Zweite Fußball-Bundesliga:Großer e.V. gegen kleine AG

31 10 2016 Fussball Saison 2016 2017 2 Fussball Bundesliga 11 Spieltag FC St Sankt Pau

Möglicher Wintertransfer: Angesichts der Finanzlage beim 1. FC Nürnberg ist es offen, wie lange Trainer Alois Schwartz Torjäger Guido Burgstaller noch am Ohrläppchen ziehen kann.

(Foto: Zink/Imago)

In Nürnberg herrscht Pluralität, in Würzburg hat ein einzelner die Fäden in der Hand. Vor dem Spiel gegen den Emporkömmling aus der Nachbarschaft bereitet der Club eine Rechtsformänderung vor.

Von Markus Schäflein

Seit 1978 hat sich kein Pflichtspiel zwischen dem 1. FC Nürnberg und den Würzburger Kickers mehr ereignet. In der bis 2016 einzigen Zweitligasaison der Unterfranken stiegen die Würzburger ab - und die Nürnberger in die Bundesliga auf. Bis in die Bezirksliga fielen die Kickers anschließend, nun sind sie vor dem Aufeinandertreffen die Nummer eins in Franken - mit schon 20 Punkten stehen sie in der Tabelle jedenfalls vor den Nürnbergern (18). Das Spiel an diesem Freitagabend (18.30 Uhr) ist aber mehr als Traditionsverein gegen Emporkömmling, mehr als drückende Erwartungshaltung gegen entspannten Erfolg. Es ist auch das Treffen eines großen eingetragenen Vereins gegen eine kleine Aktiengesellschaft.

Zwar hält der Würzburger Kickers e.V. alle Aktien am ausgegliederten Profifußball, aber im Aufsichtsrat sitzen nur drei Personen: Investor Thorsten Fischer sowie in Tanja Hammerl, seiner Geschäftspartnerin bei der Online-Druckerei Flyeralarm, und in Christoph Schleunung, seinem Geschäftsführer-Kollegen beim Druckhaus Mainfranken, zwei Vertraute. Alle Fäden laufen mithin beim weitaus größten Geldgeber zusammen. Im e.V.-Aufsichtsrat der Nürnberger, der direkt von der Mitgliederversammlung gewählt wird, herrscht hingegen Pluralität. Dort finden sich unter anderen: der Oberbürgermeister, ein ehemaliger Hockey-Olympiasieger, ein früherer Radioreporter. Um Stimmen wird dort geworben, um Mehrheiten gerungen. Das ist eine Vereinsdemokratie - um den Preis, dass Entscheidungen, wie zuletzt bei der Trennung vom früheren Sportvorstand Martin Bader zu beobachten, viel länger dauern und viel mehr öffentlichen Wirbel verursachen als anderswo.

"Wir Clubfans brauchen den Erfolg nicht auf Teufel komm' raus", sagt ein Vertreter der Ultras

Club-Finanzvorstand Michael Meeske und der Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Thomas Grethlein treiben aber nicht deshalb eine Ausgliederung des Profifußballs in eine Kapitalgesellschaft, wohl auch eine AG oder eine GmbH & Co. KGaA, voran. Vielmehr droht der e.V. auf Dauer in die Pleite zu rutschen. "Aufgrund der Marktentwicklung sieht der Verein es als seine Pflicht, sich über die Zukunftsfähigkeit Gedanken zu machen", erklärt Meeske. Die aktuelle Nürnberger Notlage hat aber nicht nur mit dem Markt zu tun: Das noch von Bader geplante Finanzmodell mit einem enorm teuren Kader fußt auf regelmäßigen Transfereinnahmen. So wird derzeit beispielsweise diskutiert, ob es sinnvoll ist, Torjäger Guido Burgstaller schon im Winter abzugeben, um noch eine Ablöse zu generieren - oder ob das Risiko, dadurch in ebenfalls kostspieligen sportlichen Misserfolg zu geraten, zu hoch ist. Der von rund 17 Millionen Euro Verbindlichkeiten geplagte Club hat seinem Sportvorstand Andreas Bornemann jedenfalls aufgetragen, für den Lizenzspieleretat der kommenden Saison rund drei Millionen Euro durch Transfererlöse beizusteuern - oder das Vorjahresbudget um jenen Fehlbetrag durch Einsparungen bei den Gehältern zu reduzieren. So oder so ist die Trennung von wichtigen Spielern absehbar. Die Rechtsformänderung könnte aus Meeskes Sicht ein "Befreiungsschlag" sein; sie durchzusetzen, wird allerdings eine schwere Aufgabe, denn dafür ist eine Dreiviertel-Mehrheit in einer Mitgliederversammlung nötig. "Das ist ein Prozess, der in den Gremien des Vereins angedacht und in einem gemeinsamen Prozess mit Interessenvertretern des Vereins diskutiert und erweitert wird", sagt Meeske. Während die Ausgliederung der damaligen Regionalliga-Mannschaft in eine AG bei den Würzburgern vor zwei Jahren von rund 70 Mitgliedern in der Vereinsgaststätte beschlossen wurde, erwarten die Nürnberger zu ihren Versammlungen über 1000 Menschen in einer großen Halle, die Ultras bilden einen gewichtigen Block. Meeske lädt auch Vertreter der Ultras zu den Runden Tischen. Er will unter anderem erläutern, dass ein Allmachtsmodell nicht geplant ist. Aber ihre Haltung pro e.V. scheint unumstößlich zu sein. Unlängst gab es eine Diskussionsrunde des Fanverbandes im Kulturzentrum Z-Bau. "Es ist unsere Aufgabe, Stimmungen unter den Fans aufzugreifen", sagte dort Christian Mössner von den Ultras Nürnberg laut der Nürnberger Zeitung. "Wir haben sonst die Gefahr, dass unsere Mitglieder sich streiten und ein Keil in die Fans getrieben wird." Und dann sprach er noch einen Satz, der viele handelsübliche Argumente unbrauchbar macht: "Wir Clubfans brauchen den Erfolg nicht auf Teufel komm' raus, wir können auch warten."

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