Zweite Bundesliga:Der Stille mit Selbstbewusstsein

Tor 1:1, Marvin Pieringer (Wuerzburg 10) mit Torschuss und Treffer zum 1-1 Ausgleich, Philipp Kühn (VfL Osnabrueck 22),

Frische, Leichtigkeit, Elan: Marvin Pieringer (in gelb) trifft in der zweiten Liga, hier gegen Osnabrück, genauso selbstverständlich wie in der Regionalliga - und verkörpert alles, was dem Tabellenletzten zuvor fehlte.

(Foto: Martin Ewert/foto2press/imago)

Zwei Spiele, drei Tore: Der aus Freiburg geliehene Marvin Pieringer hat die Würzburger Kickers wiederbelebt - auch weil sein Transfer aus der Reihe fällt.

Von Sebastian Leisgang

Es war einer jener Momente, die sich nicht sofort wieder verflüchtigen. Einer jener Momente, die nachwirken, weil sie für sich stehen und über die Zeit hinausreichen. Ein kalter Mittwochabend im Dallenbergstadion, gut eine Woche her, die Würzburger Kickers hatten es mit dem FC St. Pauli zu tun. Das Spiel war noch keine zehn Minuten alt, da ahndete der Schiedsrichter ein Foul und deutete auf den Strafstoßpunkt. Nüchtern betrachtet war es nur ein Elfmeter, die banalste Pflichtübung, vor der ein Fußballer stehen kann, eine Standardsituation im Wortsinn. Weil aber niemand Fußball schaut, um ihn nüchtern zu betrachten, war der Elfmeter weit mehr als ein Schuss aus elf Metern. Er war das, was er in gewissen Momenten immer ist: eine Charakterprüfung.

Marvin Pieringer, 21, war erst ein paar Tage in Würzburg, die Partie war seine erste überhaupt in der zweiten Bundesliga, und, auch das ist zentral für die Einordnung: Bei den Kickers standen Spieler wie Rolf Feltscher, Arne Feick und Ewerton auf dem Platz, Spieler, die schon in der Bundesliga, der Serie A und der Europa League ihren Mann gestanden haben. Wer auf der Tribüne saß und hinunterschaute, der spürte die Schwere des Augenblicks. Es war ein immens wichtiges Spiel für Würzburg, "ein Endspiel", wie Trainer Bernhard Trares im Vorfeld gesagt hatte.

Pieringer aber trat an - und traf, als wäre der Elfmeter doch bloß ein Elfmeter.

Ein Anruf bei Klemens Hartenbach, dem Sportdirektor des SC Freiburg, jenes Klubs, der Pieringer zu den Kickers ausgeliehen hat. Hat es ihn überrascht, dass Pieringer den Elfmeter geschossen hat? "Ja, das muss ich schon zugeben", sagt Hartenbach. In Freiburg halten sie sehr große Stücke auf Pieringer; mit welcher Selbstverständlichkeit sich der Angreifer aber in Würzburg eingeführt habe, das sei erstaunlich, betont Hartenbach.

Was ihn ausmacht? Einerseits "eine hohe Spielintelligenz" - andererseits ist er sich "für nichts zu schade"

Vor nicht allzu langer Zeit gab Pieringer noch Interviews, bei denen Freiburgs Reservetrainer Christian Preußer an seiner Seite saß. Es war eine Zeit, in der Pieringer deutlich mehr Torchancen ausließ, als er verwertete. Inzwischen aber habe er sich "enormes Selbstvertrauen angeeignet", sagt Hartenbach, "dadurch muss er immer weniger überlegen und macht automatisch vieles richtig." Wie gegen St. Pauli. Und wie bei seinem zweiten Spiel für die Kickers in Osnabrück, als er gleich zweimal traf.

Die Geschichte von Pieringers ersten Tagen in Würzburg ist auch deshalb eine gute, weil sie gegenläufig ist zur Geschichte seines neuen Teams. Hier Pieringer, der Frische, Leichtigkeit und jugendlichen Elan versprüht, dort die Kickers, die vor dem Jahreswechsel unbeholfen, schwermütig und eingefahren daherkamen.

Pieringer hat nur 180 Minuten gebraucht, um Würzburg mit dem wiederzubeleben, was ihn auszeichnet: einerseits "eine hohe Spielintelligenz" und eine fußballerische Komponente, wie Trares sagt - andererseits aber auch, dass er sich "für nichts zu schade" sei, wie Hartenbach erklärt. Dieser Mix ist es, mit dem sich Pieringer in den Vordergrund gespielt hat. Abseits des Feldes fühlt er sich allerdings nicht besonders wohl, wenn alle Augen auf ihn gerichtet sind. Pieringer ist keiner, der gerne oben auf der Bühne steht, dabei gibt seine Geschichte ja auch deshalb so viel her, weil sie anders ist.

Trainer Trares hat das Gefühl, "dass etwas Neues geboren wird"

In Würzburg ist immer alles im Fluss, im Sommer wie im Winter, Pieringer ist einer von mittlerweile 20 (!) Neuen in dieser Saison. Aber, und das ist wichtig: Pieringer ist nicht bloß irgendeiner dieser 20. Im Gegensatz zu Spielern wie Feltscher, Feick und Ewerton muss sich Pieringer erst noch beweisen. Bevor er gegen Mannschaften wie St. Pauli und Osnabrück traf, hießen die Gegner in der Regionalliga Südwest Balingen, Gießen und Stadtallendorf.

An diesem Freitag geht es dann für Pieringer und Würzburg gegen Braunschweig. Der Tabellenletzte gegen den Sechzehnten, ein Schlüsselspiel, das die Kickers auch dank Pieringer mit einem "anderen Geist" angehen, wie Trares sagt. Sein Team habe lange Zeit "mit sich selbst zu tun" gehabt, jetzt habe er das Gefühl, "dass etwas Neues geboren wird". Etwas, das die Saison vielleicht sogar überdauert. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Pieringers Leihe verlängert werde, sagt Hartenbach. Vor der Entscheidung gehe es für Marvin Pieringer aber erst einmal darum, "sein Profil zu schärfen. Die ersten ein, zwei Steine hat er schon aus dem Weg geräumt, aber da liegen schon noch ein paar vor ihm."

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