Zweite Liga:"Der Verein hat versagt"

Paderborn und Frankfurt steigen ab, Duisburg rettet sich aus hoffnungsloser Lage immerhin noch in die Relegation.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg

Bernard Dietz müsste längst ein dickes Fell haben. 17 Jahre lang war der heute 68-Jährige Fußballprofi in Duisburg und Schalke, danach 25 Jahre Trainer bei verschiedenen westfälischen Klubs. Mittlerweile ist er Vizepräsident beim MSV und hat mit dem schlingernden Traditionsklub in den vergangenen Jahren alle bewegenden Ereignisse erlebt, die der Fußball hergibt: zwei Aufstiege in die Bundesliga samt sofortiger Wiederabstiege, zwei drohende Insolvenzen, einen Lizenzentzug in der zweiten Liga, den Neubeginn in der Drittklassigkeit, 2015 dann den Wiederaufstieg in die zweite Liga und am Sonntag gegen RB Leipzig jenen pulserhöhenden 1:0-Sieg, der Duisburg in die Relegation rettete. Hinterher stand Dietz abgekämpft im des Stadion und gestand: "Man kann sich da kein dickes Fell zulegen, man spielt und leidet im Kopf immer mit."

Paderborn erlebte einen 20-monatigen Absturz - Präsident Finke trat am Montag zurück

Mit Dietz war Duisburgs Fußball in den Siebzigern ansehnlicher, aber um einen Schönheitspreis ist es am Sonntag nicht gegangen, als der Georgier Giorgi Chanturia eine Viertelstunde vor dem Ende eines quälenden Spiels mit einem Solo durch die Leipziger Abwehr taumelte und den Ball soeben noch ins Tor bugsierte. Der Treffer, der Sieg und die jüngste Bilanz mit 26 Punkten aus 21 Spielen unter Trainer Ilia Gruev retteten den monatelang abgeschlagenen Tabellenletzten MSV kurz vor dem Saisonende auf den drittletzten Rang. Am Freitag spielen die Duisburger beim Drittliga-Dritten Würzburger Kickers - am Dienstag darauf in der heimischen Arena. Das Rückspiel muss sich Dietz im Fernsehen anschauen. Er urlaubt auf Usedom.

War der Trainerwechsel in Duisburg der Auslöser für die Aufholjagd (nach 0,45 Punkten pro Spiel unter Gino Lettieri holte der MSV unter Gruev 1,2 Punkte pro Spiel), so war er beim FSV Frankfurt vielleicht eine fatale Entscheidung. Thomas Oral hatte seinen Weggang zum Saisonende angekündigt und galt Mitte April nach einer Serie von sieben Spielen ohne Sieg und einem 1:4 in Bochum als nicht mehr tragbar. Immerhin hatte er zuvor in 29 Spielen 29 Punkte geholt. Als Oral entlassen wurde, hatte Frankfurt als Tabellen-14. vier Punkte Vorsprung vor der Abstiegszone und sieben Punkte mehr als das Schlusslicht Duisburg. Dann kam Falko Götz.

"Wenn man absteigt, waren sowieso alle Entscheidungen falsch", sagte am Sonntagabend Clemens Krüger. Der Geschäftsführer des FSV will bislang nicht kommentieren, ob es ein Fehler war, Götz zu holen, aber die Fakten lassen kaum eine andere Interpretation zu. Vier Niederlagen und nur der 2:1-Sieg am Sonntag gegen 1860 München unter Götz waren zu wenig. Punktgleich mit Duisburg steigt Frankfurt aufgrund des schlechteren Torverhältnisses nach acht Jahren aus der zweiten Liga ab. 2013 hatte man als Tabellen-Vierter sogar mal die Bundesliga im Blick.

Noch dramatischer ist der Absturz des SC Paderborn. Ende September 2014 gastierten die Ostwestfalen unter dem damaligen Trainer André Breitenreiter am fünften Spieltag als Bundesliga-Tabellenführer beim FC Bayern München. Seither erlebt der Klub eine Talfahrt, die im Mai 2015 zunächst zum Bundesliga-Abstieg führte und am Sonntag nach dem 0:1 gegen Nürnberg im Absturz in die Drittklassigkeit endete. An den beiden Trainerwechseln lag die Paderborner Misere aber nur bedingt. Denn Markus Gellhaus (0,7 Punkte pro Partie in zehn Spielen), Stefan Effenberg (0,85 Punkte pro Partie in 14 Spielen) und René Müller (0,9 Punkte pro Partie in zehn Spielen) haben alle eine ähnliche Bilanz. Paderborns 20-monatiger Absturz hat die Mannschaft trotz vormals noch nahezu Bundesliga-tauglicher Akteure wie Moritz Stoppelkamp, Süleyman Koc oder Marvin Bakalorz sukzessive zermürbt.

"Der Verein hat versagt", bilanzierte Stoppelkamp am Sonntag. Nach Selbstkritik klang das zwar nicht, aber Präsident Wilfried Finke ist offenbar ähnlicher Ansicht. Sein Rücktritt am Montag soll den Weg für den Neuaufbau freimachen. Als Vorbild taugt Duisburg nach seinen zwei Jahren in der Drittklassigkeit von 2013 bis 2015 gut.

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