Zweite Bundesliga:Die zweite Chance

1. Fussball Bundesliga FC Bayern München - SC Freiburg Saison 2019 / 2020 Joshua Kimmich FC Bayern München jubelt über

Mittendrin: Vor zwei Jahren hatte es Sarpreet Singh vorübergehend bereits in den Erstligakader des FC Bayern geschafft, hier zwischen Leon Goretzka (links) und Joshua Kimmich.

(Foto: Stefan Matzke/Stefan Matzke / sampics / imago)

Der FC Bayern verleiht Sarpreet Singh ein weiteres Mal, nun an den SSV Jahn Regensburg. Der Zweitligist setzt auf Singhs Vielseitigkeit - und will ihn dort einsetzen, wo er sich am wohlsten fühlt.

Von Christoph Leischwitz

Im April vergangenen Jahres war es still geworden um Sarpreet Singh, im Wortsinn: Kaum jemand lebte während des ersten Lockdowns auf dem Campus des FC Bayern München, die meisten Mitspieler saßen da zu Hause. Das war für den nunmehr 22-jährigen Neuseeländer natürlich zu weit entfernt. So arbeitete der Mittelfeldspieler viel an seiner Fitness. Damals meinte er, dass es in solchen Zeiten doch genau darauf ankomme: "Was machst du, wenn niemand zuschaut?" Das Problem war nur, dass ihm auch danach kaum jemand zuschauen konnte. Zwar durfte Singh später bei den Bundesliga-Profis mittrainieren, das bedeutete aber aufgrund des Hygienekonzepts, dass er nicht mehr so einfach für die U23 auflaufen durfte - die finalen Wochen bis zur überraschenden Meisterschaft in der dritten Liga erlebte er nur als Zuschauer auf der Tribüne.

Und dann begann das, was man beim FC Bayern gerne tut mit Spielern, die man noch nicht als robust oder selbstbewusst genug ansieht für die eigene erste Mannschaft: Man leiht sie aus. Das hat in der Vergangenheit oft gut geklappt, mit Philipp Lahm und David Alaba etwa, auch mit Serge Gnabry. Doch mittlerweile bedeutet das häufiger einen Abschied auf Raten. Immerhin ist es nun nicht mehr still um Sarpreet Singh, er bekommt eine ziemlich hochklassige zweite Chance. Am Dienstag gab der Zweitligist SSV Jahn Regensburg seine Verpflichtung für ein Jahr bekannt.

Sarpreet Singh (1. FC Nürnberg,8) - 2. Fussball Bundesliga Saison 2020-2021 Punktspiel Eintracht Braunschweig vs. 1. FC

Skeptisch: Beim 1. FC Nürnberg begutachtete man die Vorstellungen des technisch beschlagenen Sarpreet Singh offenbar kritisch.

(Foto: Christian Schroedter/imago images)

Bislang darf man Singhs Entwicklung als durchaus typisch bezeichnen, was man an mehreren seiner Bayern-Mitspieler sehen kann, die zur selben Zeit ausgeliehen wurden: Torwart Christian Früchtl, der zusammen mit Singh im Sommer 2020 zum 1. FC Nürnberg ging, bekam noch weniger Einsatzzeit als dieser, nämlich gar keine. Flügelstürmer Oliver Batista Meier ging in die erste niederländische Liga, zum SC Heerenveen - und spielte dort kein einziges Mal über 90 Minuten. Joshua Zirkzee wechselte zum Serie-A-Klub AC Parma, kam in einer Halbserie auf vier Kurzeinsätze und hat nun einen "Absteiger"-Stempel im Lebenslauf. Auffällig ist, dass vor allem jene Probleme bekamen, die gegen den Abstieg spielen mussten. Ein möglicher Grund: Der von den Bayern gepflegte Dominanz-Fußball hilft bei solchen Vereinen nicht weiter, im Gegenteil, ihre Qualitäten sind nicht gefragt, wenn eine Mannschaft mit dem Rücken zur Wand steht. Das wurde bei Singh deutlich, als im vergangenen Winter seine Leihe beim Club vorzeitig beendet wurde. Sofort versuchte er, bei Bayerns U23 wieder die Fäden im Mittelfeld zu ziehen, das Spiel schnell zu machen, die finalen Pässe auf die Angreifer zu geben. Doch nun spielte er schier unerklärliche Fehlpässe und vergab viele Großchancen. Die Mannschaft stieg ab, die vormals Dominanten wirkten ratlos und seltsam gehemmt. In der Regionalliga Bayern allerdings, in der die U23 von der kommenden Woche an wieder startet, hat Singh beim besten Willen nichts verloren.

In Regensburg sehen sie es positiv, dass er den Abstiegskampf in der zweiten Liga schon kennt

Da kam die Leihe nach Regensburg genau recht. So ist er nicht weit weg, werden sie am Campus in München denken, man ist schnell in der Oberpfalz, um spontan mal zuzuschauen. Freilich kann ein Spieler in seiner Situation auch nicht lange darüber nachdenken, ob er nun schon wieder zu einer Mannschaft stößt, die gegen den Abstieg spielt. Regensburgs Trainer Mersad Selimbegovic kann Singhs Werdegang sogar etwas Positives abgewinnen: "Er hat das ja schon einmal erlebt. Die zweite Liga ist für ihn kein Neuland." Singh bringe so viele Qualitäten mit, dass man sich von seinem Nürnberg-Flop nicht habe abschrecken lassen. Dort hatte er zumindest teilweise unverschuldet so oft auf der Bank gesessen, weil sein stark technisch geprägtes Offensivspiel selten gefragt war. Beim Jahn vertraut man auf seine Anpassungsfähigkeit: "Er kann hängende Spitze oder auch Achter mit einem Sechser spielen", sagt Selimbegovic. In den kommenden Wochen werde man sehen, "wo er sich am wohlsten fühlt, und da werden wir ihn dann auch einsetzen". Und ja: Wenn Singh in Regensburg so aufblühe wie der Campus-Sechser Adrian Fein in der Saison 2018/19, dann seien alle Beteiligten glücklich.

Bei einigen Spielern aus der jüngeren Campus-Vergangenheit sieht es so aus, als ob sie durchaus den richtigen Weg eingeschlagen hätten. Fein wird nach den Stationen Regensburg, Hamburger SV und PSV Eindhoven wohl gleich wieder verliehen, aktuell wird er mit der SpVgg Greuther Fürth in Verbindung gebracht. Niklas Dorsch steht unmittelbar vor einem Wechsel zum FC Augsburg - und könnte gleich am ersten Spieltag Angelo Stiller als Gegenspieler im zentralen Mittelfeld haben, der zur TSG Hoffenheim wechselte. Sie alle hätten dann das wichtigste Ziel erreicht, das man am Bayern-Campus verfolgt: die erste Liga. Wobei es fast so erscheint, als bilde der FC Bayern eher für andere Klubs aus als für den eigenen. Dorsch und Stiller jedenfalls sind keine Leihgaben mehr, sondern Weggänger. Sie hatten für die erste Mannschaft des Rekordmeisters keine Perspektive bekommen.

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