Zweitliga-Abstiegskampf:Das Schicksal dreht sich für 1860 erneut

Lesezeit: 3 Min.

Münchens Michael Liendl (l.) und Abdoulaye Ba sitzen auf dem Rasen, während im Hintergrund die Heidenheimer Spieler den Sieg bejubeln (Foto: dpa)
  • Der TSV 1860 München steht zwischenzeitlich vorm Klassenerhalt, doch dann ändert sich die Lage in der Liga und die Münchner müssen in die Relegation.
  • Dafür freut sich Arminia Bielefeld.
  • Tabelle und Ergebnisse finden Sie hier.

Von Markus Schäflein, Heidenheim

So zäh, wie die ganze Saison verlaufen war, schlängelten sich die Autos den Heidenheimer Schlossberg hinauf. Tausende Anhänger des TSV 1860 München erschienen zum Zweitliga-Finale, es galt schließlich, eine völlig missratene Saison zu retten, in der sich die Löwen weder in der Hinrunde mit dem Personal und der Taktik von Sportchef Thomas Eichin und Trainer Kosta Runjaic noch in der Rückrunde mit Personal und Taktik von Vitor Pereira von der Abstiegszone abzusetzen vermochten. Auf dem Relegationsplatz reisten sie an - und auf dem Relegationsplatz reisten sie nach einem zähen Spiel wieder ab. Weil sie 1:2 verloren, nachdem sie Stefan Aigner in Führung gebracht hatte. Und weil Bielefeld nach einem 0:1-Rückstand bei Dynamo Dresden noch ein 1:1 erkämpfte. Die Münchner treffen nun in der Relegation auf Drittligist Regensburg; die Würzburger Kickers, die 1:4 bei Meister Stuttgart verloren, steigen direkt ab.

Mit ohrenbetäubendem Gebrüll und Getöse hatte der Heidenheimer Stadionsprecher vor Spielbeginn die mitgereisten Löwen-Fans übertönt, mit Anpfiff jedoch übernahmen die Münchner Anhänger die Initiative - erst mit Rauch und Böllern, dann mit Dauergesang. Auf dem Rasen zeigten sich die Spieler der Löwen weniger selbstbewusst, viele Fehlpässe schlichen sich in den Spielaufbau, nach einer Viertelstunde war Sascha Mölders, der im Sturmzentrum Christian Gytkjaer ersetzte, schon am Schimpfen und Schulterzucken.

Für die Innenverteidigung war Felix Uduokhai nicht rechtzeitig fit geworden; für ihn setzte Trainer Vitor Pereira überraschend weder Kai Bülow noch Sebastian Boenisch ein, beiden vertraute er für diese wichtige Partie offenkundig nicht. Stattdessen kam der 22-jährige Felix Weber zu seinem Zweitliga-Debüt. "Wir konnten wegen unserer Geschwindigkeitsdefizite in der Abwehr nicht im Block pressen", hatte Pereira nach der Niederlage gegen Bochum erklärt. Und spielte damit auf den Ausfall von Uduokhai an, der wegen eines Faserrisses im Oberschenkel auch in Heidenheim fehlte. Deshalb also der schnellere Weber anstelle des erfahrenen Bülow: Pereira erhoffte sich mehr Tempo für sein geliebtes Pressing.

Das war sehr mutig. Also typisch Pereira. Der schöne Fußball, den Sechzig unter Pereira zeitweise zeigte, war aber trotz dieser Personalien wie schon gegen Bochum verschwunden. Und auch vom "Kämpfen, Kratzen und Beißen", das die Fans auf einem Plakat gefordert hatten, war wenig zu sehen. Es lief die 33. Minute, als Pereira mit den Fingern in seine Mundhöhle griff und einen gut durchgemalmten Kaugummi ans Tageslicht beförderte, weil er ihn nun wirklich nicht mehr benötigte. Pereira bückte sich und klebte das Gummi an die Seite der auch ihm zugewiesenen Bank am Spielfeldrand, auf dem die Männer des TSV 1860 München saßen.

Aus Pereiras Sicht war immerhin der Kampf gegen den direkten Abstieg nun gelaufen. Zwar stand es in Heidenheim noch 0:0, aber soeben war ein Tor im 70 Kilometer entfernten Stuttgart gefallen. Matthias Zimmermann, mit dem Vollspann aus 25 Metern - ein wunderbares Tor. Und wer glaubte schon im Ernst daran, dass die in diesem Kalenderjahr noch sieglosen Würzburger Kickers eine Partie beim Tabellenführer noch drehen würden, der ja nicht nur eine Flasche Schampus kaltgestellt hatte, um am Sonntag den sofortigen Wiederaufstieg in die Bundesliga zu feiern. Pereira glaubte daran ganz sicher auch nicht. Aber den Relegationsplatz galt es ja noch zu verlassen.

In der 36. Minute gab Levent Aycicek erstmals einen Torschuss ab, der Ball flog über die Osttribüne. Fast wäre Heidenheim in Führung gegangen, aber 1860-Torwart Stefan Ortega hatte keine Probleme mit dem Kopfball von Tim Kleindienst. Kurz vor der Pause scheiterte Abdoulaye Ba, ebenfalls per Kopf, an FCH-Keeper Kevin Müller, dann ging es mit 0:0 - auf dem Relegationsplatz - in die Kabine.

Auch zum Start der zweiten Hälfte zündeten die 1860-Fans wieder Pyrotechnik, auf dem Rasen ging es so zäh weiter wie gehabt. Bis die 61. Minute kam, Stefan Aigner im Sprint eine Ecke herausholte und den von Liendl getretenen Ball zum 1:0 ins Tor köpfte. Fast zeitgleich ging Dresden gegen Bielefeld in Führung, im 1860-Block gab es kein Halten mehr, und Pereira hatte allen Grund, sich des nächsten Kaugummis zu entledigen. Plötzlich war Sechzig durch und hatte die Partie im Griff. Dachte man.

Aber dann drehte sich das Schicksal erneut. Erst traf Bielefelds Julian Börner in Dresden zum 1:1, dann glich auch noch Heidenheim aus. Schnatterer flankte aus dem rechten Mittelfeld, niemand kam an den Ball, aber Torwart Ortega war so irritiert, dass er den Ball ins Netz trudeln ließ. Kurz vor Schluss gelang Tim Kleindienst noch das 2:1, womit endgültig klar war: 1860 muss wie vor zwei Jahren in die Relegation.

Zäh schlängelten sich die enttäuschten Münchner den Schlossberg hinunter - und am Freitag fahren sie nach Regensburg.

© SZ vom 22.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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