Alexander Zverev:25 Prozent seiner Lunge funktionierten nicht

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Alexander Zverev will in Turin endlich wieder einen großen Turniersieg - ob es diesmal klappt? (Foto: Valerio Pennicino/Getty Images)

Nach einem gelungenen Auftakt bei den ATP-Finals berichtet Tennisprofi Alexander Zverev über seine vergangenen Lungenprobleme. Phasenweise war seine Atemfunktion stark beeinträchtigt.

Von Felix Haselsteiner, Turin

Nur der Reinigungsbetrieb war noch zugange auf den Tribünen der Inalpi Arena in Turin, die sich gegen 23 Uhr längst geleert hatten – dabei gab es noch intensives Tennis zu sehen. Als die letzten Zuschauer nach der Abendsession ihre Plätze verlassen hatten, war Alexander Zverev wieder auf den Center Court zurückgekommen. Ein frisches Trainingsoutfit hatte er an, sein Team versammelte sich um ihn herum, gelegentlich griff er zu neuen Schlägern; er schmetterte fast eine halbe Stunde lang wuchtige Vor- und Rückhände über den Platz, als hätte er am Abend noch gar keinen Sport getrieben.

Zverev macht das häufiger, nach absolvierten Matches zu trainieren, wenn ihm etwas in seinem Spiel nicht gefallen hatte. Er ist nun auch wieder fit genug für solche nachträglichen Zusatzeinheiten. Carlos Alcaraz hustete und schniefte sich am Montag zu einer Auftaktniederlage bei den ATP Finals gegen Casper Ruud, Daniil Medwedew berichtete von seiner ausufernden mentalen Müdigkeit. Da wirkte Zverev fast wie ein entspannter Gegenschnitt, auch wenn er seine eigene Leidensgeschichte hat.

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6:4, 6:4 gewann der Weltranglistenzweite sein Auftaktspiel am Montagabend gegen Andrej Rublew, es war eine dominante Partie, in der Zverev nicht für einen Moment die Kontrolle aus der Hand gab. „Ich denke, heute war ein sehr gutes Match, aber es war ein sehr schnelles Match“, sagte Zverev. Dieses „sehr schnelle Tennis“ habe allerdings wenig Rhythmus für ihn als Spieler zur Folge, weshalb er sich kurzfristig zum Training nach dem Match entschied: „Wir haben hier nicht wirklich viel Zeit auf dem Center Court, also wollte ich trotzdem ein paar Bälle schlagen.“

In Turin ist die Zeit auf dem Hauptfeld in der Tat knapp, trainiert wird meistens in einer benachbarten Halle, wo geringfügig andere Bedingungen herrschen. Allerdings, Gegenargument zum Thema Extratraining: So viel Zeit wie in dieser Saison hat Zverev in seiner Karriere noch nie auf dem Platz verbracht.

Zverev erhält in Turin Glückwünsche auf dem Platz

Glückwünsche zu seinem 67. Sieg in diesem Jahr erhielt er noch in der Arena beim On-Court-Interview, was rein statistisch gesehen der mit Abstand beste Wert ist, den Zverev in seiner Karriere erreicht hat. Selbst der Weltranglistenerste Jannik Sinner hat eine Partie weniger gewonnen in diesem Jahr, allerdings auch nur unglaubliche sechs Niederlagen in seiner Bilanz stehen. Der Gegensatz zu Zverevs 20 Niederlagen erklärt, warum Sinner in der Weltrangliste trotzdem enteilt ist. Und warum die Saisonbilanzen unterschiedlich ausfallen.

„Er hat zwei Grand-Slam-Titel gewonnen, er ist der beste Spieler der Welt“, sagte Zverev über Sinner – erinnerte sich dann aber auch an seine eigenen Erfolge und 67 Matchgewinne: „Die Zahl ist schon was wert, weil man ein Gefühl dafür bekommt, dass man eine solide Saison gespielt hat.“ Die Masters-Titel in Rom und vergangene Woche in Paris seien „wunderschön“, allerdings blieben im Rückblick doch eher drei große Niederlagen im Kopf: „Das Roland-Garros-Finale, der Sturz in Wimbledon, das Halbfinal-Aus gegen Medwedew in Australien – das bleibt mehr im Kopf als eine Nummer.“

Bei drei der vier Grand Slams hatte der 27-Jährige in diesem Jahr nach eigener Aussage das Gefühl gehabt, dem lange ersehnten ersten Titel wirklich nahe zu sein. Dreimal scheiterte er knapp: In Australien waren es fünf Sätze gegen Medwedew, in Paris fünf Sätze gegen Alcaraz und in London fünf Sätze gegen Taylor Fritz, in denen Zverev jeweils im Halbfinale, Finale und Viertelfinale ausschied. In Wimbledon trübte die Bilanz zudem eine Knieverletzung aus, die ihn im Turnierverlauf mitten in „sehr guter Form“ erwischte und einschränkte – genauso wie eine Lungenentzündung im Herbst.

Ausführlich sprach Zverev in Turin über seine Erkrankung im September: „Ich bin im Krankenhaus gelandet vor dem Laver Cup, als ich drei Tage am Stück 40 Grad Fieber gehabt habe und dann irgendwann das Gefühl hatte, ich kann nicht mehr atmen“, sagte er. Bei einem CT-Scan sei festgestellt worden, dass „25 Prozent meiner Lunge nicht funktionieren“. Trotzdem ließ er nur das Turnier in Peking aus, um bereits kurz darauf in Shanghai wieder einzusteigen, nach Wien zu reisen und schließlich in Paris zu gewinnen. Die Lunge habe die Reisen gut verkraftet: „Ich werde vielleicht immer noch ein bisschen schneller müde“, sagte Zverev: „Aber ich fühle mich okay. Was aber nicht heißt, dass meine Lunge bei 100 Prozent ist, aber ich fühle mich jetzt wieder fit eigentlich.“

Ironischerweise wirkt Zverev zum Jahresende in Turin fitter und besser in Form als die meisten seiner Konkurrenten, Sinner und er sind die klaren Favoriten auf den Turniersieg. Ein deutsch-italienisches Duell im Einzel könnte am Samstag oder Sonntag zustande kommen, je nach Ausgang der Gruppenphase. Im Doppel steht ein Ländervergleich bereits fest: Am Mittwoch treffen Kevin Krawietz und Tim Pütz auf das Italien-Duo aus Simone Bolelli und Andrea Vavassori. Ihre erste Partie gegen die an Position eins gesetzten Mate Pavic und Marcelo Arevalo gewannen die Deutschen am Montag 6:3, 6:4.

Zverev trifft im zweiten Spiel der Gruppenphase auf den Norweger Casper Ruud, der ebenfalls ein Vertreter der Gruppe ist, die nach einer langen Saison mit mangelnder Form nach Turin gereist ist: Dem angeschlagenen Spanier Carlos Alcaraz ließ Ruud zwar keine Chance, ansonsten aber hat er seit Ende August nur zwei Matches gewonnen.

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