Süddeutsche Zeitung

Zweite Bundesliga:Würzburger Selbsthilfegruppe

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Die Kickers entlassen Marco Antwerpen und stellen Bernhard Trares als neuen Trainer vor. Nach dem zweiten Trainerwechsel der noch jungen Saison räumt Klubberater Felix Magath Fehler ein.

Von Sebastian Leisgang

Am Montagmittag hat Felix Magath eine Rede gehalten. Gerade eben erst hatten die Würzburger Kickers mitgeteilt, dass Marco Antwerpen seinen Platz räumen muss und der neue Trainer Bernhard Trares heißt, jetzt ließ sich Magath in einem Raum des Dallenbergstadions in einem Stuhl nieder und redete über Einmütigkeit und Zusammenhalt. Mit wem führt einer wie Magath in solch einer Situation ein Gespräch? Mit wem tauscht er sich aus an einem Tag, an dem die Kickers schon zum zweiten Mal in dieser noch jungen Saison einen Trainer von seinen Aufgaben entbunden haben? Spricht Magath da mit Thorsten Fischer, dem Investor des Vereins? Spricht er mit Bernd Hollerbach, seinem langjährigen Weggefährten, der derzeit ohne Anstellung ist? Spricht er mit sich selbst?

Magath, 67, sprach an diesem Montagmittag zur Würzburger Mannschaft.

Es sind kalte Tage am Dallenberg, nicht nur, weil der Winter über die Stadt hereinbricht. Sondern auch, weil die Kickers in der zweiten Länderspielpause dieser Saison am Tabellenende der zweiten Liga stehen. Dass Magath nun, nach nur einem einzigen Punkt aus den ersten sieben Spielen, Sätze an die Mannschaft gerichtet hat, dokumentierte, in welch alarmierende Lage die Kickers geraten sind. Und es warf die Frage auf: Wie soll es ihnen gelingen, in Zukunft nicht mehr als chaotischer und zerrütteter Klub daherzukommen?

Es war ja durchaus ein kraftvolles Bild, das sich da am Montagmittag im Dallenbergstadion zeigte: Magath, wie er auf einem Stuhl saß, auf Augenhöhe zu den Spielern. Dass er nicht stand, war alles andere als ein nebensächliches Detail, es war vielmehr elementar, denn Magath auf einem Stuhl, das hieß ja: Fürchtet euch nicht! Ich bin einer von euch. Und wir sind es, die all das, was in den vergangenen Wochen aus dem Ruder gelaufen ist, gemeinsam wieder zurechtrücken.

Mag sein, dass die Runde den Eindruck einer Selbsthilfegruppe erweckte. Mag sein, dass es den Kickers sogar bekommen würde, das eine oder andere Gespräch wie in einer Selbsthilfegruppe zu führen - doch Magaths Botschaft kam an. Die Mannschaft, so sagt es einer, der es wissen muss, habe die Worte des Klubberaters als beruhigend empfunden. Mehr noch: Sie sei erleichtert gewesen, Antwerpen los zu sein.

In den sechs Wochen seines Schaffens sei es Michael Schieles Nachfolger nie gelungen, die Spieler hinter sich zu bringen. Im Gegenteil: Antwerpens Verhältnis sei äußerst gestört gewesen - nicht nur zur Mannschaft, sondern auch zu Magath und den Trainerassistenten, die nach Schieles Aus Ende September geblieben waren. Wie beratungsresistent Antwerpen gewesen sei, wie er sich nach Niederlagen aus der Verantwortung gestohlen habe, wie schroff er mit Spielern und Vereinsmitarbeitern umgegangen sei, das habe für "kollektives Kopfschütteln" gesorgt. Nicht nur nach dem 2:3 gegen den VfL Bochum, nach dem Antwerpen Torwart Fabian Giefer öffentlich anzählte und die mangelnde Fitness der Innenverteidiger Douglas und Ewerton zum Thema machte.

Auch für Magath war das ein Unding. Als der leitende Angestellte des Kickers-Investors am Montagnachmittag auf dem Trainingsgelände im Würzburger Nachbarort Randersacker stand, übte er scharfe Kritik an Antwerpen. Er räumte aber auch ein: "Ich habe Marco Antwerpen verpflichtet, und ich habe einen Fehler gemacht." Er habe dem Trainer in den vergangenen Wochen "immer völlig freie Hand gelassen" - das werfe er sich nun selbst vor. "Ich bin bewusst kaum hier gewesen", erklärte Magath, "das könnte sich jetzt ändern."

Als Magath all das sagte, lief bereits die erste Einheit unter Trares, der zuletzt für Waldhof Mannheim gearbeitet und den Traditionsverein in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit aus der Regionalliga in die dritte Liga geführt hatte. Vor der Kulisse der Weinberge bat Trares seine neue Mannschaft zunächst zu einer Passübung. Der Lärm der nahegelegenen Autobahnbrücke durchschnitt zwar immer wieder seine Anweisungen, doch die Sonne schien, und auch Magath machte einen zufriedenen Eindruck. Jetzt, da Antwerpen Geschichte ist, hat er ja einen Trainer um sich, von dem er weiß, was zu erwarten ist. Als Bundesligaspieler sei Trares früher, so sagte es Magath, "ein Mannschaftssportler durch und durch" gewesen. Und: Trares habe Ende der Neunziger beim SV Werder Bremen unter einem ziemlich guten Trainer gearbeitet, nämlich ihm, Magath.

Dass er Antwerpen am Freitagabend vor laufender Fernsehkamera noch zugesichert hatte, in Ruhe weiterarbeiten zu können? Unerheblich. Denn, so Magath: "Der Trainer kann weiter in Ruhe arbeiten - halt woanders. Wo ist jetzt das Problem?"

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SZ vom 10.11.2020
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