Zweite Bundesliga:Der nächste Kapitalpatzer

Rolle rückwärts im Aufstiegskampf für den HSV, Aaron Hunt (HSV, 14) schlägt einen Purzelbaum, enttäuscht schauend, Enttä

Rolle rückwärts im Aufstiegskampf für den HSV.

(Foto: Oliver Zimmermann/imago)

In der entscheidenden Saisonphase schwächelt der ruhmreiche Hamburger SV erneut. In Regensburg kommt die Mannschaft nicht über ein 1:1 hinaus - und nutzt somit nicht einmal die Hilfe des ungeliebten Rivalen St. Pauli.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Viele Rätsel dieser Welt konnten bereits gelöst werden, aber dieser Fußballklub namens Hamburger SV bleibt ein unergründliches Mysterium. Im Grunde hat dieser Klub alles, um ein echter Gigant im deutschen Profigeschäft zu sein. Tradition, einen Standort in einer Millionenmetropole, Anhänger in der gesamten Republik. Und dann dieser unverantwortliche Umgang mit diesem Potenzial und der großen Geschichte? Das versteht wirklich kein Mensch mehr.

Am Sonntag gab es die nächste klägliche Episode für den Zweitligisten HSV, der nach menschlichem Ermessen gar kein Zweitligist sein dürfte. Und der mal wieder einiges dazu beigetragen hat, dass sich an dieser Diagnose in der kommenden Saison nichts ändern könnte: nur 1:1 bei Jahn Regensburg, eine Mannschaft aus dem unteren Tabellendrittel. "Das ist im Aufstiegsrennen einfach zu wenig", sagte der HSV-Kapitän Tim Leibold. Wer wollte ihm da widersprechen?

Der HSV kann mit dem Stress in der zweiten Liga nicht umgehen

Der HSV bleibt sich zwar selbst ein Rätsel, aber die Trainer im Unterhaus haben schon lange entschlüsselt, wie dem einstigen Europapokalsieger am besten zu begegnen ist; es ist nun schon im dritten Jahr in Serie dasselbe Rezept. Man muss einfach nur klassischen Zweitliga-Fußball spielen lassen, mit der gebotenen Härte in den Nahduellen und Stresssituationen über alle Winkel des Platzes. Den Rest erledigt der HSV dann schon selbst, wie im Spiel gegen Regensburg mal wieder zu beobachten war. In der ersten Halbzeit zeigte der Favorit eine absolute Nicht-Leistung, der Jahn ging durch einen Treffer von Stürmer Andreas Albers verdient in Führung. 45 Minuten Spielzeit, einfach so hergeschenkt. Und das obwohl es im Parallelspiel ein freundschaftliches Entgegenkommen gab, ausgerechnet vom ungeliebten Stadtrivalen: Der FC St. Pauli, die Mannschaft der Stunde in der zweiten Liga, gewann 2:1 gegen den Tabellenzweiten SpVgg Greuther Fürth, der trotzdem noch drei Punkte Vorsprung auf die Hamburger vorweisen kann.

Der HSV hat in dieser Saison schon sagenhafte Vorsprünge verzockt, schafft es im Gegenzug aber nicht, selbst mal eine sagenhafte Aufholjagd zu starten. Auch in der Oberpfalz blieb diese aus. Die Gästeelf drückte in der zweiten Hälfte zwar unablässig, mehr als der Ausgleich durch Spielmacher Sonny Kittel wollte aber nicht mehr gelingen. Und mehr wäre am Ende auch beileibe nicht gerecht gewesen.

Dabei hatten die Lösungsansätze der HSV-Verantwortlichen für diese Saison so simpel wie einleuchtend geklungen. In den vergangenen beiden Zweitliga-Jahren hatte es einen Mangel an nervenstarken Fußballern im Kader gegeben, was als einer der Gründe dafür identifiziert wurde, dass die Mannschaft in der Rückrunde jeweils den schon sicher geglaubten Aufstieg doch noch aus den Händen gab. Deshalb wurden in Torwart Sven Ulreich, Verteidiger Toni Leistner, Mittelfeldabräumer Klaus Gjasula und Stürmer Simon Terodde vier hünenhafte und aufstiegserfahrene Akteure geholt, die das Gefüge mit ihrer Erfahrung stabilisieren sollten - und das unter der Regie des vergleichsweise unerfahrenen Trainers Daniel Thioune, von dem man sich frische Ideen und ein wenig Inspiration erhofft hatte. In der Theorie klang das toll. Aber die Praxis ist so erbarmungslos wie die Gegner in der zweiten Liga, die eine Heidenfreude daran haben, den einst großen HSV auf ihr eher bescheidenes Niveau runterzuziehen. Es bleiben eine verunsicherte Mannschaft und ein ratloser Trainer, der dem gleichen Schicksal entgegentaumelt wie seine Vorgänger.

Die zweite Liga ist aufgrund von Team-Quarantänen unübersichtlich geworden

Pünktlich zur entscheidenden Phase ist der HSV mal wieder eine der schwächsten Mannschaften im Teilnehmerfeld. Was da noch Hoffnung macht? Höchstens der unübersichtliche Quarantäne-Wettbewerb, zu dem sich das Aufstiegsrennen in der zweiten Liga zuletzt entwickelt hat. Insbesondere vier Mannschaften nehmen daran noch teil, der Tabellenführer VfL Bochum sowie Holstein Kiel und eben Fürth sowie der HSV. Aber das kann sich mit jedem Spieltag neu schütteln, da zuletzt weitere Teams ihr Interesse hinterlegt hatten, das Spitzenfeld um ihre Anwesenheit zu erweitern. Diese Teams, der 1. FC Heidenheim und Fortuna Düsseldorf, haben ihre Samstagsspiele jedoch 1:3 in Nürnberg respektive 1:2 in Paderborn verloren.

Das Anspruchsvolle an diesem neuen Quarantäne-Format ist, da irgendwie den Überblick zu behalten, ganz zu schweigen von schlüssigen Interpretationen des Geschehens. Das beste Beispiel dafür ist Kiel, das aufgrund wiederholter Corona-Fälle im Kader bereits zwei Quarantäne-Aufenthalte hinter sich hat, beim Re-Start am Samstag aber dennoch einen überzeugenden 3:1-Sieg in Osnabrück einfahren konnte. Der HSV hingegen hatte es unter der Woche fertig gebracht, nach einer fast skandalösen Leistung 1:2 in Sandhausen zu verlieren - also gegen ein weiteres Team, das zuletzt nur im Home-Office trainieren konnte, auf Yogamatten und Spinningrädern, aber ohne das zentrale Element in diesem Sport: den Ball.

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