Die Auswahl der Gäste ist für eine Fernsehshow ein durchaus wichtiges Detail. Geht hier beim Casting was schief, dann ist sie schwer zu retten. Insofern ereilte die Eurosport-Olympia-Sendung Zwanzig18 ein kleiner Luftanhalte-Moment. Die Sängerin Ella Endlich war eingeladen, ein Olympiafan. Oder? "Ich begeistere mich für Tennis." Wintersport sei nicht so ihr Ding. Aber die Erfolge von Laura Dahlmeier oder Andreas Wellinger habe sie doch sicher bejubelt? "Leider nicht, ich schau nicht so viel Fernsehen."
Man muss Moderatorin Julia Kleine Respekt zollen, denn Endlichs Abfuhr brachte sie kein bisschen aus der Ruhe. Es schien fast so, als hätte Kleine gar nicht zugehört, so ungerührt setzte sie ihr Interview fort. Sie leitete weiter zum Thema Singen und fragte, ob Ella Endlich eine Olympia-Hymne singen wollen würde. Daneben saß Matthias Sammer, legte die Stirn in Falten und räusperte sich.
Sogar Matthias Sammer tritt locker auf
Vielleicht sah es Julia Kleine auch so: Es war ein fast rührend ehrlicher Moment, den es so im deutschen Fernsehen selten gibt. Als würde jemand bei GNTM angeben: "Heidi Klum? Nie gehört." Ein spezieller Moment, von denen die Sendung Zwanzig18 an ihren ersten paar Tagen überraschend viele im Programm hatte.
Es ist ja eine herkulische Herausforderung, die sich Eurosport mit dieser Show um 20.15 Uhr, der Primetime für den deutschen Zuschauer, auflastet. Der Mutterkonzern Discovery hat sich die TV-Rechte für vier Olympische Spiele gesichert, und dafür 1,3 Milliarden Euro investiert. Gut, für ein paar Hundert Millionen haben ARD und ZDF Sublizenzen bekommen - aber eigentlich gehört Olympia jetzt Eurosport. Es war noch Geld übrig für eine opulente Abendshow, an 18 Tagen in Folge über jeweils mehr als zwei Stunden. Die Idee: Weil die Wettbewerbe aufgrund der Zeitverschiebung in Mitteleuropa in der Nacht bis zum frühen Nachmittag stattfinden und viele kaum etwas davon mitbekommen, können sich die Deutschen bei Zwanzig18 den Olympia-Tag locker flockig zusammenfassen lassen.
Doch die Sendung soll viel mehr bieten als Medaillen und Hymnen: Unterhaltung, Einblicke in das Gastgeberland. Ein Hauch von Schlag den Raab mit Wettbewerben im Studio. Eine Wetten, dass?-Gedächtniscouch mit Interviews. Die Moderatorin Julia Kleine war bis zum 20. Lebensjahr im Kader des Deutschen Ski-Verbands aktiv. An ihrer Seite moderiert Marco Schreyl, der in den neunziger Jahren unter anderem als Bobfahrer in Leistungszentrum Oberhof aktiv war. Zwei, die sich im Wintersport auskennen.
Die Crux ist: Bislang interessiert das kaum jemanden. Nur 290 000 Menschen schalteten laut Quotenmessung am Sonntag ein. Dass die Sendung parallel auch beim "Frauensender" TLC gezeigt wird, bemerken noch weniger. Dabei hatte Zwanzig18 für deutsche Sofa-Sportler an den ersten Olympia-Abenden wirklich was zu bieten.
Skifahrer Felix Neureuther war zum Beispiel da und auf seine direkte, ehrliche Art wie immer eine Bereicherung. In einem der ruhigeren Momente der Sendung berichtete er vom Moment seines Kreuzbandrisses: "Das Knie ist explodiert, ich wusste eine Sekunde später: Die Arbeit der letzten sechs Monate ist umsonst." Er habe sich sogleich bei allen Trainern und Serviceleuten entschuldigt, die so viel investiert hätten.
Hambüchen gibt den Helden
Oder Konni Winkler aus Garmisch-Partenkirchen, der Laura Dahlmeier als Jugendliche im Langlaufen trainiert hat. Trotz aller Live-Berichte - so nah kommt man einer Doppel-Olympiasiegerin selten. "Die Laura, die kann eigentlich alles gut", erzählte Winkler, "sie ist ehrgeizig und wenn sie sich was in den Kopf setzt, dann setzt sie das durch." Er erinnerte sich an den Tag, als Dahlmeier zu ihm in die Trainingsgruppe gekommen war. "Die war allen anderen voraus, selbst den Buben. Ich hab zu den Buben gesagt: Mensch, des gibt's doch ned, dass ein Mädchen euch wegrennt. Sie war schon damals die absolute Ausnahme."
Sammer erzählte, wie schwierig es war, als er 1997 seine Fußball-Karriere wegen einer Knieverletzung beenden musste. Sammer profiliert sich bei Eurosport ohnehin gerade als schlauer und sogar lockerer Sport-Experte und -Beobachter. Ex-Skifahrer Markus Wasmeier und Ex-Biathlet Fritz Fischer verbanden Humor mit Fachwissen und brachten mit ihrer herzigen Art viel Wohlfühl-Atmosphäre mit. Der kölnisch-koreanische Entertainer Ill-young Kim fragte bei einem der 450 000 südkoreanischen Wahrsagern nach, wie viele Goldmedaillen die deutschen Athleten gewinnen werden (Antwort: acht oder neun). Und selbst die Stelle des Helden ist eindeutig besetzt: von Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen.
Der hatte sich vorgenommen, bis zu den Spielen in Pyeongchang alle möglichen Wintersportarten zu lernen. Trainieren durften ihn Kinder und Jugendliche aus den Skiklubs. Für die erste Sendung ging's zum Skispringen. Es war herrlich anzusehen, wie dem Sportprofi Hambüchen oben auf der Jugendschanze die Angst im Gesicht stand, während die Kinder ihm erklärten, was er machen muss. Tags darauf erklärten zwei Allgäuer Buben dem Turner, wie er im Riesenslalom richtig auf der Kante fährt. Dass er vor diesem Projekt nie auf einem Ski gestanden war, wie Wasmeier sagte, ist kaum zu glauben. Allein wegen Hambüchens Wintersport-Lehrgängen lohnt sich die Sendung.
Zwanzig18 hat auch seine Längen. Wenn eher unbekannte Musikgruppen ihre Lieder trällern, wenn die Gäste zum Promi-Curling antreten, wenn das obligatorische "Was-sagt-das-Netz" kommt. Da gleitet es ab ins Belanglose. Manchem dürfte es auch zu viel Schwarz-Rot-Geil-Stimmung sein, ein bisschen mehr Internationalität wäre schön. Und doch ist generell Schwung drin in der Olympia-Show. Vor allem, weil die Gäste bislang gut gecastet sind. Sogar Ella Endlich war noch erfolgreich: Sie stylte einem jungen Mann aus dem Publikum gekonnt eine Andi-Wellinger-Frisur.
