Zweitliga-Relegation:Durchmarsch perfekt

Die Würzburger Kickers meistern die Zweitliga-Relegation souverän. In Duisburg gewinnt das Team von Bernd Hollerbach das Rückspiel beim MSV mit 2:1.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg

Bernd Hollerbach hatte keine Zeit für die ARD-Reporterin. Die Sensation war gerade erst ein paar Sekunden alt, seine Würzburger Kickers waren soeben in die zweite Liga aufgestiegen, da musste der Trainer Hollerbach als Vater des Erfolgs zunächst einmal zu den Fans in die Kurve. Als er zehn Minuten später in die Katakomben der Duisburger Arena zurückkehrte, war die Live-Übertragung längst zu Ende. Hollerbach schlenderte unbehelligt in die Kabine. Seine Spieler, die ihm nach und nach dorthin folgten, trugen weiße T-Shirts, auf denen stand: "Einfach machen: 2. Liga." Die Spieler wirkten erschöpft, beinahe ratlos. "Ich kann das noch gar nicht fassen", sagte Abwehrmann Clemens Schoppenhauer. "Der Verein hat eine enorme Entwicklung durchgemacht - unbeschreiblich."

Mit einem 2:1 (1:1)-Erfolg im Rückspiel in Duisburg steigen die Kickers (nach dem 2:0-Hinspielsieg zuvor in Würzburg) als Drittliga-Neuling in einem Rutsch gleich ein zweites Mal auf und kehren nach 38 Jahren zurück in die zweite Liga. So ein Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga war zuvor nur RB Leipzig gelungen. Hollerbach war merklich stolz: "Das ist was ganz Spezielles, weil es der Verein meiner Jugend ist. Ich bin froh und stolz, diesem Verein etwas zurückgeben zu können." Der MSV Duisburg hingegen steigt nach nur einem Jahr in der zweiten Liga wieder ab.

"In Duisburg wird die Hölle los sein", hatte Hollerbach vor der Anreise ausdrücklich gewarnt. Und wirklich, als die Würzburger zum Aufwärmen den Rasen betraten, wurden sie mit sogleich einem schrillen Pfeifkonzert begrüßt. Der Trainer hatte nach dem souveränen Sieg im Hinspiel nur einen Wechsel in der Startelf vorgenommen: Marco Haller spielte auf Linksaußen anstelle von Nejmeddin Daghfous. Beim MSV nahm Trainer Gruev hingegen drei Wechsel vor, was nicht verwunderte nach einer mauen Leistung im Hinspiel. Überraschend stand der zuletzt verletzte Stürmer Victor Obinna gleich in der Startelf.

Auch in der Hölle gibt es Gefühle. Vor jedem Spiel singen die MSV-Fans eine elegische Liebeserklärung ("Duisburg, wie schön, dass es Dich gibt, Duisburg, ich bin in Dich verliebt."). Der Refrain hallte nach, während die Duisburger loslegten, als müssten sie die zwei Tore Rückstand binnen zehn Minuten aufholen. Sie setzten die Würzburger massiv unter Druck und hatten nach zwei Minuten bereits die erste Ecke. Doch die Kickers blieben sehr cool. Sie ließen in ihrem flachen 4-4-2 (mit gelegentlichem Übergang zur Fünferkette) kaum etwas zu. Hollerbach stand mit verschränkten Armen wie ein Cowboy am Spielfeldrand, während Gruev wie ein hungriger Löwe im Käfig durch seine Coaching-Zone tobte.

In der 17. Minute wurde es erstmals eng. Schoppenhauer störte Kingsley Onuegbu sechs Meter vor dem Tor gerade noch am Einschuss. Die Partie drohte ruppig zu werden, nachdem Peter Kurzweg Duisburgs Giorgi Chanturia mit gestrecktem Bein gebodigt hatte. Doch die Rollen wurden beibehalten. Duisburg drückte, Würzburg verteidigte - zunächst ohne Chance auf Konter. Zur 1:0-Führung brauchten die Gastgeber in der 33. Minute freilich die tatkräftige Mithilfe der Franken. Chanturia brachte von rechts gedrehte Flanke in den Strafraum, die Schoppenhauer ohne Gegenspieler und ohne Not mit dem Kopf so verlängerte, dass Torwart Wulnikowski dem Ball nur noch hinterherschauen konnte.

Duisburg darf vier Minuten lang hoffen - bis Soriano den ersten Kickers-Angriff veredelt

Das 0:1 in einer solchen Druckphase hätte den Würzburgern den Nerv und das Vertrauen rauben können, doch es dauerte nur vier Minuten, ehe Elia Soriano den ersten Würzburger Pass in den Duisburger Strafraum annehmen, sich elegant um seinen Gegenspieler Thomas Meißner drehen und zum 1:1 einschießen durfte. Hollerbach mahnte gestisch zur Ruhe, doch die Spieler flippten aus. Sie ahnten: Dieses Tor ist der Schlüssel zur zweiten Liga.

Drei Tore hätten die Duisburger in der zweiten Halbzeit noch erzielen müssen. Aber Würzburg war mit 36 Punkten das beste Auswärtsteam der dritten Liga und hat seit zwei Jahren keine drei Gegentore mehr zugelassen. Den Gastgebern war alsbald anzumerken, dass sie sich wenig ausrechneten. Würzburg kontrollierte das Spiel nun sogar, den Duisburgern fehlten der Glaube und die spielerischen Mittel, um die solide stehenden Gäste ernsthaft in Gefahr zu bringen. Obinna beleidigte Sekunden vor Schluss vor lauter Frust den Schiedsrichter Tobias Stieler und sah Rot. In der Nachspielzeit schoss Rico Benatelli sogar noch den 2:1-Siegtor für die Kickers.

"Oh, wie ist das schön", sangen die Würzburger Fans in ihrem kleinen Eckblock, als um 21.01 Uhr in Duisburg am westlichen Rand des Ruhrgebiets einer der schönsten Schlusspfiffe der Würzburger Vereinsgeschichte ertönte. Die Spieler bildeten auf dem Rasen einen Kreis und hüpften auf und ab. Hollerbach freute sich: "In dieser Mannschaft ist eine besondere Energie, es ist unglaublich, was die Mannschaft im letzten halben Jahr geleistet hat." Im Kabinengang stand derweil selig lächelnd der Vorstandsboss Daniel Sauer und hatte "keine Ahnung", wie dieser Erfolg zu feiern sei. Sein nächstes Vorhaben: "Wir müssen dann irgendwann mal mit der Deutschen Fußball-Liga sprechen - um zu erfahren, wie es weitergeht."

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