Deutsche Tennisprofis in Paris:"Es war ein großer Spaß da draußen"

Deutsche Tennisprofis in Paris: Alexander Zverev müht sich zwei Sätze lang gegen den Südafrikaner Lloyd Harris.

Alexander Zverev müht sich zwei Sätze lang gegen den Südafrikaner Lloyd Harris.

(Foto: Emmanuel Dunand/AFP)

Während Alexander Zverev sein Auftaktmatch gewinnt, muss sich Jan-Lennard Struff in eine Niederlage fügen. Aber bei den French Open zeigt sich auch: Der Zusammenhalt der Kollegen stimmt.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Schon von weitem war die lange Schlange zu sehen, und es war ebenfalls erkennbar: Dort, hinter dem Sichtschutz vor Court 13, fast am westlichen Ende der Anlage, würde sicher gleich ein Deutscher spielen. Von allen internationalen Zuschauern, die diese French Open jeden Tag zu Tausenden besuchen, trägt wohl keine Bevölkerungsgruppe so gerne Rucksäcke wie die Tennisinteressierten aus Allemagne. Das Quetschen auf den engen Sitzreihen war dann auch entsprechend intensiv, selbst die eigentlich für die Presse vorgesehenen Plätze wurden einfach in Beschlag genommen, ein Kappe tragender Mann rief fröhlich aus: "Ich bin vom Kölner Stadt-Anzeiger", was nicht stimmte, aber zu Recht für Heiterkeit sorgte.

Der erste Satz zwischen Jan-Lennard Struff und dem Tschechen Jiri Lehecka dauerte nicht lange, da packte ein anderer Mann seelenruhig eine Plastikdose aus und verzehrte ein Brot. Ja, die deutschen Fans fühlten sich wie zu Hause. Zur wunderbaren Atmosphäre trugen im Übrigen auch bekannte Vertreter des deutschen Tennis bei, der pfiffige Kevin Krawietz, der in Paris schon zweimal mit seinem früheren Doppelpartner in Roland Garros den Titel errang, klatschte, rief Aufmunterndes, wie auch Dominik Koepfer, der in der Einzel-Qualifikation in der dritten und letzten Runde ausgeschieden war. "Struffi, let's go", ertönte es, auch Matthias Breunig, der Physiotherapeut des Deutschen Tennis-Bunds, versuchte sich als Animateur. Es ist schon seit längerem auffallend: Es mag inzwischen weniger gute deutsche Profis in der hinteren Weltspitze geben, aber der Zusammenhalt immerhin stimmt. Früher glänzten vor allem auch die deutschen Männer mit Grüppchenbildung, das ist viel besser geworden. Wenngleich niemand natürlich mehr miteinander rumhängt als die französischen Tenniskollegen.

Deutsche Tennisprofis in Paris: "Es war im Endeffekt leider nicht genug heute.": Jan-Lennard Struff nach seiner Fünfsatz-Niederlage gegen den Tschechen Jiri Lehecka.

"Es war im Endeffekt leider nicht genug heute.": Jan-Lennard Struff nach seiner Fünfsatz-Niederlage gegen den Tschechen Jiri Lehecka.

(Foto: Julian Finney/Getty)

Zum Erfolg konnte die Stimmung Struff letztlich nicht tragen, der 33-Jährige, derzeit der bekannteste Bürger aus Warstein, verlor mit 5:7, 6:1, 3:6, 6:3, 1:6. Nach seinen formidablen vergangenen Wochen, in denen er vor allem in Madrid mit dem Finaleinzug überraschte, war Struff erstmals - als Nummer 21 - gesetzt gewesen bei der Auslosung. Die brachte ihm nur das Pech ein, Lehecka als Gegner zu erhalten, dem das Potential eines Tomas Berdych nachgesagt wird; der ehemalige Spitzenspieler ist auch sein Mentor.

"Ich habe heute zu up and down gepielt, ich war phasenweise mal ganz gut, dann wieder nicht so gut", sagte Struff später ernüchtert, "es war im Endeffekt leider nicht genug heute." Die Partie empfand er als ein "bisschen zerfahren von beiden", denn "wir haben selten zur selben Zeit beide unser Toplevel gespielt". Das Gute aus deutscher Tennissicht dürfte sein, dass man sich keine Sorgen um diesen 1,93 Meter großen Profi machen muss, Struff strahlt längst eine souveräne Reife aus und weiß Dinge einzuordnen. "Das gibt's im Tennis, dass es nicht so super Tage gibt."

Ein Fazit, das auch treffend die gesamte deutsche Lage umschreibt, in Paris gibt es ja diesmal wahrlich von Tag zu Tag weniger passende Gelegenheiten, seine Stulle auf der Tribüne auszupacken. Viele DTB-Akteure sind im Einzel nicht mehr unterwegs, dabei beginnt an diesem Mittwoch erst die zweite Runde. Oscar Otte, 29, kämpfte tadellos, unterlag aber dem talentierten Russen Alexander Schewtschenko am Sonntag mit 5:7, 6:4, 1:6, 6:7 (2), Jule Niemeier, 23, spielte beim 3:6, 4:6 gegen die Russin Darja Kassatkina unter ihren Möglichkeiten. Am Montag hatte Tatjana Maria, 35, die in Wimbledon 2022 im Halbfinale stand, keine Chance gegen die brachialen Schläge der Brasilianerin Beatriz Haddad Maia, 0:6, 1:6. Immerhin die zweite Runde erreichte Anna-Lena Friedsam, 29, aus Neuwied, die sich nach dem 6:3, 3:6, 6:4 gegen die Japanerin Nao Hibino ein Duell mit der an Position 23 gesetzten Russin Jekaterina Alexandrowa erarbeitete.

Daniel Altmaier, 24, der derzeit bekannteste Mensch aus Kempen (wobei der Mundharmonikaspieler Konstantin Reinfeld auch Prominenz besitzt, eben nur in Mundharmonika-Kreisen), setzte sich mit 6:3, 6:4, 6:4 gegen den Schweizer Marc-Andrea Hüsler durch, der im Davis Cup im Februar Alexander Zverev bezwungen hatte. Der Weltranglistenneunte Jannik Sinner aus Italien ist als Zweitrundengegner nun eine noch größere Hürde, doch der aufgeräumte Altmaier, der eine feine einhändige Rückhand spielt und zuletzt einen Entwicklungsschub erlebte, traut sich einiges zu. "Ich habe eine klare Vorstellung und gehe auf den Platz, um zu gewinnen", sagte er entschlossen. Das ist sicherlich ein richtiger Ansatz. Sonst müsste er als 79. der Weltrangliste gar nicht auf den Platz gehen.

Alexander Zverev erreichte schließlich am Dienstagnachmittag die zweite Runde, der 26-Jährige wirkte lange etwas derangiert. 20 leichte Fehler im ersten und 15 im zweiten Satz dokumentierten, dass er trotz des 7:6 (6), 7:6 (0), 6:1-Sieges gegen den im Verlaufe der Partie an der Wade verletzten Südafrikaner Lloyd Harris nicht zufrieden sein konnte. Was er auch beim Interview auf dem Platz zugab. Der Dame am Mikrofon warf er ein lautes "No!" entgegen, als sie ihn fragte, ob er glücklich mit seinem Spiel sei. Zverev lachte, es war ja gutgegangen. Die Erleichterung, ein Jahr nach seinem schweren Unfall auf dem Court Philippe-Chatrier, bei dem sieben Bänder im rechten Fuß gerissen waren, wieder ein Match bei den French Open bestritten und dabei reüssiert zu haben, war ihm anzusehen. Wenngleich er diesmal im kleinen Stadion namens Court Simonne-Mathieu spielte. "Es ist sehr, sehr schön, wieder zurück zu sein", sagte Zverev. "Es war ein großer Spaß da draußen." Er trifft nun am Donnerstag auf den Slowaken Alex Molcan, den Zverev seit Jugendtagen kennt. Von den Namen der Gegner her könnte sein Weg durchs Turnier im Übrigen weniger furchteinflößend werden. Der Russe Daniil Medwedew, ein möglicher Viertelfinalduellant, verlor am Dienstag überraschend gegen den Brasilianer Thiago Seyboth Wild, die Nummer 172. der Welt, mit 6:7 (5), 7:6 (6), 6:2, 3:6, 4:6.

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