Zweierkajak bei Olympia:Gegensätze, die sich perfekt ergänzen

Canoe Sprint - Olympics: Day 13

Der spritzige Jacob Schopf (rechts) und der ausdauernde Max Hoff haben gemeinsam Silber geholt.

(Foto: Laurence Griffiths/Getty Images)

Die Silber-Gewinner Jacob Schopf und Max Hoff könnten unterschiedlicher kaum sein - und verbinden doch die besten Eigenschaften, die ein Kanu-Duo haben kann. Doch nun muss der eine ohne den anderen weitermachen.

Von Thomas Hahn, Tokio

Zwei gerührte Kanuten standen da in der Sonne am Sea Forest Waterway, Max Hoff und Jacob Schopf. Sie hatten die Silbermedaillen um den Hals, die sie gerade im Zweierkajak-Finale der Olympischen Spiele von Tokio gewonnen hatten. In Jacob Schopfs unverbrauchten Zügen lag eine jugendliche Freude. Max Hoff, hohlwangig, hohe Stirn, schwankte zwischen Weinen und Lachen. "Es war ein harter Weg", sagte Schopf. "Ich bin dankbar dafür, dass ich das noch erleben durfte", sagte Hoff. Sie waren zufrieden mit Platz zwei hinter den Australiern Jean van der Westhuyzen und Thomas Green. Kein Gedanke daran, dass sie, die Weltmeister, etwas verloren hätten. Sie hatten zu viel durchgemacht für kleinliches Bedauern.

Wenn Gegensätze sich ergänzen, entstehen besondere Geschichten. So ist es jedenfalls bei Jacob Schopf und Max Hoff, die so unterschiedlich sind und doch so gut zusammenpassen, dass sie gemeinsam ein schmales Boot in Höchstgeschwindigkeit durchs Wasser treiben können. 2019 wurden sie in Szeged Weltmeister. Dieses Jahr gewannen sie beim Weltcup und bei der Europameisterschaft. Wenn Max Hoff und Jacob Schopf zusammen paddeln, verbinden sich ihre Kraft, ihre Ruhe und ihr Rhythmus zu einer großen, ungebrochenen Energie, die fast ohne Verluste in eine Richtung wirkt. Der spritzige Schopf und der ausdauernde Hoff sind zusammen die Summe der besten Eigenschaften, die ein Kanu-Duo haben kann.

Trotzdem sah es zwischendurch so aus, als könnten sie scheitern. Und zwar an Max Hoffs Alter. Als Generationen-Boot haben sich Hoff und Schopf einen Namen gemacht. Max Hoff, 38, ist knapp 17 Jahre älter als Jacob Schopf. Als Schopf mit sieben zum Kanusport kam, war Hoff schon Weltmeister im Wildwasser-Rennsport und plante seinen Wechsel in die olympischen Flachwasser-Disziplinen. Als Hoff bei Olympia 2012 in London Bronze im Einerkajak gewann, war Schopf ein Sportschüler an der Flatow-Oberschule in Berlin-Köpenick. Als Hoff 2016 Olympiasieger im Viererkajak wurde, errang Schopf seinen ersten Junioren-WM-Titel. Der Essener Hoff ist ein nachdenklicher Mann mit Biologie- und BWL-Studium, der Potsdamer Schopf ein unbeschwerter Sportsoldat. Aber der wichtigste Unterschied ist: Hoffs Karriere geht zu Ende, Schopfs Karriere geht gerade erst los - und das war nach der Verschiebung der Spiele 2020 wegen des Coronavirus ein Problem.

Vor allem für Max Hoff. Er hatte den Ausstieg nach Olympia 2020 geplant. Ihm lag das Job-Angebot von einer Firma für Nahrungsergänzungsmittel vor. Er musste sich entscheiden: Job oder Sport. Hoff entschied sich für den Sport. Mit dem jungen Schopf hatte er diese letzte Chance auf Olympia-Gold, die wollte er nicht hergeben. Also ging es weiter. Alles war in Ordnung. Aber bei der Sichtung des Deutschen Kanuverbandes im April, bei der die Auswahl-Kandidaten sich in internen Einer-Rennen beweisen mussten, war etwas anders als sonst. Max Hoff, jahrelang der überragende deutsche Kajak-Paddler, fuhr hinterher. Platz vier und acht. Hoff war verunsichert. Und beim Weltcup in Szeged im Mai mussten sich Hoff und Schopf nicht nur gegen internationale Konkurrenz bewähren. Sie mussten ihren Olympiaplatz gegen Jakob Kurschat und Jakob Thordsen aus Dresden und Hannover verteidigen.

Im Rennen lagen sie erst zurück. Dann legten sie zu. Gingen in Führung. Gewannen. Hoff hatte mit Schopfs Hilfe seinen schwindenden Kräften getrotzt und sagte: "Ich bin dankbar."

Am Ende fehlen drei Zehntelsekunden zu Gold

In Tokio funktionierten die beiden dann wieder wie eine gut geölte Kanumaschine. Im Vorlauf fuhren sie kontrolliert auf Platz zwei hinter den Australiern. Im Halbfinale siegten sie souverän. Im Finale paddelten die Australier erst davon. Schopf und Hoff holten auf, zogen vorbei. Dann konterten die Australier. Am Ende fehlten drei Zehntelsekunden zu Gold. Und bevor jemand falsche Vorstellungen entwickelte, sagte Max Hoff: "Silber ist nicht Verlieren." Sein letztes Olympia-Rennen war gut ausgegangen, und Jacob Schopf hatte eine gelungene Premiere unter den Ringen erlebt.

Es wirkt wie der perfekte Übergang. Max Hoff, ein Doyen des deutschen Kajakfahrens, hat an seinen potenziellen Nachfolger Schopf übergeben. Der wiederum bedankte sich für die Lehrjahre, die er an Hoffs Seite hat genießen dürfen. "Mit ihm fühlt es sich an, als hätte man ein Lehrbuch dabei. Aber eines, das einen aufmuntert", sagte er. Schopf ist ein sonniger Mensch, der sich auch als junge Hoffnung des traditionell erfolgreichen deutschen Kanu-Verbandes nicht aufs Medaillenjagen reduzieren lassen will. Seine Definition von Sport: "Es geht um Freundschaft, Spaß und Ziele."

Dass das für ihn nicht nur ein Spruch ist, konnte er sogar beweisen: Er kam am Dienstag nach seinem vierten Platz im Einzelrennen nicht zu den Reportern. Allerdings nicht, weil er nichts zum Blech-Rang sagen wollte. Sondern weil dem tschechischen Kollegen Josef Dostal die Hitze zugesetzt hatte und Schopf sich um ihn kümmerte. Im Zweierkajak gewann Dostal dann mit Radek Slouf Bronze und bedankte sich öffentlich für die Hilfe des netten Rivalen Schopf.

So kann es weitergehen. Und Max Hoff ahnt: So wird es weitergehen. "Jacob ist ein Riesentalent", sagte er. Er selbst hingegen spüre dieses gemischte Gefühl nach dem letzten großen Rennen. Trauer, dass es vorbei ist, Freude, dass etwas Neues beginnt. Wobei Max Hoff versicherte, dass er auch weiterhin Kanus besteigen werde. "Ich liebe das Paddeln viel zu sehr, als dass ich das aufgeben würde." Kommende Woche stehen die deutschen Meisterschaften in Hamburg an. Die lässt sich Max Hoff nicht entgehen.

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