wechsel steht nicht im Raum. Er fühlt sich in München sehr wohl. Die Familie ist da, die Kinder sind eingeschult. Er freut sich auf die Vorbereitung und möchte Gas geben für die zweite Saisonhälfte."

Bleibt Alexander Schmidt Trainer?

Hinterberger, 17. November:"In der Winterpause machen wir eine Bestandsaufnahme."

Schneider, 16. Dezember (vor der Winterpause):"Er wird Trainer über die Winterpause hinaus bleiben."

Hinterberger, 16. Dezember: "Also, ich kann das noch mal bekanntgeben. Das war eigentlich selbstverständlich."

Schäfer, 16. Dezember:"Ich bin überrascht. Dazu sage ich besser gar nichts."

Schneider, 17. Dezember.: "Für mich ist es immer klar gewesen, dass Alexander Schmidt Trainer bleibt."

Rahman, 20. Dezember:"Alexander Schmidt ist eine Übergangslösung."

Rahman, 21. Dezember:"Wir brauchen frisches Blut, und das betrifft das Management der Mannschaft. Den Trainer."

Wie steht 1860 finanziell jetzt noch mal da?

Schneider, 2. Juli 2011: "Wenn Sie so wollen, ja." Auf die Frage, ob 1860 nun mit dem Einstieg des Investors schuldenfrei sei.

Schäfer, 19. Dezember 2012: "Den Schuldenstand haben wir gegenüber 2010 um 30 Prozent reduziert, von 12 Millionen auf neun Millionen."

Wird jetzt endlich alles gut für den TSV 1860 München?

Schäfer, 19. Dezember:"Aufgrund unserer konservativen Planungen sind wir auf alle Eventualitäten eingestellt."

Rahman, 21. Dezember:"Wir werden uns schon einigen."

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SZ vom 29.12.2012/ebc
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